SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Forgotten

Widmung:
Für meine Töchter. Später einmal, wenn Bücher zum Lesen da sind und nicht mehr zum Essen, werdet ihr hoffentlich stolz auf mich sein.

Manchmal krame ich auch alte, noch nicht veröffentliche Rezensionen heraus. Zum Beispiel diese hier. Das Buch habe ich 2013 gelesen. Und ich stellte fest, dass ich gar nicht mehr daran erinnern kann, worum es ging. Bedeutet also, dass ich es recht schnell wieder vergessen habe. Was schade ist, sich aber recht gut mit den Gedanken zur Rezension deckt ...

*********

London kann sich erinnern. Allerdings nicht an die Vergangenheit, sondern an ihre Zukunft. Täglich vergisst sie, was am Vortag geschehen ist. Um ihren Alltag zu bestehen, muss sie sich vor dem Zubettgehen stets Notizen schreiben, was am nächsten Tag zu erledigen ist und was sie nicht vergessen darf. Nur ihre Mutter und ihre beste Freundin Jamie wissen um ihr Geheimnis. Eines Tages lernt sie Luke kennen. An ihn hat sie keinerlei Zukunftserinnerung ...

FORGOTTEN ist geschrieben aus der Ich-Perspektive der Protagonistin. Dadurch bleiben alle Charaktere sowie auch sie selbst recht undurchsichtig. London kann sich nicht erinnern, muss stets in ihren Zukunftsgedanken kramen, sodass die anderen Figuren schwer charakterisiert werden können und stets zweidimensional bleiben. Das halte ich jedoch nicht für einen Makel, sondern für dem Buch angemessen. Schließlich kann London keinen Menschen einschätzen und ist täglich auf ihre Notizen angewiesen. Dies führt natürlich zu interessanten Situationen. 

Die Idee ist sehr ungewöhnlich und mir in dieser Form noch nicht begegnet, daher war ich sehr neugierig auf das Buch und die Umsetzung. Das Schöne an FORGOTTEN ist, dass die Idee wirklich sehr gut ist, und es wurden einige wirklich spannenden Momente geschaffen. Die Handlung ist anfangs eher plätschernd, beschreibt den Alltag und das tägliche Kennenlernen von Luke, doch bald kommt Schwung in die Geschichte, als London plötzlich erkennt, dass ihre Aufzeichnungen scheinbar Fehler enthalten, und dass sie sich nun doch an einige vergangenen Ereignisse erinnern kann. Auch die Frage nach Luke hält die Spannung aufrecht. 

Gerne würde ich das Buch überschwänglich loben, und anfangs war ich auch sehr begeistert. Dass manche Dinge nicht erklärt wurden, konnte ich akzeptieren. Es muss nicht immer alles haarfein beschrieben werden, und oft machen die Lücken einer Geschichte diese erst so faszinierend, wenn man sie mit eigenen Theorien und Phantasien erfüllen kann. 

Doch hier hatte ich nach etwa der Hälfte des Buches nicht mehr das Gefühl, dass es Stil und Methode ist, sondern einfach Inkonsequenz der Autorin und Unausgegorenheit der Geschichte. Es gibt manche Widersprüche und unlogischen Momente. Da nicht erklärt wird, warum London sich an die Zukunft erinnert und wie genau das funktioniert, kann man natürlich nicht sagen "das ist falsch umgesetzt". Dennoch gibt es einige kratertiefen Plotholes und Logikfehler. Außerdem scheint es mir, als hätte die Autorin die Geschichte lediglich von vorne nach hinten aufgeschrieben, ohne sich zwischendurch oder davor Gedanken über den Verlauf, Aufbau und die Handlungsfäden zu machen. Die eigentlich ursprüngliche Handlung und die wichtigen Kernfragen verlaufen komplett im Sand und bleiben umgeklärt, nur um das Buch plötzlich in eine völlig neue Richtung zu schwenken, das Genre zu wechseln und die neue Handlung viel zu schnell voranzutreiben ohne sie konkret abzuschließen. 

Es tut mir regelrecht leid, so ein hartes Urteil zu fällen, denn eigentlich hatte mir das Buch sehr gefallen. Die Protagonistin ist sympathisch, die Grundidee für die Geschichte ist originell, der Schreibstil ist flüssig. Das Buch ist eine perfekte Mischung aus Teenie-Romantik, Highschool, Mystery, Krimi und viel Humor. Ich habe es rasend schnell verschlungen und konnte es bis zur letzten Seite nicht mehr aus der Hand legen. Aber das Buch ist in sich nicht schlüssig. Es setzt sich nicht bewusst über die Regeln des Storytelling hinweg sondern scheint völlig im Unklaren, dass es diese überhaupt gibt. 

Wirklich schade. Mit einem soliden Grundgerüst, einer ausgebauteren Erklärung für manche Phänomene, mit gut ineinanderlaufenden und abgeschlossenen Handlungsfäden und etwas mehr Fleisch auf den Rippen hätte es ein einzigartiges Jugendbuch sein können. So aber ist es nur eines aus vielen :(

SaschaSalamander 13.05.2016, 08.44

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