SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Die Braut des Magiers 01

Klappentext: "Ich lehre Dich Magie und Liebe" - Auf einem Sklavenmarkt wird die Waise Chise von dem geheimnisvollen Magier Elias für eine enorm hohe Summe ersteigert. Er hält sie für eine Slay Vega und will sie zu seinem Lehrling machen. Doch Elias hat darüberhinaus noch andere Pläne: kurz nach der Ankunft auf seinem Landsitz eröffnet er ihr, dass er sie zu seiner Braut machen will.




Ich war sehr, sehr skeptisch. Die Story klingt eher gewöhnlich, so etwas hat man schon oft in Mangas gelesen. Eine magische Welt, ein mächtiger Lehrer, ein(e) unschuldige(r) Schüler(in), ein bisschen Romantik und eine Prise Fantasy und Magie. Und in diesem Fall sogar im Sonderformat in größerer Ausführung, mit Klappbroschur für 9,95 Euro. Und mit drei Bänden ist das Werk noch nicht einmal abgeschlossen, also wieder eine unvollständige Reihe im Regal. Wirkte mal wieder wie Marketing, auf das ich nicht anspringen wollte. Aber die Bilder sahen überraschend gut aus, und eine etwas längere Leseprobe des Verlags machte mich dann wider Erwarten neugierig. Und ich habe es nicht bereut, inzwischen gehört DIE BRAUT DES MAGIERS zu meinen liebsten Mangas im Regal. 

Immerhin, ein bisschen was bekommt man für das Geld geboten, zusätzlich zum Manga selbst: Band 1 enthält ein niedliches Bild im Postkartenstil, Band 2 wird mit einer netten Zusatzgeschichte im Bonusheftchen geliefert, und der dritte Band beinhaltet 2 hübsche Postkarten


AUFBAU, ERZÄHLSTIL

Der Manga fließt in ruhigem Tempo dahin, der Stil erinnert ein wenig an die älteren Ghibli-Filme unter Leitung von Hayao Miyazaki: es gibt zwar eine Handlung, einen roten Faden, aber der Weg ist das Ziel. Gemütlich schreitet man durch die Landschaft, lernt die Charaktere kennen. Zusammen mit dem Protagonisten erschließt man sich diese neue Welt. Zwar hängen die einzelnen Momente der Geschichte zusammen, wirken aber dennoch wie einzelne Episoden. Mal wird Chise in das Königreich der Katzen nach Ulthar gebracht, ein andermal reist sie in das Drachenland, sie besucht die Welt der Feen, besucht eine befreundete Magierin und lernt von ihr die Kräfte zu bündeln, erfährt mehr über sich selbst. 

Es gibt auch eine Art Action, also gefährliche Situationen, auch brutale oder bedrohliche Momente und Kämpfe. Sie sind zwar mit Speedlines und entsprechenden Bewegungen gezeichnet, sorgen für Spannung, passen sich aber dennoch dem Tempo des Mangas an, wirken verglichen mit anderen Titeln noch immer etwas ruhiger. Das finde ich sehr angenehm, denn Action muss nicht immer Hektik bedeuten, sie kann sich auch in der Intensität einer Szene widerspiegeln und den Leser durch eindringliche Bilder fesseln. 

Dies ist einer der Mangas, für die mir typischerweise wieder unzählige klischeebeladene Adjektive einfallen. Bevor ich die Rezension unnötig damit spicke, ohne tatsächlich etwas auszusagen (weil sich jeder etwas anderes darunter vorstellt und diese Worte nur Füllmaterial sind), möchte ich es trotzdem loswerden: melancholisch, zauberhaft, bezaubernd, faszinierend, spannend, romantisch, verträumt, herzlich, warmherzig, emotional, liebevoll, traurig, gemütlich, zart, filigran, detailverliebt, außergewöhnlich. Und so weiter ;-)


CHARAKTERE

Wie auch für die Story selbst, lässt die Autorin sich für die Entwicklung ihrer Charaktere viel Zeit. Nach und nach lernt man weitere Akteure kennen. Chise wirkt auf den ersten Blick eher einfach gestrickt, doch auch sie hat eine gewisse Tiefe, und der Leser lernt nach und nach mehr über ihre Kräfte kennen, erfährt mehr über ihre Vergangenheit, ihre Sehnsüchte, Wünsche und Sorgen. Elias dagegen ist sehr undurchsichtig (statt klarer zu werden, steigert sich dies sogar). Er kümmert sich liebevoll um Chise, doch über sein wahres Wesen erfährt man immer nur sehr wenig. Was ist seine wahre Form, wer ist er, was treibt ihn an? Ist seine Bindung zu Chise zweckgebunden oder auch emotional, und was will er wirklich? Wenn man bedenkt, in welchem Tempo die Geschichte erzählt wird, wie wenig offenbart wurde und wieviel noch offen ist, rechne ich mit einigen Bänden Fortsetzung ;-)

Weiterhin gibt es Sidhe, Feenwesen, Elfen, Kirchengrimm, Drachen, Katzenwesen, Vampire, andere Magier und Hexen, Geister, sie alle haben ihren Platz in dieser (oder einer angrenzenden) Welt. Auch ihre Motive sind unklar. Chise zieht solche Wesen an, kann sie sehen, und die Wesen wollen ihr zu Diensten sein (eines der Merkmale einer Slay Vega), doch ob dies immer so uneigennützig ist? Mir gefällt, dass es in diesem Manga kein klares Gut und Böse gibt, dass die tatsächlichen Beweggründe oft im Dunkeln bleiben und ein klares Urteil nicht möglich ist. 


ZEICHNUNGEN

Die Panels sind klar voneinander getrennt und übersichtlich angeordnet, sodass man sich beim Lesen ganz auf den Inhalt konzentrieren kann. Ruhig, gleichmäßig, strukturiert, passend zum Rest der Handlung. Haare und Kleidung sind voller verspielter Details, während die Gesichter selbst etwas einfacher gehalten sind und Augen / Münder oft nur durch skizzierte Striche angedeutet werden. Elias schwarze Augenhöhlen stellen einen Kontrast dar zu Chises Augen, die als einzige groß sind und typische Shojo-Manga-Elemente aufweisen (gemusterte Iris, Lichtreflexe, Spiegelungen). Die Körperhaltung der Figuren ist lebendig, mitten aus der Bewegung heraus, sehr realistisch und geschmeidig. 

Es gibt sehr viel Natur zu sehen, in allen Variationen. Wasser, Erde, Luft. Wälder, Seen, Wiesen, ein Fest für die Augen und, wenn man sich tief fallen lässt und der Geschichte folgt, auch für die Sinne. Die Zeichnerin macht es dem Leser leicht, alles um sich herum zu vergessen und tief abzutauchen in ihre faszinierende Welt. 

Besonders auffällig ist der Wind. Ich denke an eines der "Laws of Anime": "Wind means emotion". Wind hat man hier sehr oft. Wehende Kleidung, wehende Haare, schwebende Blätter und Blüten, wogendes Gras, Blätter im Wind, die Bilder wirken dadurch sowohl emotional als auch sehr dynamisch. Als könne man in den Manga greifen, das saftige Gras spüren, den Wind auf der Haut, als könne man das salzige Wasser und all die Blüten riechen. 


ORTE

Mir gefallen die vielen Schauplätze, an denen Chise sich aufhält, sei es alleine, mit Elias, mit ihrem Schutzgeist oder einem anderen Wesen. Der Laden der Magierin Angelica, in dem sie erstmals ihre Magie erprobt, die Katzeninsel mit ihren hübschen Mauern, Häuschen und Wiesen, der Friedhof mit den Gräbern und der weiten Landschaft, das Drachenland mit dem riesigen Nest, dem Vulkan, dem ganz besonderen Baum, den Gesteinsformationen. Elias Haushalt mit den vielen Büchern, magischen Artefakten, der freundlichen "Dienerin" Silky. 

Der Manga ist wie eine Reise an unzählige Orte, und obwohl manche der oben genannten Elemente nur skizziert sind, ist alles sehr atmosphärisch. Ich hatte (was für mich als wenig optischer Mensch selten ist) sehr klare Bilder im Kopf, eine konkrete Vorstellung und detaillierte Szenen. Umso überraschter war ich, als ich einige Tage später für die Rezension nun in den drei Mangas blättere und feststelle, dass viele der Bilder gar nicht so gezeichnet waren, dass etwa Angelicas Laden eher angedeutet ist und gar nicht so viele Details zu sehen waren wie ich selbst erlebt habe. Eigene Bilder beim Lesen entstehen zu lassen, das ist eine große Kunst, eine Balance aus klaren Vorgaben als Basis und genügend Freiraum für Interpretation, und Kore Yamazaki vermag das auf eine ganz besonders lebendige Weise.


ZUM ABSCHLUSS

DIE BRAUT DES MAGIERS ist von den Bildern her eigentlich schnell gelesen. Doch man sollte nicht durch die Story rasen. Man sollte sich Zeit nehmen für die Bilder, die Magie, die Atmosphäre, man sollte sich ganz darin fallenlassen. Dann zaubert der Manga ein Lächeln ins Gesicht, bis man am Ende verträumt aus der Geschichte erwacht und erst nach und nach zurückfindet in die Realität ...

SaschaSalamander 20.05.2016, 08.46

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