SaschaSalamander

Blogeinträge (Tag-sortiert)

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Bluthatz

Erster Satz Prolog
Wie jeder Mensch hatte Melchior Gietz sich im Laufe seines Lebens oft gefragt und vorgestellt, wie er einmal sterben würde, und ebenfalls wie jeder Mensch erkannte er jetzt, da es soweit war und er, am ganzen Leib zuckend, seinem Blut dabei zusah, wie es aus dem Hals floss und zu einer immer größer werdenden Lache wurde, dass keine seiner früheren Vorstellungen auch nur annähernd der Wirklichkeit entsprach. 

Erster Satz
Im Licht eines sonnigen Tage betrachtet, zeichnen das in einer Mulde über dem Kisselbach gelegene ehemalige Zisterzienserkloster und der östlich davon aufragende, dicht bewaldete Eichberg ein tief anrührendes, zu Herzen gehendes Bild reinromantischer Idylle - des Nachts jedoch, wenn von der Anhohe aus betrachtet die einzelnen Gebäude aussehen wie die Sarkophage gigantischer Dämonen und die Klostermauer wie die eines lange vergessenen Gräberfeldes, ist da etwas völlig anderes, das einem das Herz umfasst ... mit kalten, knochigen Fingern: Da ist Angst.

Letzter Satz
"Sobald sie hier sind, fahre ich zu (Name)"

Letzter Satz Epilog
"Scheiß drauf!"

Richard Haben: Bluthatz; Blanvalet 2013

SaschaSalamander 27.05.2014, 14.26 | (0/0) Kommentare | PL

Bluthatz

Inga "Jägerin" Jäger und Kai "Rübezahl" Gebert werden kurz nach Abschluss des letzten Falles bereits in den nächsten verwickelt. Ein einflussreicher Mitarbeiter aus Eltvilles Rathaus wird grauenvoll hingerichtet. Schnell zeigt sich, dass er viele Feinde hatte und die Zahl der Verdächtigen nicht gerade klein ist. Doch die weiteren Geschehen machen deutlich, dass mehr dahinter stecken muss als eine persönliche oder politische Feindschaft. Was spielt sich hinter den Türen des Rathauses ab?

BLUTHATZ ist der zweite Band des Ermittlerduos und knüpft nahtlos an >IHR UNSCHULDIGES HERZ< an. Ich weise vor allem auch deswegen auf meine alte Rezension hin, weil vieles, das dort steht, auch 1:1 auf diesen Band übertragbar ist hinsichtlich Sprache, Charakteren und anderen relevanten Merkmalen. 

Band eins ist bereits eineinhalb Jahre her, die Leser hatten viel Zeit, einige der Inhalte zu vergessen. Der Autor (Richard Hagen ist ein Pseudonym von Ivo Pala) geht also gelegentlich in Anspielungen auf die Vorgeschichte ein, sodass man sich schnell wieder in das Setting einfindet. Ich fand es schön, den Freunden wieder zu begegnen, vor allem Falkenberg ist wieder auf ihre ganz eigene Weise mitten im Geschehen. Eine detaillierte Charakterisierung möchte ich also gar nicht weiter ausführen, sondern verweise auf meine alte Rezension ;-)

Sprachlich wie auch schon im ersten Band und wie diesmal auch im >ersten Satz< des Prologes und ersten Kapitels erkennbar: die Sätze sind gelegentlich ziemlich lang und verschachtelt. Vor allem, wenn der Autor erklärt oder längere Szenen beschreibt, werden die Sätze immer länger. Trotzdem fällt es nach einigen Seiten nicht schwer, sich in dem Buch fallenzulassen und den Protagonisten zu folgen. Denn die Sprache an sich ist eher einfach gehalten und lässt sich angenehm lesen, sodass man an spannenden Stellen ziemlich über die Seiten rast. 

Gebremst wird der Lesefluss gelegentlich von zahlreichen Erklärungen rund um Rezepte, medizinische Hintergründe, die historische Geschichte des Ortes, Kriminalstatistik und andere recherchierten Informationen. Wer solche detaillierten Beschreibungen mag, wird begeistert sein, da sie gut in die Dialoge und Handlung integriert sind. 

Insgesamt empfinde ich auch den zweiten Band wieder als Pageturner, den ich in kürzester Zeit gelesen hatte. Gelegentliche Szenen habe ich allerdings überflogen, diesmal gab es sehr viel "literarisches Bullet-Time". Die Handlung erstreckt sich von der ersten bis zur letzten Seite nur über eine sehr geringe Zeitspanne, die jedoch durch extrem viele Details sehr gestreckt wird, sodass neben der Handlung auch sehr viel Input, Charakterisierung, Innenansicht, Hintergrundinformation gepackt wird, um einen kurzen Moment zu füllen. 

Auch, wenn BLUTHATZ für sich stehen kann, empfehle ich zuerst die Lektüre des Vorgängers, um beide Bücher entsprechend zu genießen ;-)

SaschaSalamander 27.05.2014, 09.10 | (0/0) Kommentare | PL

Böser kleiner Junge

Eine Kurzgeschichte von Stephen King, die der Autor als Dank für den herzlichen Empfang bei seiner Europareise zuerst einmal nur auf Deutsch und Französisch veröffentlicht. Halte ich ja eher für einen Marketing-Gag, aber die Geste dahinter ist trotzdem irgendwie nett (was will ein Autor wie King seinen Lesern auch schenken. Die Erstveröffentlichung in einem Land ist da schon etwas Besonderes)

Er ist zum Tode verurteilt, bisher hat er geschwiegen. Jetzt, als er nichts mehr zu verlieren hat, erzählt er seinem Anwalt nun endlich, was wirklich geschehen war und was dazu führte, dass er den Mord beging. 

Die Geschichte ist relativ kurz, ich hatte sie in knapp 20 Minuten gemütlich gelesen. Auf das große "wann passiert jetzt was" habe ich nicht weiter gewartet, denn ich weiß, dass es bei King weniger um Action geht als vielmehr das Grauen hinter den alltäglichen Dingen. Das wird hier bald offenbar. Was es mit dem kleinen Kind auf sich hat, das ihn erstmals in seiner Schulzeit belästigte, werde ich natürlich nicht näher ausführen. Doch schon bei der zweiten Begegnung ist dem Leser klar: hier geht es nicht mit rechten Dingen zu. 

Das Ende ist abzusehen und wenig überraschend, ganz im Stil des großen Meisters offen. Das Grauen geht weiter! 

Es ist kein Glanzlicht unter den Geschichten und Büchern Kings, aber für zwischendurch ist es eine nette kleine Story, die zwar nicht unbedingt gruselt aber angenehm unterhält und für kurze Momente ein wenig schauern lässt, ganz ohne Blut und Gewalt. Perfekt als Gute-Nacht-Lektüre, wenn man allein zu Hause ist und einen wohldosierten Grusel möchte, nach dem man trotzdem einschlafen kann ;-)

6,5 von 10 Lunchboxen

SaschaSalamander 26.05.2014, 08.41 | (0/0) Kommentare | PL

Statistik KW 21

GELESEN / GEHÖRT
Die sonderbare Buchhandlung des Mr Penumbra (R Sloane)
Grüne Smoothies (A Nossem)
Area D (Y Kyung-Il, K Nanatsuki)
Cherry Lips 1 (M Morinaga)


GESEHEN
Dr Who Staffel 7
Die Killerhand
Super - Shut up Crime


NEUZUGÄNGE
Schwarze Lügen (K Boie)
Schattengrund (E Herrmann)
Lilienblut (E Herrmann)
Bald wird es Nacht, Prinzessin (A Schneider)
Kühlfach vier (J Profijt)
Knast oder Kühlfach (J Profijt)
BurnOut - für immer auskuriert (A Spogis)

SaschaSalamander 25.05.2014, 21.23 | (0/0) Kommentare | PL

Rhabarberauflauf

Bei meiner Blogrunde stieß ich bei Vardagsmys auf ein Rezept für >Rhabarberauflauf<. Da ich Rhabarber liebe und das Rezept ziemlich simpel klang, wollte ich das sofort ausprobieren. Schatz und ich waren vom Ergebnis so begeistert, dass ich es am nächsten Tag sofort noch einmal zubereiten musste, in Variation. Der Teig, der über den Rhabarber gegossen wird ist eine tolle Grundlage für einen schnellen und variablen "Kuchen", wenn man überraschend Gäste bewirten muss.  ...weiterlesen

SaschaSalamander 22.05.2014, 08.49 | (0/0) Kommentare | PL

Böser kleiner Junge

Erster Satz:
Das Gefängnis stand zwanzig Meilen von der nächsten Kleinstadt entfernt mitten in der fast unablässig vom Wind heimgesuchten Prärie.

Letzter Satz:
Bis bald.

Stephen King: Böser kleiner Junge; Heyne 2014

SaschaSalamander 21.05.2014, 09.11 | (0/0) Kommentare | PL

Burger bei Auguste

Wenn ich nach neuen Möglichkeiten suche, auswärts zu essen oder mir etwas liefern zu lassen, mache ich viele spannenden Entdeckungen. Eine davon ist zum Beispiel Auguste. >Premium Junkfood< nennt sich die Internetseite, die Aufmachung ist recht sympathisch. Was ich von Freunden hörte, klang positiv. Und sogar Schatz meinte "wieeee, Du kennst die Auguste nicht?". Toll, jeder scheint es zu kennen, nur ich nicht. Da muss ich Abhilfe schaffen!

Also habe ich fleißig die Homepage studiert. Fair, bio, ökologisch, regional, von diesen Begriffen wird man auf der Seite regelrecht erschlagen, nirgends wird dieser Aspekt unerwähnt gelassen (weniger ist manchmal mehr). In der Speisekarte überall erwähnt, auf dem Header der Seite schwenken Würstchen und Pommes kleine Bio-Fähnchen, ein CO2-Neutral-Label rechts oben im Ecke, in der Navigationsleiste einzelne Punkte zum Nachlesen verlinkt, in den News weitere Infos. Interessant finde ich die Informationen zum Premium OS System. Falls wirklich alles so umgesetzt wird, wie es hier beschrieben, ist das eine tolle Sache, die man sich von einigen großen Firmen genau so wünschen würde. Was die Tiere betrifft: Totgestreichelt werden sie zwar nicht, aber bio ist ein wichtiger und notwendiger Schritt. Auch hierüber kann man Informationen auf der Homepage lesen.

Die >Speisekarte< lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und das Spannende: für Veggies gibt es nicht nur einen kleinen Burger irgendwo am Rand, sondern eine eigene Seite. Vier riesige Burger, drei davon sogar veganisierbar. Da weiß man gar nicht, was man zuerst bestellen soll! Und wer ein wenig auf der Homepage stöbert, wird neben normalen Burgern auch ein paar ziemlich witzige Dinge finden, zB den Nanoburger und andere ungewöhnliche Ideen und Aktionen ;-)
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SaschaSalamander 20.05.2014, 17.15 | (0/0) Kommentare | PL

Statistik KW 20

GELESEN / GEHÖRT
Die China Study (T Campbell)
Bluthatz (R Hagen)
Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen (K Boie)
The Night of the Rabbit (M Kempke)
Böser kleiner Junge (S King)
Sundome 01 (K Okada)


GESEHEN


NEUZUGÄNGE

SaschaSalamander 18.05.2014, 18.38 | (0/0) Kommentare | PL

Stella Menzel und der goldene Faden

INHALT

Klappentext: Stella liebt ihre Decke aus blauem Seidensatin, die sie von ihrer Ururgroßmutter geerbt hat - eine Decke, übersät mit Sternen und Scheeflocken aus Silberbrokat und mit einem goldenen Faden eingefasst. Auf jeden, der ihn besitzt, übt dieser Stoff eine magische Wirkung aus - denn seine Falten bergen die Kraft, die Geschichten seiner Besitzerinnen einzufangen: wundersame Geschichten vom alten Russland, vom Berlin der 20er Jahre, von der Flucht der jüdischen Familie nach New York und einem Neuanfang in Berlin. Dieses Erbstück begleitet Stella von der Wiege bis zum ersten Kuss. Und während der Stoff sich im Laufe der Zeit verwandelt und immer kleiner wird, wird auch Stella schließlich ein Teil seiner Geschichte.

STELLA MENZEL UND DER GOLDENE FADEN ist vordergründig die Geschichte vom Aufwachsen eines jungen Mädchens zwischen den Kulturen. Dahinter ist es die Geschichte einer Großfamilie, verstreut über Russland, Amerika und Deutschland mit jüdischen Wurzeln. Kultur, Tradition, Kulinarisches, Sprachliches, eine kleine Reise durch Zeiten und Länder. Kindgerecht erzählt, ohne pädagogischen Zeigefinger, dafür mit viel Liebe, Herz und Wärme. 


CHARAKTERE

Heldin der Geschichte ist Stella. Der Leser begleitet sie von ihrer Zeit als Kleinkind hin bis zu ihrer ersten Liebe. Sie ist sympathisch, weil die Autorin sie menschlich darstellt, unperfekt und liebenswert durch und durch. Neugierig, aufgeschlossen, manchmal auch quenglig und in späteren Jahren dann auch gerne einmal frech und rebellisch. Sie ist neidisch auf eine Klassenkameradin, ihr passieren Missgeschickte, sie erlebt kleine und große Abenteuer, und immer hat sie hinter sich ihre Familie: 

Die alte Oma, eine typische Bilderbuchoma, die Besonnene, Ruhige, die Geschichtenerzählerin. Die "weise Alte", die selbst aus nichts noch etwas machen kann. Die Mutter, liebevolle aber strenge Erzieherin, stets ein wenig skeptisch gegenüber der großmütterlichen Gelassenheit und dem Humor des Vaters. Der Vater, Künstler und immer ein wenig anders, mit schelmischem Grinsen und einem witzigen Spruch, oft amüsiert er sich, wenn seine Frau wieder einmal viel zu ernst ist. Dazu all die anderen Familienmitglieder, die man im Laufe der Geschichte kennenlernt und ins Herz schließt. Nein, es ist keine perfekte Familie, und gerade deswegen mag man sie sosehr.  


SPRACHE

Während Stella sich ebenso wie ihre Geschwister entwickelt und verändert, als Identifikationsfigur für die jungen Leser, bleibt die erwachsene Kernfamilie gleich. Ihnen legt die Autorin Schlüsselsätze in den Mund, die sich häufig wiederholen, sich nur selten verändern und erst zum Schluss auch von anderen Personen übernommen werden. Sie sind einer der vielen Fäden, die sich symbolisch durch die Geschichte ziehen. Der Leser kann sich an ihnen festhalten, freut sich über die Wiederholung. Auch, wenn alles im Leben sich ändert - manche Dinge bleiben gleich, und diese Dinge bedeuten Geborgenheit, Gewissheit und Zusammenhalt.

Die Übersetzerin sowie die Autorin haben sehr gute Arbeit geleistet, um Stellas Geschichte und die ihrer Familie nicht nur in Worten zu präsentieren, sondern auch zwischen den Zeilen zu vermitteln. Metaphern wie "es löste ein Kichern in ihrem Herzen aus" oder Wortspiele wie "Das Fundbüro war anscheinend auch verlustig gegangen und nirgends zu finden" lösen ein Lächeln beim Leser aus und erzählen viele kleine weitere Geschichten. Als Stellas Eltern sich das erste Mal begegnen, "stieß er zufällig absichtlich mit ihr zusammen", diese wenigen Worte in ihrer widersprüchlichen Kombination sind so beredet, dass jeder sofort eine komplexe Handlung vor Augen hat, ohne dass diese erst erklärt werden muss. 

Trotz ihrer Feinsinnigkeit ist die Geschichte für junge Leser ebenso geeignet wie auch zum Vorlesen. Kinder müssen nicht jedes Detail verstehen, um die Geschichte zu mögen. Sie werden STELLA MENZEL aus anderen Gründen lieben als die Erwachsenen, und das macht auch den Reiz dieses Buches aus.

>Hier< und >hier< habe ich bereits geschrieben, wie allein der erste und letzte Satz sowie die Kapitelüberschriften das Buch zu etwas Besonderem machen.


AUFMACHUNG DES BUCHES

Nicht nur die Geschichte, auch das Buch ist ein Erlebnis. Dezent und unaufdringlich, aber Ton in Ton zur Geschichte illustriert und gestaltet. Ein goldenes Bändchen als Lesezeichen. Auch auf den Seiten windet sich überall ein goldener Faden auf dem Papier, verbindet alles und hält die Geschichte zusammen, mal oben, mal unten, mal diagonal oder nur in der Ecke. Die Blätter auf der Innenseite der Deckel sind geschmückt mit dem blauen Stoff, um den es im Buch geht. Vereinzelt finden sich in warmen Farben gehaltene Bilder, gleich Fotos, in denen das Geschehen in einem besonderen Moment festgehalten wurde für den Leser. Alles sehr schön aufeinander abgestimmt und passend. 


PERSÖNLICHE MEINUNG ZUM SCHLUSS

STELLA MENZEL ist eines der Kinderbücher, wie ich sie liebe: kindgerecht, aber mit Hintersinn und so erzählt, dass auch Erwachsene ihre Freude daran haben. Kinderbücher lassen mich den Alltag vergessen und für einen Moment selbst wieder Kind sein. Abtauchen in ein Universum, in dem andere Dinge gelten als für "die Großen". Lachen und Weinen können über Dinge, die älteren Menschen unbedeutend und klein geworden sind. Das Staunen des Kindes spürt man beim Lesen in sich, und es tut gut, beim Lesen das Herz zu öffnen, wenn die Oma wieder einmal mit ihrer Geschichte ansetzt. Ich habe das Buch geliebt :-)


SaschaSalamander 16.05.2014, 08.49 | (0/0) Kommentare | PL

Rückkehr ins Wunderland

RÜCKKEHR INS WUNDERLAND. Auf den ersten Blick dachte ich glatt, es sei ein Comic aus Amerika, typisch im Zeichenstil und in der Story. Doch nein, der Zeichner Daniel Leister kommt aus Deutschland, und umso neugieriger war ich auf dieses ungewöhnliche Werk.

Alice wurde in die Gegenwart verlegt. Sie ist inzwischen erwachsen, verheiratet und hat zwei Kinder. Doch sie hat niemals wirklich die Erlebnisse im Wunderland verarbeitet, ist noch immer traumatisiert. Nach einem weiteren Selbstmordversuch wurde Tochter Calie angehalten, sich um ihre Mutter zu kümmern. Sie ist widerwillig, doch sie tut es, und eines Nachts wird auch sie in das Wunderland hineingezogen. Düster, brutal und sehr blutig geht es dort inzwischen zu, sie watet regelrecht durch das Blut der Leichen, und auch ihr Leben ist nun in Gefahr. Die Grenzen zwischen Realität und Traum, zwischen Gesundheit und Wahnsinn beginnen zu verwischen. Und während Calie im Wunderland ihre grausamen Abenteuer erlebt, kämpft ihr Bruder erfolglos gegen die Dämonen in seinem Inneren ...

Die Anzahl der Alice-Adaptionen, sei es als Buch, Film, HÖrspiel, Comic, Manga, Computerspiel, Artbook etc lassen sich nicht mehr zählen. RÜCKKEHR INS WUNDERLAND reiht sich da in beste Gesellschaft. Ich möchte auch keine Variante mit der anderen vergleichen, zu verschiedenen sind sie in ihren Intentionen. Was ich aber ohne Vergleich sicher sagen kann: ich kenne einige Horror-Adaptionen (dafür bietet das Grundthema sich ja auch bestens an), doch diese hier übertrifft sie alle um Längen. 

Der Zeichenstil ist düster. "Hübsch" kann man die Zeichnungen nicht nennen, das war auch niemals das Ziel von Daniel Leister. Dafür sind sie einnehmend, intensiv, höchst emotional und eindringlich, sie wirken lebendig, realistisch und ziehen den Leser tief in die Handlung hinein. Das Leben wird in all seiner Hässlichkeit präsentiert: Männer, die ihre Ehefrau betrügen, psychische Krankheit, die dunkle Seite der Erotik, Suizid, Mord, Drogenkonsum, Inzest, Kindsmissbrauch und viele weitere Dinge, die hier gezeigt bzw thematisiert werden. Nein, ein solcher Comic darf nicht "hübsch" sein, das Grauen und die Boshaftigkeit steht den Figuren ins Gesicht geschrieben. Und auch Alice, die Protagonistin, ist kein unschuldiges Mädchen. Sie sagt klar: "Mein Papa hat mich immer mit ins Kino genommen. Oft in irgendwelche Horrorfilme in der Spätvorstellung. Und irgendwie hat da mal die dümmliche Tussi, die normal nur da war, damit riesige Titten und lange Beine gezeigt werden konnten, gegen den Splatterer die Oberhand behalten und ihn umgehauen. Aber dann ist sie, warum auch immer, weggerannt, anstatt etwas echt Schweres in die Hand zu nehmen und dem Scheisskerl den Rest zu geben." Alice hat gelernt. Sie rennt nicht davon, sie wehrt sich. Sehr zur Freude des Lesers ;-)

Was allerdings die "riesigen Titten" betrifft, über die Alice sich selbst mokiert - da hat der Zeichner sich leider sehr am Standard der üblichen Comics orientiert, vermutlich wollen einige Leser das sehen oder wollte er es selbst zeichnen. 

Zusätzlich zur Story gibt es zwischen den einzelnen Abschnitten Coverbilder, die teils im Stil alter PinUps gehalten sind, hübsch im Sepia-Ton gehalten. Diese gefallen mir zeichentechnisch sehr, sie sind äußerst kunstvoll und 
ansprechend. 

Zu Beginn wirkt es, als wäre es eine von vielen Adaptionen, die einfach nur Blut vergießen, des Blutes wegen ohne wirkliche Handlung. Bis kurz vor Ende habe ich all die Splatter-Szenen genossen, hätte dem Comic aber nicht allzu viele Punkte gegeben. Doch kurz vor Ende zieht die Handlung drastisch an: in dem Moment, als man denkt, es ist nun alles vorbei, geht es eigentlich erst richtig los. Es gibt eine Einführung in die Hintergründe des Wunderlandes, und diese reichen sehr weit. Ein Roadtrip im Kampf gegen die Finsternis beginnt, der Comic endet äußerst vielversprechend. 

Insgesamt kann ich nach dem ersten Band nicht sagen, wie tief die Story geht. Bisher kann ich nur sagen, dass durch ein paar Zitate aus Matrix und von Shakespeare eine vermeintliche Tiefe vorgegaukelt wird, die im Grunde aber nur Worthülsen sind. Was jedoch auf den letzten Seiten geschieht, könnte, falls es geschickt ausgebaut wird, sehr weitreichend sein und zu einer ziemlich komplexen, psychologisch und mythologisch faszinierenden Story werden, die deutlich über simplen Splatter hinausgeht und ein richtiger Leckerbissen für Freunde des gepflegten Edel-Horrors im Stil von Lovecraft, Poe und Co werden könnte. Sicher ist, dass es für mich nicht bei diesem einen Band bleiben wird, ich freue mich schon sehr darauf, die Fortsetzungen zu lesen ...

Schlussmeinung: sehr gelungen, herrlich düster und überraschend, sehr schöne Idee, mal anders als der Rest. Aber schade, dass zu viel Fanservice eingebaut wurde (ist halt ein Männer-Comic, den mancher sich wohl auch ins Badezimmer legen würde) und der Aspekt Lovecraft weniger betont wird. Setzt stellenweise ein bisschen zuviel Wert auf Optik und Splatter statt auf Handlung, man hätte doch etwas mehr rausholen können ...


SaschaSalamander 15.05.2014, 08.35 | (0/0) Kommentare | PL

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