SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Der Babadook

Nach dem Tod des Mannes kümmert sich Amelia alleine um ihren Sohn Samuel. Der ist ziemlich ängstlich, hat wenig Freunde und ist insgesamt eher ein Außenseiter. Auch Amelia weiß oft nicht, wie sie mit seinen Ängsten und seinem ungewöhnlichen Verhalten umgehen soll. Eines Tages liest sie ihm ein Kinderbuch vom Babadook vor, der Junge wird in seinen Ängsten bestätigt und flüchtet sich scheinbar immer mehr in seine grausame Phantasie. Das Buch prophezeit Schreckliches, Amelia weigert sich daran zu glauben, doch bald ist auch sie im Banne des Babadook.

Wie meistens bei Horrorfilmen poste ich kein Cover. Muss ja nicht sein, dass einem beim Surfen Monster ins Gesicht hüpfen ;-)


Puh es ist schwer, diesen Film zu beschreiben, ihn einzuordnen oder überhaupt eine kurze Beschreibung des Inhalts wiederzugeben. Denn die Geschichte spielt auf vielen Ebenen. Deswegen fällt es mir nicht leicht, etwas über diesen Film zu schreiben, ohne zuviel zu verraten.

Der Film ist auf der psychologischen Ebene sehr interessant. Ob der Babadook existiert oder eine Manifestation der Ängste der Protagonisten ist, ist unklar. Er wird gezeigt, er agiert scheinbar real, aber was davon ist Fantasie des Jungen, was Wahn der Mutter, was tatsächlich übersinnliche Erscheinung? Die Mutter ist alleinerziehend, und sie zeigt (lässt man außer Acht, dass der Babadook möglicherweise existiert) Anzeichen einer schizophrenen Psychose. Auch verarbeiten Mutter und Sohn auf jeweils eigene Weise ihre Angst vor dem Tod sowie ihre Trauer über den Verlust des auf tragische Weise verstorbenen Vaters / Ehemannes, müssen ihre inneren Dämonen bekämpfen. Beide werden in der Familie und in der Schule bzw auf Arbeit stigmatisiert, sie leben isoliert. Beide sind in sich selbst gefangen und an den jeweils anderen gefesselt, sie lieben sich, und doch treiben sie sich gegenseitig in den Wahnsinn. 

Die Mutter liebt ihren Sohn, macht ihn aber indirekt verantwortlich für den Tod des Vaters, sein Verhalten macht ihr zu schaffen, da sie sich vor Familie und Schule für sein Verhalten rechtfertigen muss und überfordert ist mit der Erziehung. Der Sohn liebt seine Mutter, doch ihre Ambivalenz aus erdrückender Liebe und kalter Ablehnung irritiert ihn, ihr plötzlich unberechenbares Verhalten ängstigt ihn. Es ist faszinierend und erschreckend, die beiden zu beobachten, am liebsten wäre ich mehrfach dazwischengegangen, die emotionale Spannung zwischen den beiden ist fast unerträglich. Und immer wieder stellt sich die Frage, was nun real ist und was davon einer möglichen Krankheit des Sohnes oder der Mutter entspringt. 

Es gibt keine Jumpscares, man kann bedenkenlos den gesamten Film auf den Monitor sehen ohne erschreckt zu werden. Dennoch wird das Wesen für gewisse Zeit gezeigt. Es löst sehr viel Grusel / Horror aus, jedoch auf eine andere Weise als sonst für klassische Grusel- und Horrorfilme üblich. Der BABADOOK geht unter die Haut. Doch es ist nicht sein Äußeres, nicht sein Erscheinen. Es sind die Schatten an der Wand, die verschwommenen Umrisse, die ängstigen, es ist die Angst vor dem eigenen Inneren, die Angst vor der zerstörerischen Macht in uns selbst. Der Film ist getragen von einer Symbolik, die je nach Zuschauer sehr viele Interpretationen offen lässt. Kakerlaken krabbeln aus einem Loch in der Wand, Licht flackert, das schützende Heim wird zur bedrohlichen Falle, das Bett zum Hort der Angst, und in Meliers harmlosen Stummfilm schleichen sich bedrohliche Monster. 

Der Soundtrack ist hervorragend, passt sehr gut zu den jeweiligen Szenen, unterstreicht die Emotionen und sorgt für Gänsehaut, jedoch ohne die Nerven zu zerfetzen. 

Auch sonst ist alles stimmig. Die Kamera, die Szenerie (die manchmal an eine Theaterbühne erinnert mit ihren Effekten, etwa an der Wand hängende Bilder, die wackeln). Die Szenenwechsel, die Wahl der Schauspieler. Beide strahlen bereits etwas aus, das von Beginn an ein Unwohlsein auslöst, unerklärlich und unangenehm. Nach einiger Zeit möchte man selbst den Jungen nehmen, packen, ihn schütteln, möchte der Mutter die Meinung ins Gesicht brüllen, es ist nur schwer zu ertragen. Der Anfang zieht sich etwas, bevor die Handlung mit dem BABADOOK selbst ins Rollen kommt. Ich halte diesen Einstieg jedoch für notwendig, um das Verhältnis der Protagonisten zu klären und ihre Einbindung in die Welt um sie herum aufzuzeigen. Man braucht also etwas Geduld und muss sich darauf einlassen.

Ob der BABADOOK Horror ist oder Drama, kann schlecht unterschieden werden, hängt ab von der Lesart des Zuschauers und geht vor allem ineinander über. Wer ein reines Drama erwartet, sollte sich auf schlaflose Nächte vorbereiten. Wer Lust auf einen haarsträubenden Horror hat, der könnte sich vom Tiefgang und der Komplexität des Filmes überfordert fühlen und sich ob der fehlenden Action langweilen. Man muss auf jeden Fall offen sein für einen ungewöhnlichen Film, der keine leichte Kost ist. Man sollte bereit sein, sich seinen eigenen Urängsten zu stellen. Der Horror spielt sich nicht auf der Leinwand ab, sondern im Kopf des Zuschauers.

Und: ich verwende ungern das Wort "Trigger", weil es ein Modewort geworden ist. In diesem Fall möchte ich es aber ausdrücklich erwähnen. Der Tod eines  geliebten Menschen, psychisch kranke Angehörige, Stigmatisierung, Verlustangst - das sind Themen, die hier sehr viel auslösen und möglicherweise Dämonen im Zuschauer wecken, die er selbst noch nicht verarbeitet hat. 

Jeder Mensch hat andere Dämonen in sich, die er bekämpft, gegen die er verliert, die er nährt, die zu ihm gehören, die ihn zerstören oder stärken. Jeder Zuschauer wird den Babadook auf eigene Weise erleben.

Also, kurz gesagt: ein einzigartiger Film! Allerdings sehr, sehr speziell. Ein absoluter Filmtip für diejenigen, die gerne einmal etwas Besonderes sehen wollen und keine Erwartungen an ein Genre hegen. Aber Vorsicht: vielleicht ist der BABADOOK auch in Dir ... wirst Du ihn füttern oder bekämpfen?

SaschaSalamander 21.10.2015, 09.06

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