SaschaSalamander

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Necroscope 01 Das Erwachen

Ich wollte mal wieder etwas Besonderes hören. Etwas Wegweisendes. Etwas, das kein Krimi oder Drama oder Roman nach 0815 Strickmuster ist. Und ich hatte mal wieder Lust auf Vampire. Gerade in diesem Genre gibt es ja inzwischen soviel Literatur, dass es kaum noch Spaß macht, diese zu lesen. Nachdem ich vor einiger Zeit die frechen Bücher um die Vampirkönigin wider Willen, >Betsy Taylor<, gelesen habe, kam ich über diese Umwege auf das Genre der erotischen Vampirliteratur. Anne Rice verkörpert eher die romantische Ader, Bram Stoker das Gruslige darin, beides nett, aber irgendwann immer gleich. Also habe ich mir Bücher von L. Hamilton und S. Henke geholt, die angeblich recht prickelnd sein sollen. Und weil man das nicht hören kann, gibts auf die Ohren Brian Lumleys Necroscope. Auch bezeichnet als "die ultimative Vampirsaga" ...

Ich muss zugeben, dass ich bei den Romanen nicht ganz den Überblick habe. Mehrere Bände der englischen Megasaga (soviel zu lesen, puh, da muss man wirklich so verrückt sein wie ich oder andere Leseratten. Wer mit dem Herrn der Ringe überfordert ist, sollte mit dieser zigfach längeren Reihe gar nicht erst anfangen) sind auf einen Band im Deutschen verteilt, und dann gibt es da noch die Hörbücher. Ob es jetzt schon fertig ist oder nicht, ob es weitergehen wird, ach, darüber informiere ich mich bei nächster Gelegenheit einmal. Vorerst habe ich acht Hörbücher von jeweils sieben oder acht CDs, und DAS will erst mal gehört werden ...

Eine Inhaltsangabe ohne Spoiler ist über den ersten Teil des Hörbuches, "Das Erwachen" nicht möglich. Denn die Saga ist lang, unendlich lang, und beinhaltet eine komplette Geschichte, die im ersten Band ihren Anfang nimmt. Würde ich mich kurzfassen wollen, ohne zu spoilern, müsste ich sagen "Es geht um einen Nekromanten, der in seiner Heimat nach einem alten Vampyr sucht und um einen kleinen Jungen, der seine Gabe zum Nekroscopen entdeckt" ... aber damit wäre den acht CDs kaum Genüge getan. Da diese acht CDs den Einstieg in eine wirklich riesige Saga darstellen und meine Worte kaum die Spannung aus diesem Werk nehmen können, werde ich also trotzdem erzählen, worum es hier geht:

Es werden zwei Handlungsstränge erzählt. Zum einen die Geschichte von Dragosani, der in seine alte Heimat reist und in einem Hotel nächtigt. Von dort aus möchte er ein uraltes Grab aufsuchen, in welchem der seit 500 Jahren untote Vampyr haust. Es wird erzählt, wie er diesem Wesen als Kind begegnete, von ihm die Gabe der Nekromantie erhielt (das Wissen toter Menschen und Tiere in sich aufnehmen, indem er deren Überreste mit allen Sinnen untersucht, was eine recht unappettitliche Angelegenheit ist). Boris Dragosani ist ein Findelkind, ausgesetzt, und vom Vampyr erfährt er über seine leiblichen Eltern, Zigeuner im rumänischen Siebenbürgen, aus der Wallachei ... aufgewachsen hier und dort, erste sexuelle Erlebnisse, die ihn traumatisieren, sein Aufstieg in den Staatsdienst.

Der andere Strang erzählt von Harry Keogh. Kleiner, unscheinbarer Schüler, recht durchschnittlich in seinen Leistungen. Prügelknabe, Sündenbock. Waisenkind, aufgewachsen bei seinem Onkel. Er beobachtet bei einem Schulausflug Lehrer und Lehrerin bei ihren erotischen Eskapaden und macht erste eigene Erfahrungen mit seinem eigenen Körper. Der Leser wird Zeuge seines Erwachsenwerdens, und auch dem Lehrer fällt auf, wiesehr der Junge sich zu ändern scheint. Bisher in Mathematik nur schlechte Leistungen, scheint er auf einmal ein besonderes Talent zu entwickeln. Formeln sind ihm egal, aber eine natürliche Gabe, den Inhalt der Aufgaben intuitiv zu erfassen erwächst in ihm. Der Lehrer, Hennand, fördert ihn, sorgt für seine Aufnahme an einer hohen Fachschule. Harry ist ihm unheimlich, ähnelt sein Blick, sein Wissen doch sosehr dem des alten Hennand Senior, welcher vor vielen Jahren verstarb und der ebenfalls Lehrer für Mathematik war, mit einer natürlichen Gabe, welche sein Sohn niemals erreichen wird ... und Harry verbirgt sein Geheimnis, denn niemand würde ihm glauben, dass die Toten zu ihm sprechen, wenn er sich zu ihnen begibt ...

dies in groben Zügen der Inhalt des ersten Buches. Ungekürzte Lesung (inszeniert, wie auf dem Cover steht, was jedoch nicht stimmt, den Musik zu Beginn und Ende eines Kapitels ist keine Inszenierung. Aber das macht nichts, Kerzel alleine ist ein Abenteuer für sich!). Wie für ihn üblich zelebriert er die Sprache, ja sogar jedes einzelnen Wort. Er kostet es aus, wenn der Vampyr sein düsteres "aaaaaah" aus den Tiefen seiner dunklen Existenz heraus seufzt. Er liest die ersten erotischen Beobachtungen des jungen Harry ebenso begeistert wie die perversen Spiele, deren Zeuge Boris Dragosani unfreiwillig wird, und die Angst des kleinen Boris beim Untersuchen seines ersten toten Tieres ist ebenso spürbar wie die kalte, abgestumpfte Brutalität, mit der der erwachsene Dragosani in den Eingeweiden seines zu lesenden Materiales wühlt. Erotik, Perversion, Angst, Gewalt, Blutdurst, Waten in tiefem Blut, ein zarter Kuss, die unschuldige Liebe eines noch reinen Paares, für ihn sind keine Emotionen fremd, und alles liest er, als gäbe es kein Gestern, kein Heute, kein Morgen, Kerzel zelebriert den Augenblick, wie es nur er kann. >Eigenen Aussagen< zufolge ist das Genre Phantastik und Horror nicht so sein Gebiet ("denn man bekommt ja Albträume davon, wie von zu schwerem Essen"), doch davon merkt man ihm nichts an, er ist ein Könner seines Fachs!

In Necroscope wird der Vampyr einmal von einer anderen Seite beleuchtet. Da ist er nicht der düstere Graf, welcher sich bei Vollmond in eine Fledermaus verwandelt, in die Gemächer zarter Jungfrauen eindringt und diese blutleer zurücklässt. Da ist er nicht der jahrhundertealte Lebemann, welcher Jahrhunderte überdauert, immer am Puls der Zeit, Nachtmensch, Frauenheld und romantischer, melancholischer Beau. Auch kein erotisches Geschöpf oder gar moderner Blutsauger. Nein, hier ist er der urtümlichste aller Vampyre (man beachte auch die Schreibweise, Whampyr oder Vampyr), ein blutgieriger Feldherr, der im Krieg seine Feinde scharenweise niederschlachtete, im Angesicht der Feinde durch deren Blut watete. Sex, Blut, Gewalt, Gier, Lust, Brutalität, Perversion. Finsternis und Hölle. Ein Geschöpf Scheitans, des ersten Vampyr uralter Legenden. Wer Necroscope liest, der braucht in der Tat einen guten Magen und sollte zuvor nicht gerade gegessen haben, denn Brian Lumley jagt den Leser schonungslos von einer grausigen Szene zur nächsten, bevor er ihn ab und zu für ein kurzes Kapitel aufatmen lässt.

Die Geschichte ist großartig erzählt. Alles, was eine atemberaubende Story braucht, ist enthalten. Religion und uraltes Wissen, die Weiheit der Generationen. Arm gegen Reich, Waisenkind, Findelkind, hoher Gelehrter, Staatsdiener, mächtige Genossen der Partei. Sex von unschuldig und rein bis hin zu grausam und brutal. Geheimnisse, mystische Zauber, jahrhundertealte Legenden. Ein Wechsel aus mitreißenden, actionreichen, atemberaubenden Sequenzen und gemütlichen, leichten Erzählungen. Jeder Abschnitt endet mit einem Cliffhanger, der den Leser sofort weiterblättern lässt. Man kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen, die Kopfhörer nicht mehr aus dem Ohr nehmen, man will wissen, wie es weitergeht. Der Zuschauer an der Polizeiabsperrung, der nicht hinsehen kann, weil es zu grausig ist, was er am Unfallort sieht, und doch muss er den Blick auf das Opfer richten und will sehen, wie die Feuerwehr als nächtes vorgeht, ... so fühlt man sich bei Lumley: Willenloser Zuschauer, Gaffer, Opfer des Anblicks. Kein Buch für schwache Nerven. Genau das Richtige für Vampirfans, denen normale Vampirkost zu schwach ist ... genau das Richtige für die, die Gewalt einmal als das vermeintlich Natürlichste auf der Welt erleben wollen ... genau das Richtige für diejenigen, denen die immer gleichen Geschichten von King und Koontz einfach nicht mehr genügen ...

Ach ja, Nachtrag, weil ich vergaß zu erwähnen: was mich an Horrorliteratur häufig stört, ist eine vulgäre Sprache. Ich mag diese plumpen Worte nicht. Und umso mehr bin ich von Lumley begeistert, der es meisterlich versteht (oder zumindest sein Übersetzer ins Deutsche), die Dinge beim Namen zu nennen, ohne sich derber Fäkalsprache zu bedienen ... eine Gabe in diesem Genre leider viel zu selten beherrscht wird ...

>Wiki zu Joachim Kerzel<

SaschaSalamander 04.02.2008, 10.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

4. von Tina

Nein Betsy Taylor hab ich noch nicht gelesen, aber das hab ich mir schon notiert *g*, klingt nämlich interessant.

vom 06.02.2008, 02.23
3. von Silly

Danke für diesen Tipp, das werde ich mir auf jeden Fall mal merken, zumal ich irgendwie schon eine Weile nix wirklich spannend, mitreisendes mehr gehört habe.

:blume:

vom 05.02.2008, 16.39
2. von Susi

Oh welch netter Hinweis. Mein Audible Abo ist bald wieder fällig. Ich denke, da könnte ich glatt neugierig werden.

vom 04.02.2008, 21.46
Antwort von SaschaSalamander:

falls die das bei Audible haben und Du Horror magst, ein absoluter Tipp! Bin mal gespannt, falls Du es hörst, wie es Dir gefällt :-)
1. von Tina

Ich liebe Vampirbücher und bin für Tipps immer dankbar :). Anita Blake - also Hamilton finde ich gut, kenne bisher zwar nur die ersten vier oder fünf Romane davon, aber die gefallen mir :). Mein Vampir Geheimtipp ist Sookie Stackhouse - also Charlaine Harris. Eine super Serie. Fängt an mit "Dead until dark". Allerdings würde ich beide Serien auf englisch lesen, die deutsche Übersetzung ist anscheinend nicht so ganz gelungen.
Liebe Grüße Tina

vom 04.02.2008, 17.18
Antwort von SaschaSalamander:

Blake kommt bei mir als eines der näxten Printwerke dran, bin schon total gespannt! Sookie Stackhause habe ich noch nie gehört, ist aber sofort auf "wanna have" notiert *nick* ...

okay, das mit dem Englisch werde ich mir merken, danke für den Hinweis. Bei Tauschticket gibt es auf Englisch sogar einies von Hamilton, aber dafür verlangen die massig Tickets, für drei Tickets kauf ich lieber das neue Taschenbuch *grübel*

hast Du schon Mary Janice Davidson (Betsy Taylor) gelesen? Siehe weiter unten im Blog ... falls nein, absolut geniaaaaal!

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