SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Richter Ahnungslos

Bücher mit Erfahrungen aus allen möglichen Bereichen des Alltags, des Berufslebens und des Ehrenamtes boomen und bieten Außenstehenden Einblick in eine ansonsten fremde Welt. Und so hat nun auch der Journalist Marc Baumann ein Buch verfasst über seine Erfahrungen als Laienschöffe am Amtsgericht München.


Mit 160 Seiten ist das Büchlein recht knapp, zudem liest es sich sehr flüssig und flink. Gespickt mit kleinen Anekdoten aus dem Gerichtssaal hat man es ziemlich schnell gelesen und ebenso schnell verdaut. 

Man muss betonen, dass das Buch wirklich eine reine Sammlung an Erfahrungen, Eindrücken und Erlebnissen ist. Somit ist es sehr subjektiv geschrieben, verfügt über keine nennenswerte Literaturliste und eignet sich auch nicht, um sich intensiver über das Thema Schöffenamt zu informieren. Für Betroffene, die sich gerne austauschen bzw die Erfahrungen anderer teilen möchten, ist es aber sicher ebenso interessant wie für Themenfremde, die gerne einmal "hinter die Kulissen" schnuppern möchten. 

Interessant finde ich, wie der Autor einerseits viele Dinge bemängelt und kritisiert (fehlende Vorabinformation, fehlender Einblick in die Akten und das Vorgeschehen, mangelnde Fachkenntnis als Laie gerade bei Fällen mit zB Wirtschaftskriminalität), dass er auch eine teils recht geringe Möglichkeit der Mitwirkung am Prozess darstellt, oft auch den Aufwand betont, andererseits aber eines Tages am Landgericht sitzen möchte, um auch einmal "die richtig großen Fälle" mitzuerleben. 

Nach der Lektüre bin ich etwas enttäuscht. Zugegeben, es las sich unterhaltsam und flink. Dennoch fehlt mir eine gewisse Substanz, und auch der Aufbau wirkt weniger durchdacht als vielmehr narrativ durcheinander. Der Autor wiederholt sich einige Male (wenn er beispielsweise zum zigsten Mal von seinen Eindrücken erzählt, wie er als Kläger vor Gericht saß und sich ungerecht behandelt fühlte), und für mich als Leser bleibt ein schaler Nachgeschmack. Zwar betont Baumann immer wieder die ethische Frage nach Recht und Unrecht, fragt er sich stets, ob das Urteil angemessen war. Dennoch machen der Stil und die Aufmachung auf mich eher den Eindruck, als sei er recht leichtfertig. Ich möchte niemals im Gericht sitzen und wissen, dass der Schöffe Strichmännchen und Tiere auf seinen Block kritzelt. 

Ich frage mich, was genau der Autor uns eigentlich mitteilen wollte. Ja, es liest sich flink, ist unterhaltsam und bietet einen netten Einblick. Aber mir fehlt es doch ein wenig an Substanz. Es macht den Eindruck, als hätte er sich gedacht "hm, ich war Schöffe, ich bin Journalist, und es gibt noch kein Erfahrungsbuch über Schöffen. Damit könnte ich doch glatt ein paar Euro verdienen". 

Kurz gesagt: ganz nett. Punkt.

SaschaSalamander 25.05.2015, 09.45

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