SaschaSalamander

Blogeinträge (Tag-sortiert)

Tag: Humor

Ausgefressen

matthies_ausgefressen_1.jpgRay ist ein Erdmännchen. Phil ist ein Privatdetektiv und Alkoholiker. Mit genügend Alkohol kann er verstehen, was die Erdmännchen reden. Und so wird Ray, der schon immer Ermittler werden wollte, zum Privatschnüffler.

Soviel kurz und knapp zur Geschichte. Und es fällt mir schwer, eine lange, ausführliche Rezension zu schreiben. Inzwischen allerdings haben sich schon sehr viele Beiträge im Netz angefunden, sodass es wohl genügt, wenn ich nur ein paar Worte darüber verliere, was mir beim Lesen durch den Kopf ging. Mein erster Eindruck, als ich die Leseprobe ansah: dialoglastig, anstrengend zu lesen, viel zu albern.

Neugierig auf die Story war ich trotzdem, und jetzt habe ich das Hörbuch genießen dürfen. Die erste halbe CD habe ich immer wieder mit mir gehadert: "das ist bescheuert, sowas hör ich nicht. Ich würde niemals zugeben, solch ein albernes Zeug gehört zu haben. Aber irgendwie ist es witzig. Ne, bescheuert. Ich will aber wissen, wie es weitergeht. Erdmännchen, die sich an den Eiern kratzen und ein Smartphone haben wollen, gehts noch dämlicher? Christoph Maria Herbst ist aber so klasse, dass ich trotzdem hören will! Ich will nicht! Ich will!" Und so habe ich vor mich hingequengelt, weil ich nicht weiterhören wollte, und weil ich trotzdem nicht aufhören wollte.

Zum Glück habe ich mich entschlossen, weiterzuhören. Es ist wirklich ein sehr ungewöhnliches Buch. Und ich denke, gelesen hätte ich es vermutlich nicht. Dazu wären mir die hektischen Dialoge wohl wirklich zu anstrengend gewesen. Gelesen von Christoph Maria Herbst (Stromberg) allerdings war es absolut hörenswert. Ich hätte nie gedacht, WIE wandlungsfähig er mit seiner Stimme ist. Ob nun eine Jazz singende Chinchilla-Lady, eine kichernde Erdmännchen-Sexbombe, ein majestätischer Seeadler, ein besoffener Detektiv, eine Berliner Kioskverkäuferin, ein technikbegeisterter Erdmann-Nerd, ein vermutlich italienischer Chinchilla Loverboy, eine verliebte Hyäne, eine fette Nilpferd-Dame, ein undersexter Elefantenbulle, eine Horde hirnloser Pinguine, es klingt alles überzeugend und hat eine ganz eigene Stimme, ich stand stellenweise mit heruntergeklapptem Kiefer da und konnte nicht fassen, was ich hörte. Herbst liest nicht nur, er spielt seine Rollen wie ein Schauspieler, ich meinte regelrecht einen Film vor mir zu sehen.

Um AUSGEFRESSEN zu mögen, muss man zugegeben schon auf reichlich abgefahrene Sachen stehen. Die Rollenbeschreibung im Absatz drüber zeigt ja bereits auf, was den Leser erwartet. Dazu kommen Erdmännchenkämpfe unter Tage mit Taser und Handgranate. Erdmännchen, die zu den Black Eyed Peas abrocken und singen, Skunks als DJ und Ratten als Kellner, Mafiosi-Gorillas und derlei schräge Elemente mehr. Nein, realistisch ist das absolut nicht. Aber das ist egal. Es ist einfach lustig, und mehr soll es auch nicht sein.

Ich habe mich hervorragend amüsiert, einige Male laut aufgelacht. Was mir besonders gefiel waren die schönen Metaphern. Grade bei Stimmen ist der Autor sehr erfinderisch: "Seine Stimme packte mich im Kragen und schleifte mich über den kalten Fußboden" oder "mit seiner Stimme hätte man eine Buttercremetorte bestreichen können". Sehr bildlich und witzig. Zugegeben auf Dauer sehr anstrengend, ich könnte keinesfalls mehrere Bücher hintereinander lesen, und ich habe auch die CDs mehrfach unterbrochen und dazwischen andere Genres gelesen. Vier CDs am Stück in diesem Stil wäre ein Overkill. Aber da die Handlung sowieso eher Nebensache ist und man nichts verpasst, wenn man mal eine kleine Pause macht, ist das nicht schlimm.

Insgesamt: Empfehlung, um ohne groß zu denken einfach mal ein wenig albern zu lachen. Das braucht man manchmal. Denn das Leben ist ernst genug. Und genau in solchen ernsten, grauen Momenten braucht man einfach ein durchgeknalltes Erdmännchen. Und bitte - vergesst das Buch, holt Euch das Hörbuch ;-)

SaschaSalamander 07.05.2012, 08.14 | (0/0) Kommentare | PL

Das Katzen-Komplott

davies_katze_1.jpgINHALT

Die Neue Katze mochte niemand so wirklich in der Familie, denn sie brachte tote Tiere ins Haus und zerkratzte allen die Füße. Dem kleinen Tom war das egal, und als die Katze verschwindet, kümmert es niemanden, nur Tom macht sich große Sorgen. Ob sie, wie Herr Tucker sagt, wirklich nur in Urlaub gefahren ist? Oder war sie, wie Susanne vermutet, beleidigt, weil Vater sie mitten in den Regen gejagt und der Wohnung verwiesen hatte? Oder wurde das Tier gar von der Nachbarin überfahren? Hat die böse Nachbarin mit dem kleinen bissigen Hund die Neue Katze entführt? Gemeinsam mit seiner Schwester Anna, deren Freundin Susanne und mit dem Nachbarn, Herrn Tucker, macht er sich auf die Suche nach dem verschwundenen Tier.


CHARAKTERE

DAS KATZEN-KOMPLOTT ist der Nachfolger des Kinderbuches >DAS GROSSE HAMSTER-MASSAKER<, das mich letztes Jahr bereits begeisterte. Die beiden Bücher sind absolut unabhängig voneinander zu lesen, die Kenntnis des einen ist für das Verständnis des anderen nicht erforderlich. Trotzdem ist es natürlich prima, wenn man alten Freunden wiederbegegnet. Ich hatte die Charaktere bereits im HAMSTER-MASSAKER liebgewonnen und war begeistert, dass das zweite Buch auf diesen aufbaut und man somit mehr über Frau Rotherham, Herrn Tucker, Joe-von-der-Straße-runter und all die anderen schrulligen Figuren erfährt.

Das Buch ist erzählt aus Sicht der 9jährigen Anna, Toms Schwester. Entsprechend sind die Charaktere auch gestaltet: aus Sicht eines neunjährigen Kindes. Und es ist schnell klar, wen Anna mag und wen nicht. Susannes Vater schreit immer, und er ist dem Leser sofort unsympathisch. Während im ersten Band die inzwischen berentete Polizistin, Frau Rotherham, einen Hauptanteil der "Ermittlungen" übernahm, ist es diesmal Herr Tucker, der den Kindern zur Seite steht, ein alter Kriegsveteran, herrlich skurril und originell dargestellt.

Interessant ist, dass die Katze keinen Namen hat, immer nur "Neue Katze" genannt wird. Das zeigt, wie wenig das Tier in der Familie integriert war, baut eine gewisse Distanz zum Leser auf und macht das Ende - welches angemessen aber nicht unbedingt ein klassisches "happy End" ist - ein wenig leichter.

Was mir sehr gefällt: während das HAMSTER-MASSAKER ein rein witziges Buch ist, das kaum eine Botschaft transportiert und einfach nur unterhalten soll, geht das KATZEN-KOMPLOTT tiefer. Es erzählt von der alten Katzenlady. Eine traurige Figur, anfangs beängstigend und unangenehm, doch durch Toms kindliche Unschuld kommen sich die Protagonisten näher, lernt man die Katzenlady von einer anderen Seite kennen. Hier hat Katie Davies einen wirklich interessanten Charakter geschaffen, der Kindern altersgerecht auch viel Stoff zur Auseinandersetzung mit dem Thema "alleinstehende Senioren", "Messie-Syndrom" und "psychisch auffällige Menschen" bietet.


AUFBAU, ERZÄHLWEISE

Erzählt aus der Ich-Perspektive der neunjährigen Anna, ist DAS KATZEN-KOMPLOTT nicht immer wirklich korrekt. So berichtet Anna Dinge, die sie selbst nicht erlebt hat. Da es jedoch ein Kinderbuch ist und man die künstlerische Freiheit einbeziehen könnte (Kinder erfinden gerne Dinge und schmücken das Gehörte blumig aus), sehe ich das nicht als Mangel, es stört den Lesefluss nicht und ist nachvollziehbar.

Schön finde ich, wie in diesem Buch sogar eine kleine Geschichte in der Geschichte eingebaut ist: Die Katzen-Lady erzählt das Märchen "von der Katze, die eigene Wege ging". Gut, der Leser erfährt den Anfang, einzelne Szenen dazwischen sowie das Ende, aber findige Kids werden angeregt, sich die Geschichte selbst zu suchen, und die Eltern können dabei gerne ein wenig behilflich sein. Es ist eine nette Idee, wie die Katzenlady immer wieder eine Geschichte anfängt und aus den unterschiedlichsten Gründen abbrechen muss, eine Art Running Gag, der sich durch das Buch zieht.

Besonders witzig finde ich die Ereignisse, die nicht erzählt sondern nur angedeutet werden. So finden die Kinder beim Ausmisten der Rumpelkammer einen Toaster "den wir zum Explodieren brachten". Es wird nicht erzählt, wieso und warum, und ich bin sicher, das wäre fast schon ein eigenes kleines Buch wert. Und solche Momente, die den Leser aufhorchen lassen, die ihn gierig machen auf weitere Episoden aus dem chaotischen Familienalltag, gibt es zuhauf.

Die kindlichen Gedankengänge machen den Charme des Buches aus. Ein kleines Beispiel: Anna erzählt, dass die Neue Katze gerne Dinge mit nach Hause bringt, die tot, ein bisschen tot oder total tot sind. "Total tot" ist zum Beispiel dieses komische Zeug in der Küche, das mal in einem Tier drin war und von dem man gar nicht mehr weiß, ob das jetzt eine Maus oder ein Vogel war, nur noch die Innereien liegen in der Küche. Und "ein bisschen tot" ist der kleine Frosch, den sie in der Küche fanden, beerdigen wollten, und der dann im Garten während der Beerdigungszeremonie einfach wieder aus dem Schuhkarton herausgehüpft ist. Auch die naive Unschuld, das offene Reagieren auf direkte Fragen der Erwachsenen, ist einfach köstlich und gefällt den Eltern oft gar nicht, gerade in der Öffentlichkeit führt dies manchmal zu urkomischen Situation.

Das Buch beginnt recht humorvoll, bis es knapp nach der Hälfte dann ernster wird und die Kinder auf die Katzenlady treffen. Es ist nicht wie im ersten Band ein zielloses Umherirren, sondern in diesem Buch gibt es eine konkrete Handlung, die sich auch tatsächlich weiterentwickelt. Auch die Kinder durchleben eine Entwicklung und sehen sich mit einer ungewöhnlichen Situation konfrontiert. Es ist allerliebst anzusehen, wie sie damit umgehen und sich Mühe geben, der alten Lady zu helfen, auch wenn ihr Weg natürlich der falsche ist. Während das HAMSTER-MASSAKER einfach nur witzig ist, hat das KATZEN-KOMPLOTT mich tatsächlich berührt und bewegt.


BILDER, GRAFISCHE DARSTELLUNG

Das gesamte Buch ist von Zeichnungen unterlegt. Die Ausschnitte des Wörterbuches kleben auf Notizzetteln (Anna und Susanne wollen alles nachschlagen, was sie nicht verstehen). Und das Geschehen das Buches wird mit kleinen Bildern versehen, die die witzigsten Momente perfekt einfangen. Es sind keine hübschen, detailreichen Zeichnungen, sondern einfach Bleistift-Kritzeleien in herrlich schrägem Humor. In einigen Fällen ist der Text in die Zeichnung eingebunden, so findet sich der Fließtext beim Kennenlernen der Katzenlady zwischen die gestapelten Kartons und herumliegenden Gegenstände. Wenn Susannes Vater schreit, ist der Text in Großbuchstaben und in größerer Höhe geschrieben. Dadurch wirkt alles sehr bildlich, dennoch ist die Lesbarkeit sehr gut gewahrt.


SPRACHE

Die Übersetzung hat gute Arbeit geleistet, ich finde es gut der Sprache einer Neunjährigen entsprechend. Das Buch enthält keine Rechtschreibfehler, die Kinder übernehmen können, grammatikalisch allerdings wird z.B. auf Konjunktiv oder Genitiv verzichtet, was für ein Kind dieses Alters zu kompliziert wäre. Auch die Satzstellung ist nicht immer korrekt aber eben typisch. So liest man zum Beispiel: "Ich und Susanne und Tom", "und auf dem Dach fehlten viele Ziegel. Und oben auf dem Abflussrohr steckte ein Vogelnest. Und der Schornstein sah aus, wie als würde er gleich umkippen". Oder "Ich habe sie gefragt, weil, wir waren ja schon fertig". Oder "Und Mama hat gesagt, sie hat das gar nicht toll gefunden".

Ich habe das Buch als Erwachsener gelesen und finde die Idee und Umsetzung gelungen. Ob Eltern ihren Kindern dieses Buch in die Hand geben möchte, kann ich nicht entscheiden. Die einen sagen wohl "mein Kind kann das gut trennen zwischen Buch und wirklicher Sprache", die anderen sagen "mein Kind soll auf keinen Fall eine falsche Sprache lernen, das würde sich so etwas abgucken".


FAZIT

DAS KATZEN-KOMPLOTT ist ein Feuerwerk kindlichen Einfallsreichtums. Die Autorin hat eine herzliche Geschichte erschaffen, die für Kinder und Erwachsene gleichermaßen witzig zu lesen ist. Ob Vorlesen, selbst lesen oder gemeinsam, ich kann dieses Buch auf jeden Fall allen Altersgruppen empfehlen für eine unterhaltsame Lesezeit :-)

SaschaSalamander 06.04.2012, 09.11 | (0/0) Kommentare | PL

Im Park - Think Positive

Justin C Skylark kenne ich aus >2 MEN KISSING<, einer gemeinsam mit Simon Rhys Beck veröffentlichten Anthologie. Übrigens mein erster Gay-Titel, ich hatte damals noch keine Ahnung vom Genre und war einfach neugierig. Eine Neugier, die sich ausgezahlt hat, denn inzwischen lese ich von unterschiedlichsten Autoren Kurzgeschichten und Romane. Trotzdem nehmen die beiden für mich einen ganz besonderen Platz bei mir ein.

Mit IM PARK - THINK POSITIVE präsentiert Justin C Skylark zwei Kurzgeschichten. Wirklich extrem kurz. Aber dafür pfiffig. Nur eine minimale Inhaltsbeschreibung, da alles andere wirklich zuviel wäre: IM PARK will René eigentlich nur kurz mit seiner Hündin Gassi gehen, aber es kommt zu einem netten Stelldichein. THINK POSITIVE erzählt davon, wie der Protagonist beim Arzt einer Sexbekanntschaft begegnet und aus dessen Reaktion eine positive HIV - Diagnose ableitet, eine Zeit bangen Wartens bis zum eigenen Test beginnt.

Beide Geschichten sind außerordentlich kurz, dafür aber ungewöhnlich witzig. Nicht wie sonst gewohnt eine reine Erotikgeschichte, sondern der Schwerpunkt liegt auf dem humorvollen Anteil. Das fand ich zur Abwechslung sehr angenehm, und ich habe mich hervorragend unterhalten. Der Schreibstil liest sich flüssig, und die Idee zu beiden Stories gefiel mir sehr gut. Bei IM PARK gefällt mir besonders, wie der Leser ebenso wie der Protagonist etwas Entscheidendes völlig vergisst und dann am Ende auflacht: "stimmt, da war noch was". Und bei THINK POSITIVE musste ich an Watzlawicks >Mann mit dem Hammer
Zur Beschreibung von Handlungsaufbau oder Charakteren waren die Geschichten doch etwas sehr kurz, deswegen möchte ich es ausnahmsweise bei diesen wenigen Sätzen belassen. Aber eine klare Empfehlung möchte ich trotzdem aussprechen. Freunde knallharter Gay-Erotik bekommen ausnahmsweise nichts geboten, aber Fans von Justin und Freunde ansprechender Kurzgeschichten kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten ;-)

SaschaSalamander 23.03.2012, 09.22 | (0/0) Kommentare | PL

Volltreffer

arnold_volltreffer_1_1.jpgArthur war zeitlebens von Beruf Sohn. Sein Vater ein reicher Bestsellerautor, der ihn stets finanziell unterstützte und der ihm nach seinem Ableben ein Millionenerbe hinterlassen hat. Arthur teilt sich dies monatlich vernünftig ein, und sein Leben ist recht belanglos, ja regelrecht langweilig. Fast wünscht er sich etwas Abwechslung. Bis er eines Tages soviel davon bekommt, dass er sich zurücksehnt. Denn binnen einer Woche geht bei ihm nun alles drunter und drüber. Eine Traumfrau zieht in das Haus gegenüber, deren Mann prügelt sie und verleitet Arthur zu Heldentaten (die natürlich gründlich schiefgehen). Seine Lieblinsprostituierte ist auf einmal in einem Fernsehbericht über das russische Militär zu sehen. Ein Filmteam ist an den Rechten für eines der Bücher seines Vaters interessiert und ganz besonders an etwaigen Schatzkarten, die dem Buch als Recherche dienten. Dann wäre da noch die Tatsache, dass er von Leuten an Orten gesehen wurde und angeblich Dinge getan haben soll, wovon er jedoch gar nichts weiß. Na, auf SO viel Abwechslung hätte Arthur lieber verzichtet!

Mit Akif Pirincci verbinden die meisten Leser vor allem die Katzenkrimis um den Klugscheißer Francis. Ich selbst sehe in ihm eher einen meiner Lieblingsautoren im Bereich deutscher Phantastik (DIE DAMALSTÜR) und Thriller (DER RUMPF). Sein Stil ist stets flüssig, der Leser wird gut unterhalten. Als Cedric Arnold möchte er sich von dem eher düsteren Grundton der anderen Bücher lösen und zeigen, dass er hier etwas anderes schreibt.

Mit VOLLTREFFER hat der Autor ein Buch erschaffen, das mich von der ersten Seite an begeistert hat. Wie immer bei Pirincci. Er gehört für mich zu denen, die ihre Kreativität auf verschiedene Bereiche auszudehnen vermögen. Das Können erschöpft sich nicht in einem Genre, wo manch ein erfolgreicher Bestsellerautor den zigsten Krimi des immer wieder gleichen Strickmusters veröffentlicht. Und das ist es, was er unter anderem hier auch geschickt aufs Korn nimmt:

Johannes Silbermann, Vater der Protagonisten war so ein Autor. Bereits bei der Auflistung der von ihm veröffentlichten Titel musste ich schallend lachen, spätestens an diesem Moment war ich dem Roman verfallen. Pirincci / Arnold lässt kein gutes Haar an einigen seiner Kollegen. Mit pfiffiger Pointe karikiert er alles, was Rang und Namen in der Schriftstellerwelt hat(te), auch vor Nobelpreisträgern macht er nicht halt. Es finden sich zwischen den Zeilen gelegentlich Anspielungen auf bekannte Werke der deutschen Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur, die mich still zum Schmunzeln brachten.

Auch die Filmbranche wird gewaltig aufs Korn genommen, Bernd Eichinger darf mit seinem Namen dafür herhalten. Und sogar Di Caprio wird erwähnt und erhält eine  wichtige Rolle in diesem wilden Gerangel um das (vorhandene? Oder nur vermutete?) Nazigold.

Ich denke, auch ohne Hintergrundwissen um die deutsche Geschichte, das Verlagswesen und deutsche Autoren sowie das internationale Filmgeschäft kann man den Roman sehr gut lesen. Allerdings entgehen einem dann einige der hintergründigen Pointen, die das Buch in meinen Augen erst so lesenswert machen. Man merkt deutlich, dass Pirincci eine Ahnung hat, wovon er da schreibt.

Arthurs Städtchen wird ebenfalls prima dargestellt. Immer wieder hatte ich das Gefühl "hey, das ist genau das Kaff, in dem ich aufgewachsen bin". Das italienische Lokal mit türkischem Betreiber, die Jägerzäune, die Nachbarschaft, das Verhalten der beteiligten Personen. Messerscharf beobachtet und mit spitzer Feder pointiert. Man meint den Muff des Althergebrachten auf jeder Seite zu riechen: Gesellschaftskritik verpackt hinter der Fassade des kleingeistigen Bürgertums.

VOLLTREFFER beginnt recht beschaulich mit einer Beschreibung des erfolglosen Lebens des Arthur Silbermann. Dieser ist sich seiner Erfolglosigkeit bewusst. Und dann erscheint die neue Nachbarin, die sein Leben aufwühlt. Und kurz darauf gibt es den nächsten Hinweis, dass das langweilige Leben ein Ende hat. Je weiter das Buch voranschreitet, desto absurder werden die Situationen, mit denen der Leser sich konfrontiert sieht.

Es gibt einen Wendepunkt, an dem das Buch vom langweiligen Trott in die bodenlose Absurdität abdriftet. Kurz vor diesem Punkt wollte ich das Buch fast abbrechen: Denn in einigen wenigen Fällen tut ein Buch oder Film mir so weh, dass ich nicht weiterlesen kann. Das Geschehen des Plots schmerzt meiner Seele, meinen Prinzipien, der Menschlichkeit in mir, und wenn jemand zusehr leidet oder zuviel Schlimmes geschieht, dann ist das für mich in den Medien schwer auszuhalten.

Was Arthur angetan wurde, hatte er beileibe verdient, soviel Dummheit gehört bestraft, aber trotzdem war das Lehrgeld schon sehr heftig (der prügelnde, eifersüchtige, türkische Ehemann war nicht gerade sehr zimperlich, und Arthur steckte wortwörtlich sehr tief in der Sch****). Doch direkt im Anschluss an diese Szene kommt die Wende, und ab da geht alles drunter und drüber. Man kann das Geschehen nicht mehr für bare Münze nehmen, es ist einfach zu absurd, was dann geschieht. Der Showdown glänzt mit unzähligen Leichen und einer Menge doppelter Identitäten, alles entpuppt sich als große Lüge und dicke Show. Pirincci persifliert  erbarmungslos alles, was nicht rechtzeitig fliehen kann. Sogar sein eigenes Buch, indem er am Ende verschiedene Varianten des Epilogs schreibt: ein normales, ein konservatives, ein völlig durchgeknalltes Ende. Und ein Hollywood-Ende. Ende gut, alles gut.

Alles in allem ist VOLLTREFFER eine brillante Krimi-Groteske. Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund und schont niemanden.Top Empfehlung für alle Freunde des schwarzen Humors!

SaschaSalamander 02.03.2012, 09.58 | (0/0) Kommentare | PL

Tim und das Geheimnis von Knolle Murphy

WTF? Ich habe am Wochenende nicht genügend Rezis für den Rest der Woche geschrieben? Na, kein Problem, ich bin grade im Kinderbuchfieber und habe hier noch eine alte Rezension von anno irgendwann, die noch nicht veröffentlicht wurde. Über ein Kinderbuch, das zu meinen Favoriten gehört. Eoin Colfer hat mit TIM einen ganz wunderbaren Jungen erschaffen. Hier also mein Beitrag von April 2006 :-)

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Eoin Colfer ist bei uns vor allem durch "Artemis Fowl" bekannt geworden. Aber auch seine anderen Bücher verdienen Beachtung, etwa das wunderbare Kinderbuch "Meg Finn und die Liste der vier Wünsche" oder "Tim und das Geheimnis von Knolle Murhpy". Ich möchte es Euch unbedingt vorstellen, weil es mich absolut begeistert hat!

Fünf Brüder bedeuten eine Menge Leben in der Bude, und so werden die beiden Ältesten - Tim und Marty - zur Strafe für einen etwas zu lebhaften Nachmittag im Haus ins Straflager Bibliothek verbannt: zwei Stunden, jeden einzelnen Tag der Sommerferien. Das ist wirklich grausam! Außerdem weiß doch jedes Kind, dass die Aufpasserin Knolle Murphy Kinder hasst und mit der Kartoffelpistole abknollt! Als ihnen dann gleich am ersten Tag ein schreiender Junge aus der Bibliothek entgegenrennt, ist der Urlaub gelaufen. Knolle gibt ihnen einen Ausweis, befiehlt ihnen, den Teppich der Kinderabteilung nicht zu verlassen und sich keinesfalls zu laut zu amüsieren. Na toll! Aber Kinder wären keine Kinder, wenn sie nicht alles versuchen würden, um Knolle und ihre Grenzen zu testen. Ob sie die beiden wirklich ständig bewacht? Was passiert, wenn man den Teppich verlässt? Und bald stellen die Brüder fest, dass es in der Bücherei gar nicht einmal so schrecklich ist, wie sie anfangs dachten.

Ich liebe dieses Buch! Colfer schreibt mit jeder Menge Humor. Die knapp 100 Seiten hatte ich in einem Zug durchgelesen, unterbrochen nur von vielfachem lauten Lachen. Die Jungs sind wirklich zwei freche Bengel, und Knolle ist mit allen fiesen Wassern gewaschen! Und die Zeichnungen (auf fast jeder Seite ein etwa halbseitiges Bild) tragen zum Spaß des Buches bei, sie stellen die einzelnen Szenen recht treffend und komisch dar, Bild und Text ergänzen sich sehr gut.

Eigentlich ist "Tim und das Geheimnis von Knolly Murphy" ja ein reines Kinderbuch, aber Erwachsene werden mindestens genauso ihre Freude daran haben wie Kinder. Man müsste wohl schon sehr, sehr erwachsen geworden sein, um nicht über das witzige Abenteuer der Jungs zu lachen ;-)

SaschaSalamander 01.03.2012, 09.59 | (0/0) Kommentare | PL

Hieronymus Frosch

Hieronymus Frosch ist ein Erfinderfrosch. So erfindet er zum Beispiel eine Möglichkeit zum Versenden von Geburtstagspost an seine 2999 Geschwister. Oder er heftet seine Notizen zusammen und erfindet somit ein Buch. Dann wären da noch der vollautomatische Erbsenzähler und die Erkenntnis, das man in gefrorenem Wasser nicht schwimmen kann. Er erfindet sogar eine Unsichtbarkeitscreme! Und wie es sich für einen wahren Wissenschaftler gehört, muss er sogar auf eine Expedition, um Neues zu erforschen und seinem Namen alle Ehre zu machen. Ob er damit den Wissenschaftsclub endlich überzeugen kann, dass er kein Forschungsobjekt, sondern ein Forscher ist?

Seine Freunde sind Frau und Herr Butterweck, in deren Garten er wohnt. Und die Spitzmaus Emmi Wackernagel mitsamt ihren kleinen Kindern, den Wackernägeln. Und natürlich hat ein genialer Geist auch einen gemeinen Gegner - in diesem Falle Nick, der Hieronymus seine Ideen stehlen und seinen Platz einnehmen will.

Ich habe das Hörbuch geliebt! Einfach pfiffig, wie der kleine Frosch auf immer neue Ideen kommt. Für Kinder witzig, denn sie wissen natürlich, dass es keine Neuheit ist zu erkennen, dass man bei Sommerhitze im kühlen Wasser nicht schwitzt oder dass viele Zettel in gebundener Form ein Buch ergeben. Aber auch, wenn diese Ideen schon bekannt sind - was Hieronymus kennzeichnet, ist seine kreative Art, sein wacher Geist. Das Streben, immer Neues zu entdecken und nie aufzugeben.

Und während die Kids jede Menge Witziges mit Hieronymus und den Wackernägeln erleben, gibt es auch viel zu lernen. Über Lurche, Alexander Humboldt, Komposthaufen oder ein Dosentelefon. Spielerisch werden Anreize geboten, sich über verschiedene Themen zu informieren. Hieronymus weckt die Abenteuerlust in Kindern und animiert sie, selbst etwas zu erforschen.

Sprachlich ist HIERONYMUS FROSCH sehr einfach gehalten. Zudem gibt es sehr viele Wiederholungen des inhaltlichen Musters. Ich konnte es kaum erwarten, bis es wieder hieß "Denken, Frosch, denken, denken", und dann: "eine Meisterleistung, ein Triumph der Wissenschaft, ein Meilenstein der modernen Technik". Und dann wird "gebohrt, gehämmert und gesägt".

Die Figuren sind allerliebst. Hieronymus ist ein Frosch, den sich jeder zum Freund wünscht. Er denkt positiv und ist hilfsbereit. Und wenn seine Freunde ihn vergessen, dann weint er ganz herzzerreißend. Emmi ist die freundliche Nachbarin, liebende Mutter, sie unterstützt Hieronymus und sagt ihm auch einmal die Meinung, wie es Freunde eben tun sollen. Nick ist herrlich böse, und die kleinen Wackernägel sind so niedlich, dass man sie am liebsten sofort bei sich zu Hause haben möchte.

Stefan Kaminski als Sprecher ist ohne Vergleich. Obwohl er alleine das Buch vorträgt, kann man es beinahe als Hörspiel bezeichnen. Wie alles, was er spricht. Er braucht keine anderen Sprecher und keine Soundkulisse, das kann er alleine. Allein das "Kawumm - Pfiuuuuuw" der Rakete klingt so prima, als hätte man ein echtes Geräusch eingespielt, ich könnte es glatt in Dauerschleife hören, so witzig hat er das gemacht.

Das Booklet bietet eine Anleitung zum Bau eines Dosentelefons sowie eine Auflistung verschiedener Amphibien und macht den Kleinen Lust zum Selbstbasteln, weckt in Erwachsenen Erinnerungen an die Kindheit.

HIERONYMUS FROSCH begeistert Klein und Groß. Man muss den Frosch, Familie Butterweck und die Wackernägel einfach lieben!


SaschaSalamander 28.02.2012, 09.21 | (0/0) Kommentare | PL

Talisman Himari

milan_himari_1.jpgKlappentext: An seinem sechzehnten Geburtstag erlebt der Katzenhaar-Allergiker Yuuto die Überraschung seines Lebens: Ein rätselhaftes Mädchen namens Himari taucht plötzlich wie aus dem Nichts auf und bringt sein Leben gehörig durcheinander. Himari scheint Yuuto seit Langem zu kennen und outet sich bald als Ayakashi-Tiergeist, der Yuuto als Leibwächter dienen soll. Dumm nur, dass Himari in Wahrheit ausgerechnet eine Katze ist! Yuuto hat nun neben seiner Allergie noch ein neues Problem, denn er soll in Zukunft Ayakashis jagen und töten ...

Wirklich beeindruckt hat mich TALISMAN Hibari nicht. Aber schlecht ist er auch nicht. Ich verstehe die Fans des Mangas (bzw auch Animes), denn die Story hat Pfiff. Ein klassischer Manga für junge Männer, die auf eine witzige Comedy mit jeder Menge Pantyshots (Höschenblitzer) und riesige Oberweiten stehen: Der Protagonist ist ein junger Mann, der von Mädels wenig Ahnung hat, lediglich seine Sandkastenfreundin will mehr von ihm, was er aber nicht so wirklich registriert. Und auf einmal ist da diese Schönheit, die ihm immer wieder ihren Busen ins Gesicht drückt, sich auf ihn wirft oder sonst wie zufällig ihre körperlichen Reize spielen lässt. Klar ist die bisherige Sandkastenfreundin wenig begeistert und buhlt nun ebenfalls verstärkt. Die anderen Jungs sind neidisch, und die Mädels scheinen jetzt auf einmal alle nur so auf Yuuto zu fliegen. Ein Traum für jeden jungen männlichen Mangafan.

Wenn man die prima Zeichnungen mal weglässt (handwerklich ist absolut nichts gegen den Manga einzuwenden), dann bleibt eine Geschichte, die in dieser und ähnlicher Form schon unzählige Male da war. Ein Klischee folgt dem nächsten, und die Unterhöschen sind so eng, dass man einmal sogar die geschwollenen Schamlippen darunter sieht. Na, wers braucht *seufz* ...

Die Hintergrundstory ist nett aber wenig ausgefeilt. Sie dient im Grunde nur dazu, dass der Protagonist von einem Kapitel zum unzusammenhängend nächstens wieder in eine Situation gerät, die entweder dazu dient ein wenig Action ins Spiel zu bringen oder aber dazu, für weitere "Romantik" zu sorgen.

Die unzähligen Höschen und Riesenbrüste habe ich mal ignoriert, und ohne diese habe ich mich recht gut unterhalten. Einen weiteren Band werde ich mir aber nicht holen. Dazu ist die Story zu wenig originell. Es wird wohl wieder einer der Mangas werden, die man auf 50 Bände ausdehnen kann, ohne tatsächlich die Handlung voranzubringen. Hier eine Episode am Strand, dort ein Kapitel Shoppen gehen, da ein romantisches Picknick. In den nächsten Bänden werden sie vermutlich Eis essen gehen, einen Stadtbummel machen, ein Onsen aufsuchen, einen Jahrmarkt besuchen, in den Zoo gehen, Urlaub in den Bergen machen, und so weiter. Es ist nett, und die Charaktere sind sympathisch, es liest sich also angenehm. Aber die Motivation zum Weiterlesen fehlt mir einfach.

Trotzdem, ich will nicht unfair sein: die Zeichnungen sind einwandfrei, und der Humor ist ansprechend. Wer sich nicht an den Klischees stört, für wen die Handlung nebensächlich ist und wer sich an den erotischen Momenten erfreut, der bekommt einen 1a Manga geboten. Alle anderen: Finger weg.

SaschaSalamander 24.02.2012, 08.51 | (0/0) Kommentare | PL

Cedric Arnold

arnold_volltreffer_1_1.jpgDerzeit lese ich VOLLTREFFER von "Cedric Arnold". Wer Cedric ist? Hier seine Biographie, wie sie im Buch abgedruckt ist:

Cedric Arnold wurde am 23. November 1977 in Waldbröhl im Oberbergischen Land geboren. Er litt als Kind unter unterschiedlichen nervösen Störungen, deren Namen zu lang sind, um sie alle in diesem Text unterzubringen. Nach dem Abitur studierte er Parapsychologie und promovierte mit der Arbeit "Unmotiviertes Kichern beim Rentier". Später machte er sich einen Namen als Motivationstrainer, bis ein Betriebsunfall diese Karriere jäh beendete: Er motivierte einen Kursteilnehmer so erfolgreich, dass dieser an einem einzigen Tag fünf Banküberfälle beging. Das vorliegende Werk wurde von führenden deutschen Literaturkritikern für das beste seit der Erfindung des Buchdrucks befunden. Leider zogen diese kurz vor dem Erscheinungstermin ihre Namen wieder zurück.

Wie man merkt,  also ein überaus wichtiges Buch von literarischem Anspruch und von großer Bedeutung für die deutsche Literaturwelt. Trotz des hohen Anspruches liest es sich bisher sehr erheiternd, ich empfehle einen >Blick ins Buch<. Der Humor gefällt mir wie auch in seinen anderen Büchern sehr. Andere Bücher? Ja, Cedric Arnold hat noch mehr veröffentlicht. Gelegentlich - Vorsicht, Geheimnis, nicht weitersagen! - schreibt er auch unter dem Pseudony Akif Pirincci irgendwelche Tierbücher oder plant rein literarisch den perfekten Mord oder philosophiert über eine Gesellschaft ganz ohne Männer. Sogar verfilmt wurden zwei seiner Titel bereits! Zurück zum Humor: hintergründig, schelmisch und eine gekonnte Karikatur der Realität. Oder, besser gesagt: keine Karikatur, sondern eine detailgetreue Beschreibung der Realität, die, wenn man mal ganz ehrlich zu sich selbst ist, eigentlich schon sehr kurios ist. Man muss nur genau hinsehen ;-)

SaschaSalamander 21.02.2012, 13.20 | (0/0) Kommentare | PL

Die Eisläuferin

muenk_eislaeuferin_1.jpgINHALT

Die Regierungschefin eines im Buch nicht näher genannten Landes genehmigt sich einen unerlaubten Urlaub. Bei der Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn fällt ihr ein großes Schild auf den Kopf - und sie verliert die Erinnung an die letzten 20 Jahre ihres Lebens. Nun heißt es in einer Krise solchen Ausmaßes für die Beteiligten das Schlimmste abzuwenden. Rücktritt? Sie als Marionette benutzen? Ihr eine Auszeit genehmigen und das Gedächtnis "zurückholen"? Während andere Politiker nun jeweils versuchen, sie für ihre Zwecke zu missbrauchen, versucht sie auf ihre ganz eigene Weise, den Alltag zu meistern. Sie hält Ansprachen, trifft sich mit Landesoberhäuptern, steht Rede und Antwort beim Tag der offenen Tür. Und will sich nebenbei die Träume ihrer Jugend erfüllen, um dadurch wieder den Zugang zu sich selbst zu finden. Ob das lange gutgehen kann?


STORY

Die Story ist hervorragend! Im Grunde hat man als Bürger doch oft das Gefühl, als wären die Politiker alle austauschbar. Man fragt sich, was gespielt ist, was echt ist, was von "oben" vorgegeben wurde und was die wahre Meinung der Menschen hinter der Kamera ist. Wer hat bei all den Intrigen und Skandalen noch den Überblick? Was ist Wahlversprechen, und was ist wirklich ernsthaftes Vorhaben? Da ist es eine grandiose Idee, die "oberste Regierungschefin" (natürlich wissen wir auch ohne Nennung der Namen, von wem hier die Rede ist, allzu viele weibliche Staatsoberhäupter in verschiedenfarbigen Blazern gibt es nicht) einfach mal ihres Gedächtnisses zu berauben und dann zu sehen, wie die Sache sich entwickelt. Ein amüsantes Was-wäre-wenn Szenario.


UMSETZUNG DES THEMAS

Ein spannendes Thema, aus dem man leider sehr viel hätte herausholen können, das aber erstaunlich blass blieb, vom ersten bis zum letzten Track. Es gibt Seitenhiebe auf einzelne Politiker der oberen Ränge, national wie international. Namen werden nicht genannt, doch von Beginn an ist dem Leser klar, um wen es sich handelt. Was Katharina Münk sehr gut gelingt: sie ist ironisch, gelegentlich sogar herrlich spitzzüngig. Hinter der Fassade teilt sie ordentlich aus. Doch ihre Scherze gehen niemals unter die Gürtellinie und bleiben immer humorvoll. Zugegeben, manchmal hätte ich mir sogar ein wenig mehr Esprit und Schärfe gewünscht, es gab sehr gute Vorlagen hierfür. Doch statt dessen handeln die Figuren alle sehr unemotional und fast schon leblos, man ist als Leser nicht beteiligt. Ich empfand keinerlei Wut über die bewusst inszenierte Manipulation. Ich litt nicht mit dem Ehemann, der nun eine schwere Bürde und große Verantwortung trug. Ich bangte nicht mit Herrn Bodega (die einzige Person, die mir doch etwas sympathisch war) um das Wohlergehen der Regierungschefin. Es war mir auch egal, als die Politiker über die Entscheidungen der Chefin hinwegtrampelten und ungefragt dementierten, Fakten verdrehten und Videoaufzeichnungen verschwinden ließen.

Was ich allerdings sehr schön fand: es wurde ein menschliches Gesicht der Politik gezeigt, wie sie sein könnte. In dem Moment, wo die Regierungschefin bei Fehlern erwischt wurde, begannen die Oberen zu leugnen, sie jedoch stand dazu. Welch Chaos, welch Drama, wie kann ein Regierungsoberhaupt nur einen Fehler zugeben! Doch sie tat es - und wurde dem Volk (und auch dem Hörer) sympathisch. Ja, das ist es, was die Bürger sich oft wünschen: Politiker, die zu ihren Schwächen stehen, die auch einmal einen Fehler zugeben können. Die auch mal leidenschaftlich einem Hobby frönen, die nicht nur maskenhaft vor der Kamera stehen sondern auch lebendig greifbar unter ihnen sind. Das wurde hier sehr schön deutlich, und das waren die positiven Momente des Hörbuchs, in denen ich gebannt lauschte.

Auch die Passagen, in denen sie ihre Rolle erfüllen musste, gefielen mir sehr gut. Journalisten stellten ihr Fragen, in denen sie keinerlei Sinn erkennen konnte, da ihr natürlich der Zusammenhang fehlte. Doch mit leeren Worthülsen stellte sie alle zufrieden und gab ihnen das Gefühl, sie hätte nun Worte von großer Wichtigkeit gesagt. Wie oft hört liest man in der Zeitung solche Phrasen, fallen in Interviews solche inhaltslosen Sätze. So fernab der Realität schien das Szenario an manchen Stellen gar nicht zu sein ;-)

Leider waren diese Momente im Buch eher selten, meist schleicht es träge vor sich hin. Etwas hat mich sehr fasziniert: normalerweise hat ein Buch, selbst ein ruhiges, handlungsarmes, einen gewissen Spannungsaufbau. Momente, in denen man mitfiebert. Ein Ziel, auf das alles hinsteuert. Einen zu lösenden Konflikt. Gut, den Konflikt (Gedächtnisverlust) und das Ziel (Gedächtnis zurückholen) gab es, aber es war nicht umgesetzt. Müsste ich eine Spannungskurve aufzeichnen, so würde ich mit dem Lineal eine gerade Linie zu Papier bringen. Das ist etwas, das ich nur schwer verstehe, denn ein Buch mit diesem Thema müsste eigentlich eine Berg- und Talfahrt sein, durch die der Leser geworfen wird, von der Ehekrise bis hin zur nationalen Katastrophe. Was für eine grandiose Vorlage! Und was für eine enttäuschende Umsetzung.

Schade finde ich auch, dass nicht gelegentlich auf die Punkte eingegangen wurde, die sich verändert hatten. In 20 Jahren hat sich in Deutschland sehr viel getan. Aber statt gelegentliche Fettnäpfchen einzubauen oder die Protagonistin immer wieder über vereinzelte Neuerungen stolpern zu lassen, wurde als einziges immer wieder der demokratische Aufbrauch genannt, in welchem sie damals aktiv war. Einmal stolperte sie über die Frage, ob ein Land nun bereits zur EU gehöre oder nicht, aber darin erschöpft es sich weitgehend.


CHARAKTERE, SPRACHE

Ein großes Minus ist die Sprache, die leider absolut unauffällig bleibt. Gute, klare Sätze, nicht zu lang, nicht zu kurz. Aber extremst unpersönlich. Nicht nur die Beschreibung der Charaktere ist unpersönlich, nicht nur die jeweilige Anrede, sondern auch die Sprache weißt keine Besonderheiten oder hervorstechenden Merkmale auf. Kein Wortwitz, aber auch keine Kanten, an denen man sich stören könnte. So glatt und künstlich wie die Politiker, die man täglich vor der Kamera sieht. Insofern sehr gut passend für den Roman. Nur, wenn die Sprache nicht beeindruckt, wenn die Charaktere flach bleiben, wenn die Handlung keinen Spannungsbogen aufweist - was bleibt?


HÖRBUCH

Da ich nur das Hörbuch gehört habe, kann ich das Buch nicht beurteilen. Vielleicht lag es an der Sprecherin, dass ich das Buch als zu glatt empfand. In diesem Fall lag man bei der Wahl der Sprecherin leider sehr daneben. Maren Kroymann hat eine sehr angenehme Stimme, der ich gerne in anderem Kontext lausche. Ich könnte sie mir wunderbar vorstellen als Erzählerin eines Buches von Dora Heldt oder Virgina Ironside, oh ja! Sie ist ideal für ein einfach gestricktes Buch zur Unterhaltung, mit wenigen Charakteren, am besten als Ich-Erzählerin einer Dame mittleren oder reiferen Alters.

Für DIE EISLÄUFERIN wäre eine Sprecherin erforderlich gewesen, die den vielen Charakteren Persönlichkeit verleiht. Die ihre Stimmen variiert, die Emotion in die Sätze legt. Die Spannung erzeugt, die den Hörer mitzieht. Auf diese Weise hätte man das Buch zusätzlich zur an sich spannenden Story und den netten Momenten aufwerten können.

Das heißt nicht, das Maren Kroymann schlecht ist, im Gegenteil, sie gefiel mir sehr gut. Nur ist sie eben unpassend. So, wie man in einem Film die Besetzung der Hauptrolle beachten muss, um etwas glaubhaft darzustellen (man denke etwa an den alten Gerard Depardieu in den Rollen junger, ausgemergelter, vom Schicksal gebeutelter Helden), so muss auch der Sprecher eines Hörbuches mit seiner Stimme, Melodie und Variationsmöglichkeit geeignet sein für den Inhalt des Hörbuches.

Statt dessen gibt sich Maren Kroymann ebenso glatt, unemotional und flach wie die Geschichte. Sie spricht sehr monoton, und man hört nicht einmal, ob der gesprochene Satz nun wörtliche Rede oder Erzählung ist. Mann, Frau, Politiker, Bürger, Deutscher, Ausländer, Kind, alle sprechen mit gleicher Stimme, nämlich mit der Stimme einer unbeteiligten Erzählerin. Einzig der russische Therapeut bekam von ihr eine eigene Sprachmelodie verliehen, was ich überaus angenehm fand. In einem Buch kann der Leser den gelesenen Worten seine eigenen Bilder und Klänge verleihen. Im Hörbuch dagegen ist der Hörer auf den Sprecher angewiesen, der ihn führt und anleitet.


FAZIT

DIE EISLÄUFERIN bietet ein faszinierendes und sehr schön erdachtes Szenario, das mit einigen herausragenden Momenten glänzt. Leider aber bleiben die Charaktere leblos, vermögen die Ereignisse nicht zu fesseln. Es fehlt ein Spannungsaufbau, der den Hörer durch die Geschichte führt, und auch der Sprecherin will dies trotz ihrer an sich angenehmen Stimme leider nicht gelingen. Schade, denn an einigen Stellen zeigte sich die tatsächliche Größe, die in der Geschichte steckt und die immer wieder an die Oberfläche drängte aber niemals wirklich zugelassen wurde.

SaschaSalamander 06.02.2012, 09.00 | (0/0) Kommentare | PL

Darf ich meine Oma selbst verbrennen

wilhelm_oma_1.jpgVORABINFO

Mit GETATTEN, BESTATTER veröffentlichte der Autor des erfolgreichen >Bestatterweblogs< im Dezember 2009 sein erster Buch. Wie auch schon in seinem Blog erzählte er unterschiedlichste Begebenheiten aus dem Alltag eines Bestatters, ich habe es damals begeistert gelesen und habe auch sonst nur allerbeste Rückmeldung bekommen. Er scheint eine "Marktlücke" entdeckt zu haben, oder besser gesagt, eine "Bedürfnislücke". Sterben ist ein Tabuthema. Jeder Mensch ist mehrfach in seinem Leben damit konfrontiert, wenn Angehörige oder Freunde von uns gehen. Doch es wird außer zu diesem Anlass kaum darüber gesprochen. Unzählige Mythen haben sich entwickelt, viele Fragen bleiben offen, und an wen kann man sich wenden in seiner Unsicherheit?


INHALT, AUFBAU

Peter Wilhelm schreibt nicht nur von seinen Klienten, von den Toten, von seinen Kollegen, seiner Familie, der Praktikantin und anderen Lebenden und Toten, sondern er geht auch auf seine Blogleser ein. Er beantwortet Fragen teils auch öffentlich, wenn sie von allgemeinem Interesse sind. In GESTATTEN BESTATTER erzählte er eher aus dem Alltag, ließ die Leser an vielen humorvollen, skurrilen, bewegenden oder schockierenden Momenten seines Berufslebens teilhaben.
In DARF ICH MEINE OMA SELBST VERBRENNEN hat er das Buch in drei Teile gegliedert:

Zuerst beantwortet er Fragen von Lesern, mal humorvoll, mal ernst. Im zweiten Teil lässt er den Leser an erzählenswerten Telefongesprächen teilhaben, die er mit Angehören führte. Abschließend gibt er vereinzelte Dialoge wieder, an denen er teilhatte oder deren Zeuge er wurde, während Angehörige über die Bestattung diskutierten. Das Ganze natürlich ein wenig "dramaturgisch aufgearbeitet", sodass er den Sinn und Inhalt widergibt ohne jedoch einen Kunden erkenntlich bloßzustellen.


SCHREIBSTIL, INFOTAINMENT

Es tut gut, dass der Autor so offen und vor allem unbefangen über dieses Thema spricht. Zwischen all den skurrilen Momenten gibt es sehr viele ernsthafte Fragen, sodass zwischen dem Humor und der Tragik des Buches auch sehr viel Wissen vermittelt wird. Seien es Mythen wie die wachsenden Haare des Verstorbenen oder das tödliche Leichengift, oder seien es auch wichtige Belange wie etwa die Besonderheiten einer Seebestattung, die Frage ob man Angehörige selbst unter die Erde bringen darf, welche Unterlagen beim Amt alles vorgelegt werden müssen, welchen Sinn eine Sterbeversicherung erfüllt, ob und wie man im Voraus seine eigene Beerdigung planen kann, und viele Dinge mehr. Dabei besteht ein Kapitel aus einer Frage und einer entsprechenden Antwort. Manchmal kann dies über mehrere Seiten gehen, meist jedoch ist es sehr kurz auf einer halben Seite beschrieben. Gerade deswegen lässt man sich leit verleiten, wenigstens schnell noch die nächste Episode zu lesen, und auf einmal hat man das Buch beendet, obwohl man vermeintlich gerade erst begonnen hat. Und das, obwohl es um ein solch vermeintlich langweiliges Thema wie die Arbeit eines Bestatters geht.

Als Bestatter hat der Autor gelernt, Menschen mit Respekt zu behandeln, und dies merkt man dem Buch an. Es ist spannend zu lesen, welche Gedanken die Menschen beschäftigen, wenn es um das Thema Tod geht. So stellt sich jemand die Frage, ob er ein amputiertes Bein bestatten lassen darf, ein anderer wüsste gerne, ob man das geliebte Haustier mit beerdigen darf (das sowieso krank ist und eingeschläfert werden müsste). Auch ist es "nett" zu erfahren, wie dringend die Sterbefälle sind und wie wenig dringend sie plötzlich werden, wenn der Zeitpunkt der Abholung sich mit der Sportschau überschneiden würde. Dringend wird es dagegen allerdings tatsächlich, wenn in einer Stunde Schlüsselübergabe an den Nachmieter stattfinden soll und der Tote noch in der Wohnung liegt. Und doch bleibt Peter Wilhelm stets gesetzt und würdevoll, sogar wenn die Witwe auf das unpassende Deckchen im Farbton "Rosa Luxemburg" besteht oder eine antiallergene Sargausstattung gewünscht wird.

Das Buch ist keinen einzigen Moment spröde oder trocken, niemals wird der Zeigefinger erhoben (wenngleich man die persönliche Meinung des Autoren deutlich heraushört, doch diese ist sympathisch und nachvollziehbar, selbst wenn er manchmal ironisch wird). Es ist schwer zu beschreiben, wie unglaublich fesselnd er sein Buch geschrieben hat. Die ernsthaften Themen sind zu lang, als dass ich sie in die Rezi einbinde, deswegen in aller Kürze meine zwei Favoriten unter den vermutlich wenig ernstgemeinten Anfragen:

S. 83
Frage: Ein Mann kommt zu Ihnen und will seine Schwester beerdigen lassen, also jetzt die Frau von seinem Bruder. Geht das in einem Reihengrab, oder müssen die Feuerbestattung nehmen?
Antwort: Ja.

S. 33
Frage: Mal eine besondere Frage, die mich und meinen Freund sehr beschäftigt. Hast Du schon mal einen Sarg mit einem Vampir beerdigt? Bitte antworten, ist kein Spaß!!!
Antwort: Vampire bekommen immer ein Urnenbegräbnis, weil durch das Kellerfenster Sonnenlicht in unseren Behandlungsraum fällt und die Vampire dabei stets zu Staub und Asche zerfallen. Ist wirklich so, ist kein Spaß!!!


FAZIT

Sterben ist ein ernstes Thema, aber noch nie wurde es humorvoller und sinnreicher aufbearbeitet als von Peter Wilhelm. Ein ideales Buch, ob nun als Geschenk oder für sich selbst, ob für die gesellige Runde oder auch gemütlich alleine auf dem Sofa. Infotainment, wie es besser nicht sein könnte.

SaschaSalamander 06.10.2011, 09.02 | (0/0) Kommentare | PL

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