SaschaSalamander

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Tag: Jugend

Nachtblauer Tod

wolf_nachtblau_1.jpgINHALT

Als Leon von der Party kommt, ändert sich mit einem Schlag sein Leben: die Mutter wurde ermordet, der Vater sitzt nun in U-Haft. Anfangs ist sogar Leon verdächtig, denn sein Alibi weist Lücken auf. Doch er muss nicht in U-Haft, kommt bei Freunden der Familie unter. Weil er das Gefühl hat, dass die Polizei und der Anwalt sich zu wenig um den Fall kümmern, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln. Er will die Unschuld seines Vaters beweisen und den wahren Täter überführen. Doch je mehr er über mögliche Täter und Motive erfährt, desto mehr erfährt er über das, was hinter den Kulissen seines friedlichen Elternhauses geschah, mehr als er je wissen wollte. Und gleichzeitig kommt er dem Täter immer näher und bringt sich in tödliche Gefahr ...


GENRE

Dieser Roman richtet sich an Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren. Klaus-Peter Wolf gelingt etwas, das ich bei seinen Büchern sehr faszinierend finde: er schafft einen gekonnten Spagat zwischen Erwachsenen- und Jugendliteratur, lässt die Grenzen verschwinden.

NACHTBLAUER TOD hat als Protagonisten den jungen Leon. Dennoch gibt es hier und da auch Perspektivwechsel zu anderen Beteiligten, auch Erwachsenen. Sprachlich ist der Roman nicht an die lässige Jugendsprache gebunden, die manche Autoren zwanghaft versuchen, sondern in einem niveauvollen, krimitypischen Stil. Worauf er verzichtet, das ist die sprachliche Ausschmückung von Gewalt, Blut und Obszönität. Auch hier geht es ordentlich zur Sache, der Mord ist blutig, was Leon aufdeckt im Grunde ein Skandal. Dennoch bleibt es menschlich, wird nicht ausgeschlachtet und unnötig pervertiert (wobei der Inhalt mancher Skandalstory a la AMERICAN BEAUTY und Co gerecht werden würde).

Wenn auch für Jugendliche geschrieben, empfinde ich diesen Roman daher eher als All-Ager. Auch geeignet für erwachsene Krimileser, die einen Roman mit guter Story ohne Skandal, ohne das "personifizierte Böse" und ohne überdramatisch inszenierte Show zu schätzen wissen.

Weiterhin ist NACHTBLAUER TOD ein Lokalkrimi, spielt diesmal in Bremerhaven. Dem Ortskundigen wird vermutlich einiges bekannt vorkommen, das kann ich nicht beurteilen. Angenehm finde ich, dass es hier ein wenig zurückgenommen wurde im Vergleich zur Ostfriesen-Reihe des Autors, wo wirklich jedes Café, jede Straße ihren Namen hat. Hier dagegen gibt es einige Andeutungen, einiges Bekannte, aber das Augenmerk liegt weniger auf der Region als vielmehr auf der Story. (Ich beziehe mich auf das Hörbuch, das gekürzt ist. Inwieweit dies auch im Roman zutrifft, kann ich nicht beurteilen)


CHARAKTERE

Es ist ein Markenzeichen des Autors, dass jede noch so kleine Nebenrolle einen eigenen Namen bekommt. Ein kurz befragter Zeuge, der Mitpatient im Krankenhaus, die Dame am Telefon, der Künstler eines Bildes. Ich war versucht, mir wieder ein Personenregister zu erstellen. Da es allerdings ein Jugendroman ist, habe ich diesmal darauf verzichtet, ich erwarte diese Bücher zu verstehen auch ohne sie mir  "erarbeiten" zu müssen, und es hat geklappt. Wie auch in seiner Reihe >TREFFPUNKT TATORT< und anderen Jugendbüchern hat er die Zahl der Charaktere im Vergleich zu seiner >OSTFRIESEN-REIHE< doch deutlich beschränkt ;-)

Was Klaus-Peter Wolf nicht macht: Charakterprofile erstellen und einem einzelnen Charakter spezielle Tiefe und Dramatik verleihen (wie man es etwa besonders bei den nordischen Romanen a la Wallander und Co kennt. Mein Geschmack ist das nicht, aber diese Technik ist recht beliebt, wird gerne gelesen).

Was er statt dessen macht: er schildert wenig Hintergrund und Tiefe, lässt dadurch sehr viel Raum für Interpretation. Dafür geht er sehr intensiv auf den jeweiligen Moment und das Verhalten in der jetzigen Situation ein. Ich empfinde das Verhalten jedes Protagonisten nachvollziehbar und schlüssig (was nicht heißt, dass ich es gut finde oder gar selbst so handeln würde. Es gab einige Charaktere in diesem Buch, die mir regelrecht zuwider waren, was vom Autor wohl auch deutlich beabsichtigt wurde).

Manche der Charaktere sind etwas klischeebeladen, z.B. das Polizistenteam ist wieder sehr klassisch. Doch es passt in die Story (und zeigt leider auch die Sturköpfigkeit mancher Menschen, die schon lange in ihrem Beruf arbeiten), denn empfände der Junge die Polizei nicht als handlungsunfähig, hätte er wohl nicht selbst mit der Ermittlung begonnen und hätte es keinen Roman gegeben.


SPRACHE

Die Sprache des Autors ist direkt und der Situation angemessen, mal nüchtern und erklärend, ein andermal aufgebracht und wütend. Es wird auch mal ordentlich geflucht und geschimpft, ohne dabei jedoch vulgär, brutal oder ausfallend zu werden. Die Wortwahl, die Sätze, die Dialoge sind recht realistisch gehalten, man kann die CDs gut während der Arbeit / der Autofahrt hören und den Inhalt dennoch erfassen.

Auch, wenn ich mich zu meinen anderen Rezensionen über Klaus-Peter Wolf wiederhole: er nimmt die Jugendlichen ernst, schaut nicht auf sie herab und biedert sich auch nicht auf gleicher Höhe an. Sondern er ist ein Erwachsener, der als Erwachsener zu Jugendlichen spricht, einen punktgenauen Blick auf ihre Probleme, Sorgen, Ängste und Bedürfnisse hat und leicht Zugang zu ihnen findet. Das liest man zwischen den Zeilen immer wieder, und das gefällt mir so an seinen Romanen.


AUFBAU

NACHTBLAUER TOD beginnt harmlos auf einer Party. Knutschende Teenies, Zickenkrieg, das Übliche. Und plötzlich ist Leon mittendrin in der knallharten Realität, kommt ins Krankenhaus, wird verhört. Ein actionreicher Einstieg, der dem Leser zeigt "hier passiert was".

Als die ersten Ermittlungen beginnen, wird es etwas ruhiger, handlungsorientierter. Als Leon mehr über seinen Vater und seine Mutter erfährt, wird es stellenweise dramatisch, er muss diese neuen Erkenntnisse erst verarbeiten, will sie nicht wahrhaben. Für den Leser zeigen sich immer mehr Motive und mögliche Täter, man kann gut miträtseln. Denn Klaus-Peter Wolf hat seine Geschichte gut aufgebaut, es gibt hier und da Hinweise, er befolgt die klassischen Regeln der Personengestaltung eines Krimis. Es gibt eine interessante Wende, als die tatsächlichen Motive klar werden und Leon nun in eine völlig neue Richtung forscht.

Der Hörer ahnt nach spätestens der Hälfte, wer der Täter sein könnte, und nach zweieinhalb (von drei) CDs wird es offen ausgeprochen. Ab hier heißt es atemlose Spannung, während Leon und seine Freundin ihn stellen wollen und dabei selbst in Gefahr geraten.

Der Showdown ist wieder actionlastig, das Ende abrupt und offen. Es ging Leon darum, den Täter zu finden, nun hat er ihn. Wie das Gericht urteilt, wie es mit seinem Vater weitergeht, was das für Leon selbst bedeutet und wie sich das Leben aller Beteiligten nun ändern wird, das kann man sich denken, es auszuführen wäre unnötig und würde zu weit führen.


SPRECHER

Das Hörbuch wird gesprochen von Jacob Weigert, den ich gerne für jugendliche Titel höre. Da er zwar eine jugendliche Stimme hat aber als Erwachsener doch sehr gut den Bogen zum Erwachsenenkrimi schlägt, macht er das Hörbuch auf diese Weise für beide Zielgruppen interessant.

Während er in >REBELLEN DER EWIGKEIT< eher wenig Emotionen vermittelte und gelegentlich auch in actionreichen Momenten zu ruhig blieb, vermag er hier inzwischen weitaus intensiver Spannung in die verschiedenen Rollen zu legen und den Charakteren Leben zu verleihen. Dennoch denke ich, dass seine Stimme eher für die Erzählperspektive des Ich-Erzählers geeignet ist (etwa in >ÜBER UNS STILLE< war er wirklich die Top Besetzung für diesen Titel) als für dialoglastige Texte, da der Wechsel in verschiedene Tonlagen etwas bemüht klingt.

FAZIT

NACHTBLAUER TOD ist ein Krimi von Klaus-Peter Wolf, der mir wieder sehr gefallen hat. Hier und da ein paar Ecken und Kanten, die eben typisch für den Stil des Autors sind und weswegen ich gerade seine Titel so gerne lese und höre.

Wertung: 4,4 von 5 Liebesbriefe

SaschaSalamander 15.10.2012, 08.47 | (0/0) Kommentare | PL

Schwarz wie Schnee

wilke_schnee_1.jpegAUTORIN

Vor einiger Zeit stolperte ich über >HOLUNDERMOND< von >Jutta Wilke<. Das Buch hat mir außerordentlich gut gefallen, und ich wurde neugierig auf weitere Titel der Autorin. Einige Zeit später erschien >WIE EIN FLÜGELSCHLAG<, ebenso wie das neueste Buch nun ein Jugendroman, allerdings weniger düster und mit mehr kriminalistischen Elementen. >FLORENTINE< ist ein reines Kinderbuch, das mich wieder einmal richtig begeistert hatte. Ich mag es, wie die Autorin ihre Plots erarbeitet und den Leser durch den Roman führt. Sie nimmt ihre Leser ernst und vermag es, ihren Stil dem jeweiligen Genre - ob nun Kinder, Jugend oder All-Ager - anzupassen, ohne sich dabei zu verbiegen. Leichtfüßig bewegt sie sich zwischen den einzelnen Ebenen, schreibt mal humorvoll, mal düster. Ich bin gespannt, welches Genre mich als nächstes erwarten wird.

INHALT


Kira erwacht nach einem Unfall im Krankenhaus. Sie kann sich an nichts erinnern, erkennt nicht ihre Mutter und auch nicht den Klassenkameraden. Niemand außer den beiden besucht sie, viele Freunde schien sie nicht gehabt zu haben. Bald darf sie zurück in ihr altes Leben, doch sie ist unsicher, findet sich nicht zurecht. Warum erinnert sie sich an die "falschen" Dinge, warum fühlt sich ihre Kleidung an wie die einer Fremden, warum kann sie auf einmal Kuchen backen? Immer mehr "Fehler" findet sie, und sie fragt sich, was vor ihrem Unfall tatsächlich passiert sein mag. Der Arzt sagt, es läge an den Medikamenten, die eine Paranoia hervorrufen können, doch Kira spürt, dass es etwas anderes sein muss ...


GENRE

SCHWARZ WIE SCHNEE ist ein Jugendthriller. Bis kurz vor Ende ist es ungewiss, ob er in die dystopische, fantastische oder reale Richtung gehen wird. Sehr viele Mystery-Elemente sind enthalten, die den Leser lange Zeit auf verschiedene Fährten zu locken vermögen. Für mich war vor allem dieser Punkt das, was den Großteil der Spannung ausmachte. Mir fielen viele Szenarien und ähnliche Romane ein, welche eine Erklärung für Kiras Erlebnisse bilden könnten. Ich war froh, dass Jutta Wilke ihren eigenen Weg gewählt hat und nicht den xten Aufguss zweier inzwischen ausgenudelter Themen geboten hatte. Ein Novum ist die Antwort zum Schluss dennoch nicht. Was aber neu ist, das ist die Umsetzung des Themas in düsteren Thrillermomenten, was mir sehr gefiel und eine wirklich gute Idee ist.


CHARAKTERE

Die Handlung wird aus der Sicht der Ich-Erzählerin und Protagonistin Kira geschildert. Es ist vom ersten Moment an möglich, sich in das Mädchen hineinzuversetzen, die Angst und das Gefühl der Bedrohung gehen quasi nahtlos auf den Leser über. Es ist auffällig, wiesehr Kiras Leben und ihre Handlungen, Empfindungen im Konflikt stehen. Sie möchte helle Kleidung tragen, findet jedoch nur düstere Oberteile im Schrank. Nennt ihre Mutter nicht wie zuvor üblich "Mum". Und vor allem: hat keinerlei Bezug zum Rauchen oder gar zu Drogen, obwohl alles in ihrem Leben darauf hindeutet. Der Roman befasst sich also vor allem mit der Frage "wer bin ich" und "wodurch definiert sich mein Leben". Kira ist quasi von heute auf morgen eine scheinbar andere Person, und das passt nicht mit ihrer aktuellen Situation zusammen. Wiesehr wurde sie von ihrer Umwelt geprägt, und was geht tatsächlich von ihr aus? Nature or Nurture, Angeboren oder Erworben, das ist eine der indirekten Kernfragen des Buches und spiegelt sich hervorragend in Kiras Situation.

Andere Figuren werden lediglich aus der beobachten Position der Protagonistin heraus beschrieben. Die zwei wichtigsten Figuren sind die Mutter und Kiras Klassenkamerad Julian. Da Kira sich bedroht fühlt und in vielen Dingen Heimtücke erwartet, traut sie ihnen nicht, und auch der Leser wird mehrfach aufs Glatteis geführt. Was tatsächlich in den beiden vorgeht, bleibt verborgen. Andere Figuren wie die Lehrer, zwei Nachbarsmädchen oder weitere Klassenkameraden werden angerissen, nehmen wichtige Rollen in Kiras Identitätsfindung ein aber werden nur am Rande behandelt. Über sie erfährt man sogut wie gar nichts.


SCHREIBSTIL

Ein Ich-Erzähler ist von Natur aus sehr persönlich und eindringlich. Doch hier wird nicht nur das Innere beschrieben sondern auch das Äußere sehr stark vermindert. Selten ist ein Jugendbuch so intensiv auf das Innenleben eines Charaktes bezogen. Die Handlung spielt zwar eine wichtige Rolle in SCHWARZ WIE SCHNEE, der Großteil des Buches wird aber dennoch von Kiras Erleben getragen. Was wirklich passiert, erfährt man nicht, sodass sehr viele Fragen offenbleiben und auch nach Abschluss nicht geklärt werden. Kira kann ihrem Erleben nicht trauen, Wahn und Wirklichkeit, Erinnerung und Gegenwart prallen unvereinbar aufeinander. Dadurch entsteht für den Leser das Gefühl einer nicht greifbaren Bedrohung, ungewiss ob tatsächlich real oder nur von Kira empfunden. Das Buch liest sich extrem schnell, ist hochspannend, und man kann es vom ersten bis zum letzten Satz kaum aus der Hand legen.

Kira wirkt nach dem Krankenhaus sehr benommen, und entsprechend sind die Sätze im Buch sehr knapp, fast nur Hauptsätze. Abgesehen von der Schlichtheit, die sehr gut Kiras Orientierungslosigkeit widergibt, hat dies vor allem den Effekt der Atemlosigkeit: nicht nur die inhaltliche Spannung, auch der Schreibstil verleitet zum raschen Weiterlesen, "nur noch ein Satz, geht ganz schnell" ...

Jutta Wilke vermag es zudem, in sehr bildhaften Metaphern zu schreiben, ihre Sprache ist wohlklingend und trotz (bzw gerade wegen) der Schlichtheit sehr eindringlich.

Ein kursiv gedruckter Text zwischen einzelnen Kapiteln lässt den Leser im Unklaren, ob hier über Kira gesprochen wird oder eine andere Person. Die stete Frage, was es mit den kurzen Passagen auf sich hat, trägt ebenfalls zur Spannung bei.


AUFBAU

Das Buch beginnt mitten in der Handlung, Kira öffnet die Augen und befindet sich im Krankenhaus, weiß nicht was geschehen ist. Von ihrem Erwachen nach dem Koma hin zum finalen Showdown mit seiner Auflösung erfährt der Leser nun schrittweise immer mehr. Anfängliche Unsicherheit hin zu den ersten Unstimmigkeiten bis hin zu panischer Angst und völliger Desorientierung, sich stetig steigernd und das Lesetempo immer mehr erhöhend, äußerst gelungen.

Was mir bei den Büchern der Autorin immer wieder gefällt, ist der gut ausgefeilte Plot: die Lösung liegt auf der Hand, Hinweise sind von Beginn an vorhanden, und am Ende sagt man "mensch, das war doch sooo klar". Doch die falschen Fährten locken immer wieder in eine andere Richtung, und der Leser darf sich keinen Moment in Sicherheit wiegen. Viele kleine Hinweise liegen in belanglosen Nebensätzen, bieten sich dem Leser ganz offensichtlich an. Jutta Wilke schreibt die Art Bücher, die sich lohnen zweimal zu lesen, einmal zur Spannung und ein zweites Mal, um die Hinweise herauszupicken und sich an der gut aufgebauten Geschichte zu erfreuen.

Inhaltlich lässt sich das Buch für mein Empfinden in drei bzw vier Teile gliedern: die Zeit im Krankenhaus, anschließend die Zeit erst zu Hause und dann in der Öffentlichkeit / Schule, zum Abschluss das Finale. Der zweite (und dritte) Teil nehmen 95 Prozent des Buches ein, für den Anfang und das Ende wurde kaum Raum belassen. Den Anfang hätte man ausbauen können, gerne hätte ich einige zusätzlichen Dinge gelesen, aber das war nicht notwendig. Das Ende allerdings ist sehr, sehr knapp gehalten, lässt extrem viele Fragen des bisherigen Geschehens und der weiteren Entwicklung offen, zack aus vorbei.


EIGENE MEINUNG

Ich fand das Buch sehr spannend zu lesen und habe es aus zeitlichen Gründen zwar nicht in einem Rutsch aber ebenso atemlos gelesen. Immer weiter, immer schneller, voll dabei und mitten im Geschehen. Ich bin froh, dass die Autorin nicht eine andere Lösung wählte und das Ende auf diese Weise umsetzte. Allerdings gibt es etwas, an denen ich mich im Nachhinein doch gestoßen habe. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Für die Zukunft ist mir das egal, denn ich mag offene Enden, die den Leser zum Nachdenken anregen. Doch das Geschehen des Buches mag ich lieber in sich geschlossen und gut erklärt. Gerne hätte ich erfahren, was manche Szenen nicht aus Kiras Sicht darstellten, sondern wie sie sich tatsächlich abgespielt hatten. Wüsste gerne, was es mit einigen Dingen auf sich hatte, hätte gerne mehr über das Lebensfeld und die Sichtweise anderer Charaktere erfahren. Eine weitere Frage, die mich seitdem nicht mehr loslässt, kann ich hier aus Spoilergründen nicht umschreiben, doch die Unschlüssigkeit dieses Punktes schmeckt mir nicht, da fehlt für mich einfach etwas.

Um das Buch objektiv zu bewerten, muss ich aber fair sein: das Buch hat als Ziel, vor allem Kiras Zwiegespaltenheit und ihre Angst, und die Frage nach ihrer Identität, ihrer Entwicklung ist Dreh- und Angelpunkt des Romanes. Alles andere ist nicht relevant und muss daher auch nicht geschildert werden, es wäre ein Bruch mit der Intention und dem Genre. Bereits die intensive Schilderung des Innenlebens zeigt, wie wenig von Belang das ist, was mit den Personen um sie herum geschieht. Auf die Frage, wie man es anders und gar besser hätte machen können, kann ich keine Antwort geben, denn in sich ist der Roman absolut stimmig und hätte nicht anders sein dürfen. Es geht halt nicht immer nach meiner Nase ;-)


FAZIT

SCHWARZ WIE SCHNEE ist ein sprachlich und inhaltlich packender Jugendroman, der bewusst von den gängigen Klischees abweicht und von dem man keinen klassischen Aufbau erwarten darf. Klare Empfehlung für alle, die spannende Unterhaltung lieben.

Wertung: 4,6 von 5 Stoffhasen

SaschaSalamander 09.10.2012, 08.37 | (0/0) Kommentare | PL

Wie man die Ratschläge seiner Eltern ignoriert

INHALT

Marcus ist ein Halbvampir, und gerade jetzt erklären seine Eltern ihm, dass er demnächst zwei "Blutfieber" - Attacken erleiden wird. Deswegen soll er in den nächsten Wochen unbedingt eine Flasche Blut mit sich tragen. Bitte in der rechten Hosentasche, die linke hat nämlich ein Loch! Und dann wäre da noch Marcus´ Klassenkameradin Tallulah, die auf Vampirjagd geht (sie weiß natürlich nicht, dass er ein Halbvampir ist). Um sie zu beschützen, spielt er mit und besucht die ältere Dame, die im Internet vorgab, mehr über die dunklen Wesen zu wissen. Außerdem ist da das junge Halbvampir-Mädchen Gracie, das sich ebenfalls in der Wandlung befindet und dem Marcus auf Bitten seiner Eltern hin ein bisschen Aufmunterung zukommen lassen soll. Und als wäre all das nicht schon genug, vereinbart sein Kumpel auch noch ein Doppeldate mit dem Ziel, Marcus mit der hübschen Julie zu verkuppeln. Na, wenn das mal nicht alles schiefgeht ...


AUTOR, BUCH, GENRE

WIE MAN DIE RATSCHLÄGE SEINER ELTERN IGNORIERT ist der dritte Teil einer Vampir-Reihe, wie ich nun im Nachhinein erfahren habe, steht allerdings komplett für sich und erfordert keinerlei Kenntnisse über die anderen Titel, auch ist es in sich geschlossen und lässt keine weiteren Fragen offen. Im Original heißt das Buch THE VAMPIRE HUNTERS, wurde für Deutschland jedoch in Anlehnung an andere erfolgreiche Titel des Autors (WIE MAN SEINE ELTERN ERZIEHT, WIE MAN IM CHAOS ÜBERLEBT u.a.) umbenannt.

Ein Jugendbuch, und wieder einmal Vampire. Klingt abgedroschen und langweilig, aber >Pete Johnson< ist nicht umsonst so erfolgreich: Er hat erneut ein faszinierendes Buch geschaffen, das sogar ich als Erwachsener kaum beiseite legen konnte.

Was das Buch für mich zu etwas Besonderem macht ist nicht der Humor oder der Vampir-Aspekt, sondern der realistisch geschilderte Alltag des Jugendlichen. Ganz normale Probleme, witzig verpackt und mit dem aktuell beliebten Thema Vampire versehen, das ist genau DIE Mischung, mit der man Lesemuffel wachkitzelt. Denn eigentlich ist dieses Buch ein ganz normales Werk über das, was einen Jungen in Marcus´Alter beschäftigt: die Veränderungen des Körpers und die Unsicherheit gegenüber anderen. Mädchen sind nicht mehr nur doof sondern werden plötzlich interessant. Und obwohl man schon längst groß ist, behandeln einen die Erwachsenen noch immer wie ein Kind und kommandieren einen herum, geben irgendwelche Ratschläge und wissen alles besser. Dabei fühlt man sich, als könnte man Bäume ausreißen und die Welt verändern! Zumindest solange, bis einem der "neue" Körper und die eigene Impulsivität einen Strich durch die Rechnung machen und man sich so richtig blamiert.


CHARAKTERE

Marcus und seine Freunde bieten als Identifikationsfiguren beste Vorlage. Durch Gracie und Tallulah werden auch typische Mädchen-Probleme benannt, und ihre beiden Charaktere bieten abwechslungsreiche Projektionsflächen. Nebenfiguren wie die alte Dame, Marcus´ Eltern, sein Kumpel und der böse Vampir werden dabei aber nicht vernachlässigt. Sehr schön finde ich, dass gut und böse hier von Beginn an nicht überzeichnet werden sondern viel Freiraum für Interpretationen lassen und der Geschichte dadurch sehr viel Spielraum für Entwicklung und spannende Wendungen lässt.


AUFBAU

Die Geschichte beginnt an einem ganz normalen Schultag, als Marcus von seinem bevorstehenden Blutfieber erfährt. Natürlich schlägt er die Warnungen in den Wind, außerdem hat er andere Sorgen. Einige Probleme kündigen sich bereits an, immer steigert sich das Chaos. Das Buch ist sehr gut geplottet, bietet kleine Hinweise auf Kommendes und baut gut aufeinander auf, sogar mich vermochte es zu überraschen. Alltagsprobleme werden geschickt mit der fortlaufenden Handlung um die Suche nach dem Supervampir verbunden.


SPRECHER

Anton Sprick macht seine Sache prima, passt sehr gut zu dem jugendlichen Darsteller und vermag die witzigen Momente gut hervorzuheben, ohne das Buch albern werden zu lassen. 1994 geboren, ist er noch einer von den jungen Sprechern. Ich finde es schön, wenn gerade für Jugend- und Kinderhörbücher bevorzugt frische Stimmen genommen werden. Und es freut mich, wenn ich neue Stimmen für mich entdecke statt immer nur die gleichen bekannten Sprecher zu hören.


FAZIT

WIE MAN DIE RATSCHLÄGE SEINER ELTERN IGNORIERT ist ein pfiffiges Hörbuch für Jugendliche, das mir große Freude bereitet hat und das ich sehr gerne weiterempfehle.


SaschaSalamander 08.10.2012, 08.47 | (0/0) Kommentare | PL

Tripods 00 - Die Ankunft der dreibeinigen Monster

VORAB

1967 schrieb der britische SciFi-Autor >John Christopher< die Trilogie >TRIPODS< (Dt: DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER). 1984 und 1985 wurde die Reihe dann von BBC verfilmt. Es wurde ein riesiger Erfolg, und ich denke, viele Erwachsene meiner Generation können sagen, dass sie mit den Tripoden aufgewachsen sind. Wie gebannt hing ich vor dem Fernseher, habe mich zugleich gegruselt und dabei spannend unterhalten, die Tripoden waren wirklich toll! Viele Jahre danach habe ich versucht, wieder an die Serie heranzukommen, lange war sie nicht erhältlich, seit einiger Zeit gibt es sie auf DVD und als Hörbuch. Die Serie beinhaltet leider nur die ersten beiden Staffeln, der dritte Teil wurde nicht verfilmt, was ich sehr schade finde. Aber gut, dafür gibt es Bücher und Hörbücher. Und sogar ein Prequel: 1988 schrieb Christopher die Vorgeschichte und erzählte, wie die Tripoden die Erde eroberten.


INHALT

Laurie und sein Freund beobachten einen Angriff riesiger dreibeiniger Wesen, doch das Monster ist schnell besiegt, und in der Schule wird alles zu einer Lachnummer abgetan. Ähnliche Angriffe in anderen Ländern werden ebenso schnell abgewehrt. Die Tripoden, wie man sie inzwischen nennt, scheinen harmlos, und bald gibt es sogar eine TV-Sendung, "Die Trippys", in denen diese außerirdischen Herrscher immer wieder als  ungefährlich dargestellt werden. Die Sendung gewinnt immer mehr an Fans, wird zu einem Selbstläufer, auch Lauries Schwester sieht sich die Sendung regelmässig an, bis sie eines Tages regelrecht aggressiv wird, als ihr Bruder die Videoaufzeichnung verpasst. Ein Arzt stellt fest, dass hier mehr im Spiel ist als nur Begeisterung: das Mädchen scheint hypnotisiert zu sein. Und nur so lässt sich erklären, warum der Trippy-Wahn nun immer mehr um sich greift, warum auf den Schulhöfen regelrechte Streits entbrennen und Kinder von zu Hause flüchten und sich in Gruppen organisieren. Auch die Erwachsenen werden nach und nach betroffen. Lauries Familie will in die Schweiz fliehen, doch es ist bereits zu spät, die Tripoden haben das Land bereits erobert. Es scheint keinen Ausweg zu geben ...


AUFBAU

Die Geschichte lässt sich in einige Abschnitte gliedern: der Angriff und die darauffolgenden Tage / Wochen, in denen man von den Tripoden spricht und sie verharmlost werden. Die Ausstrahlung der "Trippys" und die Wirkung auf Kinder, Eskalieren der Situation an der Schule. Danach der Abschnitt, in dem die Tripoden immer mehr Raum im Alltag einnehmen und die Gesellschaft sich in Trippys und die anderen spaltet, bis hin zur Unterdrückung derjenigen Menschen, die nicht den Tripoden anhängen. Zum Schluss die Flucht in die Schweiz und die beschwerliche Reise in die Berge.

Der Aufbau ist leider das, was problematisch ist. Während die drei Hauptteile sehr dicht sind und kontinuierlich in der Handlung voranschreiten, wirkt es, als sei dieser Band nur geschrieben worden, weil der Autor musste. Ein bisschen lieblos scheint es, wenig spannend und an einigen Stellen recht zäh. Das Hörbuch ist gekürzt und dennoch manchmal etwas langatmig, sodass ich mir vorstellen kann, wiesehr das Buch sich an manchen Stellen zieht.

Die Schwierigkeit für den Autor lag wohl besonders darin, dass das Ergebnis ja bereits bekannt ist: die Tripoden übernehmen die Erde. Wie es dazu kam, dass sich die Außerirdischen schrittweise in das Leben der Menschen eingeschlichen haben, das wäre ein sehr guter Stoff für eine Kurzgeschichte gewesen, wurde aber leider viel zu breit erzählt.


SPRECHER, UMSETZUNG

Was die Vorlage an Mängeln mit sich bringt, wurde dafür mit der Umsetzung es Hörbuches wieder wettgemacht. Torsten Michaelis, der bereits die ersten drei Bände las, spricht auch hier wieder. Er ist bekannt als Schauspieler z.B. im Tatort, aber auch als Synchronsprecher für Größen wie Wesley Snipes oder Sean Bean, Hörbuchfreunde kennen ihn auch von Ivo Palas >ELBENTHAL-SAGA<. Er spricht mit ruhiger, gelassener Stimme, unaufdringlich und sympathisch.

Und wie auch in den anderen Bänden wurde wieder die originale Filmmusik inclusive der markanten Geräusche eingespielt, also vielmehr eine inszenierte Lesung denn ein reines Hörbuch. Für Fans ist DAS natürlich der Grund, warum man sich diese CD anhören muss, da kommen Erinnerungen hoch, und man meint einen Film vor sich zu sehen. Ich habe mich jedenfalls riesig gefreut, wannimmer diese Elemente eingespielt wurden ;-)


FAZIT

Einsteigern rate ich unbedingt, die Serie mit der Trilogie zu beginnen. Die Vorgeschichte ist dann ein nettes Extra zum Schluss. Und ich empfehle, die Hörbuchvariante zu hören, denn sie vermittelt einen sehr schönen Eindruck der TV-Serie, ist außerdem etwas gekürzt und damit inhaltlich dichter als das Buch.


Wertung:
2,5 von 5 Kappen für die Story
5 von 5 Kappen für die Umsetzung des Hörbuches
macht 3,75 Kappen für beides zusammen :-)


SaschaSalamander 27.09.2012, 08.48 | (0/0) Kommentare | PL

Vakuum

wagner_vakuum_1.jpgINHALT

Kora ist im Gefängnis und erhält eine seltsame Botschaft. Hannes geht regelmässig auf den Golfplatz und kann nach einem schrecklichen Vorfall seiner besten Freundin nicht mehr in die Augen sehen. Tamara ist adoptiert und will etwas über ihre leibliche Mutter erfahren. Alissa und Leon sind Geschwister, verbunden durch ein tragisches Ereignis, doch dieses Wochenende wollen sie nichts als mit ihren Freunden ein gemütliches Picknick zu veranstalten. Doch um 15.07 geschieht etwas, mit dem keiner von ihnen gerechnet hätte, und plötzlich sind sie alle auf sich allein gestellt. Sie begeben sich auf die Suche, finden einander und versuchen gemeinsam herauszufinden, was geschehen ist und warum das Schicksal gerade sie zusammengeführt hat. Dabei müssen sie sich ihren größten Ängsten stellen und lernen, dass sie nur gemeinsam etwas erreichen werden.


GENRE, THEMEN


Die Autorin verwendet archetypische Symbole, um ihre Geschichte auf einer sehr intimen Ebene zu erzählen. Daher fallen mir sofort einige Filme ein, etwa LANGOLIERS, FLATLINERS, THE FOG, DIE WAND, THE STAND und andere, die mit ähnlichen Elementen spielen und die Urängste der Menschen aufgreifen. Doch statt einen Horrorroman für Erwachsene zu schreiben, richtet sie sich hier an Jugendliche: Identitätsfindung, Ängste und der Umgang mit inneren und äußeren Konflikten. Leser der Zielgruppe werden sich sehr gut in einem oder mehreren der Protagonisten wiederfinden, ja vielleicht sogar mit dem gleichen Problem zu kämpfen haben. Um nicht zu spoilern, kann ich leider die Themen nicht aufgreifen, doch soviel kann ich sagen: die Gesellschaft tabuisiert, und die Menschen glauben daher "stark" sein zu müssen, statt um Hilfe zu bitten, zu weinen, zu trauern oder einfach nur darüber zu reden. Hier wird Jugendlichen Mut gemacht, offen zu sein und die Probleme zu teilen statt mit ihnen alleine zu bleiben. Spannung, Drama, Unterhaltung und eine wichtige Botschaft.

Und was mich schmunzeln lässt: in jedem ihrer Bücher ist versteckt oder direkt ein Genderthema eingebaut, in diesem Fall die beiden Mütter eines Nebencharakters. Ich mag das, dadurch halten diese Themen immer mehr Einzug im Bewusstsein, werden als etwas Alltägliches dargestellt, das gesondert zu benennen gar nicht erforderlich ist und daher nur als Erwähnung am Rande einen Platz erhält. Sehr schön. Danke :-)


SPRACHE

Wie bereits gesagt, greift Wagner besonders auf Symbole (Farben, Objekte, Geräusche, Musik, etc) zurück, die tief im menschlichen Bewusstsein verwurzelt sind. Auch ohne die Gefahr zu benennen, zaubert sie eine Gänsehaut und sorgt für ein Gefühl der Beklemmung, Enge und Angst. Die Orte, an denen sich die Protagonisten befinden, werden greifbar, der Leser fühlt sich inmitten des Geschehens, kann umso intensiver mitfühlen und sich vor allem fragen, wie er selbst in dieser Situation gehandelt hätte.

Ein weiteres Stilmittel neben den Symbolen sind sehr viele Metaphern und Vergleiche. "Die Stille war eine Faust. Sie kam aus der leeren Kantine geschossen und schlug ihr mitten ins Gesicht" (S. 201). Die Sprache ist malerisch und detailreich. Während die Autorin in >UNLAND< und >SCHATTENGESICHT< manchmal etwas versteckt und in >MOTTENLICH< äußerst subtil vorging, ist VAKUUM dagegen sehr direkt, der Leser weiß, woran er ist. Dadurch fehlt ein bisschen von der Leichtigkeit und Interpretationsfreiheit. Andererseits ist das Buch dadurch sehr viel leichter verständlich, was bei einem solch komplexen Thema, wie Wagner es hier aufgreift, kein Nachteil ist. Im Gegenteil werden auf diesem Weg mehr Jugendliche erreicht, eignet sich das Buch sogar als anspruchsvolle aber doch verständliche Schullektüre und stellt die Grundlage für lebhafte Diskussionen.


CHARAKTERE

Die Beschreibung der Charaktere ist eines der wichtigsten Elemente in diesem Buch. Zu Beginn erfährt der Leser kaum einen Hintergrund, wird direkt in die Ist-Situation geworfen und bekommt erst nach und nach eröffnet, was die einzelnen Personen antreibt. Die Frage "was ist es, das ihm / ihr solche Angst macht" bzw "was hat er / sie getan" ist das, worauf ein großer Teil der Spannung aufbaut.

Jeder einzelne von Ihnen hat Schlimmes erlebt. Es stehen viele Schicksale und Lebenswege nebeneinander, sie werden nicht gegeneinander gewertet, keiner hebt sich als besser oder schlechter aus der Masse hervor. Sie alle haben etwas erlebt, mit dem sie nun lernen müssen umzugehen, und da ist es ganz gleich, ob man für seine schreckliche Tat sogar ins Gefägnis musste, oder ob man "nur" nagende Zweifel in sich spürt. Das ist etwas, das ich an den Büchern dieser Autorin sehr mag: man spürt beim Lesen regelrecht, wie sie sich auf ihre Figuren einlässt, ihnen Leben einhaucht, sie liebt, auch wenn sie soviel erleiden mussten. Sie behandelt die Charaktere wie eine Mutter ihr Kind: egal, was es getan hat, es wird geliebt und ist gut, so wie es ist. Der Leser spürt diese Wärme, fühlt sich, wenn er sich mit dieser Figur identifiziert, angenommen und geborgen, soll ebenso wie die Helden dieses Buches lernen sich anzunehmen und selbst zu lieben.
   

AUFBAU

Der Klappentext verrät bereits sehr viel vom Inhalt des Buches, was erst recht spät klar wird. Denn der Aufbau von VAKUUM ist recht ungewöhnlich: die Autorin nimmt sich extrem viel Zeit, ihre Protagonisten einzuführen, widmet jedem zwei bis drei Kapitel. Erst nach ziemlich genau zwei Dritteln werden alle Fäden zusammengeführt. Dadurch ist es kaum möglich, eine Beschreibung vom Kern des Buches zu geben, ohne nicht schon einen großen Teil vorwegzunehmen.

Ich hatte mit einem langen RoadTrip gerechnet, auf dem sie viele Abenteuer erleben, doch das ist nicht der Fall. Statt dessen gibt es ein klares Ziel, eine gemeinsame Richtung, und bis auf einen kurzen Zwischenhalt ist dieses Ziel auch bald erreicht. Das Ende ... nun, das Ende wird einigen Lesern gefallen, die anderen eher enttäuschen. Es ist sehr gut inszeniert und klärt die offenen Fragen, lässt aber dennoch einen Interpretationsspielraum für das, was danach kommt. Wer jedoch Handfestes erwartet, dem wird etwas fehlen, der wird sich etwas abgespeist fühlen. Es geht alles recht schnell, der geübte Leser konnte das Ende bereits erahnen und lehnt sich nun zufrieden zurück. Der Gelegenheitsleser könnte sich fragen, ob das nun etwa alles war. Ja, das war alles.

Dennoch muss ich zugeben, dass der Aufbau das ist, warum ich dem Buch nur fast die volle Punktzahl gebe. Obwohl es von Beginn an sehr spannend ist und man schon nach der ersten Seite gar nicht anders kann als atemlos weiterzulesen, finde ich den Aufbau etwas eigenwillig. Das Verhältnis von Einleitung zu Hauptteil und Schluss fand ich unausgewogen. Zugegeben, mir fiele aber auch keine bessere Lösung ein, denn die Charaktere müssen vorgestellt werden, schließlich ist es genau das, worum es in diesem Buch geht. Man könnte vielleicht einen oder zwei Personen entfernen, das Buch dadurch straffen und den Hauptteil etwas strecken. Doch vielleicht ist die Figur, die für mich am wenigsten interessant war, gerade die Lieblingsrolle eines anderen Lesers?


NOCH ETWAS

Noch etwas, das ich gerne aufgreifen möchte: es ist unglaublich, wie gut die Autorin die Situation Koras im Gefängnis geschildert hat. Ich habe schon viele Bücher zu diesem Thema gelesen, ob nun Fachliteratur, Erfahrungsberichte oder seichte Unterhaltung. Jeder beschreibt auf seine Weise das Leben hinter Gittern, und dabei stechen natürlich die Erfahrungsberichte hervor. Doch was Antje Wagner in VAKUUM gelungen ist, finde ich herausragend. Während Erfahrungsberichte meist die Äußerlichkeiten beschreiben und selten so tief ins Innere gehen (da die Autoren sonst zu viel von sich preisgeben würden) und Romane das Innere nur selten realistisch beschreiben können, dringt dieses Buch bis ins Mark. Schildert das Leben in dieser Parallelwelt auf beeindruckende Weise, geht auf Kleinigkeiten ein, benennt Trigger und malt ein Bild, wie ich es in noch keinem anderen Buch gefunden habe. Ein ganz großes Plus für diese außerordentliche Leistung!


FAZIT

VAKUUM ist ein Buch, das die Probleme Jugendlicher aufgreift und geschickt mit den Ängsten, Sorgen und Befindlichkeiten zu spielen vermag. Die Handlung wird unmittelbar dargestellt, sodass man sich sehr schnell mit den verschiedenen Personen identifizieren kann. Einmal angefangen, konnte ich den Titel nicht mehr aus der Hand legen. Und so kann ich ihn uneingeschränkt allen Jugendlichen als ernsthafte und gleichzeitig spannende Lektüre empfehlen :-)

Wertung: 4,5 von 5 W-förmige Zacken

SaschaSalamander 17.09.2012, 09.10 | (0/0) Kommentare | PL

Barnaby Grimes - Der Fluch des Werwolfs

stewart_grimeswerwolf_150_1.jpgIm Juli 2010 hörte ich BARNABY GRIMES von Paul Stewart. Schon einige Zeit her, die Rezension damals geschrieben aber noch nicht veröffentlicht. Zeit wird´s ;-)

Denn auch wenn es schon über zwei Jahre her ist und ich mich nicht mehr an Details erinnere, habe ich das Hörbuch in sehr guter Erinnerung, ...

***********************

Paul Stewart ist mir bekannt von der Reihe "aberwitzige Abenteuer" und den "Klippenlandchroniken" (absolut genial, gehören zu meinen Top Favoriten). Schon länger war ich scharf auf den Titel "Barnaby Grimes - der Fluch des Werwolfs", und letztens fiel er mir dann endlich auch in die Hände. Mit Genuss begann ich die beiden CDs.

Barnaby Grimes ist Tick-Tack-Junge im alten London, das heißt, er bringt Briefe und Nachrichten so flink als möglich zu ihrem Empfänger. Zeit ist Geld, und die Zeit eilt dahin. Er springt über die Dächer, krabbelt durch engste Winkel und ist einer der geschicktesten Jungs der Gilde. Eines Nachts trifft er auf einen unheimlichen großen Wolf. Bald lernt Barnaby auch den seltsamen Dr. Catwallader kennen: dieser erweist sich als Held der Armen, und gerade ihnen hilft er mit seinem Wunderelixier zu neuer Gesundheit. Doch Barnaby erkennt, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Warum verschwinden die Geheilten kurz nach ihrer Therapie? Woher auf einmal die neue Mode des Westfalen-Pelz? Wie kommen auf einmal so viele Wölfe in die Stadt?

Ein spannendes Abenteuer im Stil der viktorianischen Romane, wie ich sie sosehr liebe. Viel kann ich dazu gar nicht sagen. Mit Twig oder den aberwitzigen Abenteuern hat dieses Buch wenig zu tun, der Humor bzw Stil ist ein anderer. Dennoch ein sehr schönes Buch. Schon das erste Kapitel ist absolut spannend und zeigt dem Leser, was ihn bald erwarten wird. Ich mag den pfiffigen Jungen und seine schrägen Freunde aus der Unterschicht. Obwohl Schuppen-Sally oder der Kutscher nur ganz kurz auftauchen, sind sie bereits sympathisch. Gut und Böse sind hier ganz klar verteilt, die Geschichte ist absolut vorhersehbar. Und doch ist es einfach nur schön zu lesen, ich war am Ende enttäuscht, als es vorbei war.

Das Hörbuch wird vorgetragen von Simon Jäger, der für mich neben anderen Größen wie Stephan Kaminski, David Nathan und Rufus Beck Jugendliteratur grandios vorträgt. Eine Ein-Mann-Show, besser als jedes Hörbuch, ein Mann mit tausend Stimmen. Barnaby Grimes ist zudem unterlegt mit Geräuschen, also kein klassisches Hörbuch, sondern eine sogenannte "inszenierte Lesung". Die Geräusche manchmal recht künstlich, in anderen Momenten jedoch so echt, dass ich mich auf der Straße unterwegs umdrehte, weil ich mich fragte, wo auf einmal Möwen herkommen und ob mich gerade jemand verfolgt und woher diese Kneipenmusik gerade kam?

Für Jugendliche, die spannende Gruselgeschichten und Abenteuer mögen. Für Erwachsene, die gerne Jugendliteratur lesen. Für alle, die einen schrägen Humor haben und sich gerne auf verrückte Ideen einlassen. Ein netter Leckerbissen zwischendurch, eher für den kleinen Appettit als den großen Hunger. Und es macht Lust auf mehr ...

SaschaSalamander 13.09.2012, 20.40 | (0/0) Kommentare | PL

Solange die Nachtigall singt

INHALT

Die Handlung ist sehr komplex und schwer widerzugeben, wenn man nicht zuviel verraten möchte. Deswegen hier nur der Klappentext:

Ein Haus, abgeschieden von der Zivilisation.
Ein Wanderer, der sich verirrt.
Ein Wald mit zu vielen Gräbern.

Völlig unverhofft trifft der achtzehnjährige Jari auf die geheimnisvolle Jascha, deren Schönheit er sich nicht entziehen kann. Er folgt ihr in das abgeschiedene Haus mitten im Wald, wo sie lebt. Und das, obwohl er spürt, dass dieser Ort ein düsteres Geheimnis birgt. Etwas ist geschehen. Etwas, das schrecklicher ist als alles, was Jari sich je hatte ausmalen können. Etwas, das ihn in tödliche Gefahr bringt


GENRE

Inzwischen wissen die Fans der Autorin, dass sie sich auf kein Genre einstellen sollten. Antonia Michaelis ist eine Meisterin darin, die Grenzen der vorgegebenen Erzählmuster und Plotstrukturen aufzubrechen und eigenständige Werke zu erschaffen.

Hier gibt es viele Elemente, die aufgrund ihrer Vielzahl und vermeintlichen Widersprüchlichkeit eine Zuordnung unmöglich machen: ein märchenartiges Setting zu Beginn, ein zahmer Fuchs, das Thema Schönheit, auf den ersten oberflächlichen Blick wirkt dieses Buch wie ein verträumtes Märchen. Doch bald erkennt der Leser, dass hinter der verspielten Fassade der Tod lauert. Spannend wie ein Mystery-Thriller steigt die Spannung an, verursacht Gänsehaut, bietet Sex and Crime, Erotik und Gewalt bis hin zu einem Plot-Twist, der die meisten Leser sehr überraschen dürfte (Vielleser können möglicherweise damit rechnen, ich hatte es an einigen Stellen bereits geahnt, die Hinweise sind versteckt aber vorhanden). Die Hintergrundgeschichte um die entführten Drillinge birgt ein Drama, nach und nach erfährt der Leser, was hinter diesem Erzählstrang steckt und wie er mit der eigentlichen Geschichte zusammenhängt. Michaelis rüttelt an den Tabus ihrer Leser, manches Mal überschreitet sie die Grenze und schreibt sehr gewagte Szenen, welche den Leser verstören und aufrütteln.

Wer SOLANGE DIE NACHTIGALL SINGT liest, muss sich einstellen auf einen psychedlischen Trip voller Verwirrungen und Fallstricke. Am Ende wird zwar alles erklärt, doch nicht jedes Detail wird beantwortet. Wie auch schon in ihren anderen Büchern wird sie mit dem Ende die Leserschaft spalten: die einen finden es unbefriedigend und hätten sich mehr Antworten erhofft. Die anderen finden ihre eigene Interpretation, ihre eigenen Antworten. Ich war begeistert, für mich blieb nichts offen, und die von vielen Rezensenten angesprochenen Lücken kann ich für mich selbst sehr gut füllen und erklären.


CHARAKTERE

Konkret kann ich nur über Jari sprechen, alles andere wäre ein Spoiler. Es tauchen mehrere Personen auf, doch ihre Identität bzw ihre Existenz ist unklar. Traum, Illusion und Realität werden geschickt gemischt. Ich hatte versucht, einen klaren Überblick zu bekommen, indem ich während des Lesens einen Notizzettel hatte, auf dem ich mir die Namen, körperlichen Merkmale, Eigenheiten und Talente der jeweiligen Mädchen notierte. Das war sehr hilfreich, allerdings zweifelte ich immer wieder an meinen Notizen: waren das Logikfehler des Buches, oder hatte ich beim Notieren etwas verwechselt? Ich empfehle Euch, selbst Notizen anzufertigen, Euch von den Fehlern (?) aber nicht verwirren zu lassen, am Ende klärt es sich alles auf. Diese nicht greifbaren Charaktere machen einen großen Reiz in diesem Buch aus, es ist, als läge es dem Leser auf der Zunge, und doch kann er es nicht benennen.

Jari dagegen ist einfach zu beschreiben: er ist Mattis Freund, der Sohn seiner Mutter, Tischler-Lehrling seines Vaters. Über diese Eigenschaften definiert er sich zu Beginn, und seine Selbstfindung ist ein wichtiger Prozess. Denn im Wald gibt es keinen Matti, keine Mutter, keinen Lehrmeister, hier ist Jari nur er selbst. Doch wer oder was ist er? Und was möchte er werden, wenn er so lange im Wald bleibt? Im Trailer (den ich zum Glück erst nach der Lektüre ansah) wird leider bereits gespoilert, wer oder was Jari werden soll. Wer ohne Vorkenntnisse an das Buch herangeht, für den ist die drohende Ahnung gerade zu Beginn ein tragendes Element. Immer wieder gibt es kleine Momente, die darauf hinweisen. Als man es auf Seite 188 endgültig erfährt, wird die bisher nur empfundene Bedrohung plötzlich Realität, wird der verwunschene Märchenwald zu einer tödlichen Gefahr. Und Jari beschreitet diesen Weg offenen Auges, denn er ist nun ein anderer.


HANDLUNGSAUFBAU, ERZÄHLTEMPO

Das Buch besteht aus zwei Handlungssträngen: Jaris Erlebnisse im Wald bilden den Großteil der Erzählung. Dazwischen gibt es immer wieder Einschübe um die drei entführten Schwestern. Im Laufe der Geschichte werden diese beiden Stränge zusammengeführt, bis sie am Ende eine gemeinsame Handlung ergeben und als ein Faden weitergesponnen werden.

Das Erzähltempo ist eher beschaulich. Keine Actionszene, keine hektischen Momente. Langsam, fließend und gemütlich führt die Autorin den Leser in die geheimnisvolle Welt des Waldes ein. Genaugenommen gibt es anfangs keine klare Handlung, eher eine Aneinanderreihung von Szenen und Tagesabläufen. Mal stellen sie Apfelmost her, pflügen den kleinen Acker, musizieren sie, unterhalten sich, machen einen Spaziergang im Wald, hacken Holz und viele anderen alltäglichen Dinge mehr. Dennoch geht es im Buch stets vorwärts, sorgen kleine Andeutungen und Geheimnisse dafür, dass die Spannung konsequent steigt und niemals abbricht. Es gibt keine Längen, kein Wort, kein Absatz ist unnötig, alles bildet eine perfekte Einheit und vervollständigt das Gesamtbild am Ende.


SPRACHE

Antonia Michaelis ist eine Meisterin der zarten Andeutung. Es ist ihr möglich, schockierende Ereignisse in malerische Worte zu verpacken. Ein Tabubruch liest sich so zerbrechlich wie der Flügel der Nachtigallen, so weich wie der dunkle Samt der Kleider, so unschuldig wie der fallende Schnee. Dieser Widerspruch aus Worten und Inhalt ist der verstörende Kontrast, der das neueste Werk zu etwas Besonderem macht. Der Leser wird im Innersten gepackt, kann sich den schmeichelnden Worten nicht entziehen, nichtsahnend blickt er mit weit offenen Augen auf das Geschehen, und umso brutaler entfalten die dargebotenen Bilder ihre Wirkung.

Die Worte sitzen an den richtigen Stellen, sind perfekt gewählt, aus allen verfügbaren Synonymen das jeweils beste. Farben, Gerüche, Gefühle, sie alle haben eine Bedeutung und sorgen sowohl sprachlich als auch inhaltlich für eine dichte Atmosphäre.


ATMOSPHÄRE

Die Atmosphäre des Buches ist anfangs geheimnisvoll, mit Fortschreiten der Handlung wird sie immer bedrückender und beängstigender. Da die Autorin quasi "um die Handlung herum schreibt", nur andeutet statt beim Namen zu  nennen, ist die Bedrohung eher ein Gefühl als eine Gewissheit. Man spürt die Gefahr wie den berühmten Blick im Nacken, kann sie nicht zuordnen, bleibt in Lauerstellung, stets gespannt um vorbereitet zu sein. Wie bei einem guten Horrorfilm: je intensiver man die Handlung beobachtet, desto erschreckender ist ein unerwartet ins Bild springendes Objekt. Dies umzusetzen gelingt ihr mit Worten, wie es nur wenige Autoren vermögen.

SOLANGE DIE NACHTIGALL SINGT strahlt auch eine subtile Erotik aus, geeignet ab 16 Jahren aufgrund der Art der Darstellung, inhaltlich jedoch sehr erwachsen und erschreckend, ja sogar grenzwertig. Eine kleine Zungenspitze lugt zwischen den Lippen hervor, der Finger gleitet vielversprechend über einen Gegenstand, unschuldige Haut blitzt unter der Bluse hervor, Hände ertasten sich ihren Weg, die Silhouetten von Körpern bewegen sich wiegend im Dunkel. Ooh, der Leser hat Gänsehaut pur, teils aus Grusel, teils aus Lust, manchmal auch beides zugleich, und er kann sich nicht dagegen wehren, selbst wenn es ihm unmoralisch erscheint. Er ist eine Marionette, und die Autorin bewegt die Fäden, lässt uns hilflos zappeln und führt uns von einer Szene in die nächste.


FAZIT

Wieder hat Antonia Michaelis ein Meisterwerk erschaffen. Sie entführt uns in einen Wald, wo die Gesetze der Realität außer Kraft gesetzt werden und alles eine neue Bedeutung erhält. Düster, bedrohlich und doch feinsinnig, voller Zauber ist dieses Buch.

Wertung: 100 von 100 Fliegenpilze


SaschaSalamander 11.09.2012, 08.51 | (0/0) Kommentare | PL

Trix Solier 02 - Odyssee im Orient

2010 las ich bereits den ersten Band von TRIX SOLIER, leider habe ich nichts darüber geschrieben. Ein Jugendfantasy, aber im Grunde ein All-Ager, der mit seinem hintergründigen Humor auch Erwachsene begeistert. Autor ist Sergej Lukianenko, den ich mit seinen Werken unterschiedlichster Genres sehr gerne lese. Düstere Fantasy liegt ihm ebenso wie Science-Fiction oder Jugendromane. Man spürt den russischen Witz, und ich liebe es, wie er auf diese Weise ein Bild des modernen Russland vermittelt und dabei dennoch fernab von Raum und Zeit seine Geschichten spinnt, er gehört zu meinen liebsten Vertretern der modernen Fantasy.

Rezensiert habe ich von ihm bisher >WELTENGÄNGER / WELTENTRÄUMER< und >DER HERR DER FINSTERNIS<


Beschreibung des Verlages:

Trix träumt von ruhmreichen Heldentaten – und verbringt seine Lehrzeit mit ordinärer Küchenmagie. Als ihn ein Drache als »Kerlchen« bezeichnet, hat er endgültig die Nase voll. Zeit für ein großes Abenteuer! Im fernen Samarschan lauert der Mineralisierte Prophet und will die ganze Welt unterwerfen. Trix reist in die Wüste und trifft dort nicht nur auf Drachen in Riesenkükenform, fremdbeschleunigte Kamele, Zwerge und einen hinterhältigen Dschinn im Hawaiihemd, sondern auch auf alte Freunde. Zusammen mit Fürstin Tiana, dem gewitzen Klaro und Annette, der rauschkrautsüchtigen Fee, begibt sich Trix auf die Jagd nach dem mächtigsten Wesen der Welt.


Meine Meinung zu diesem Buch:

Trix Solier ist ein Zauberlehrling, der schon im ersten Band viele Abenteuer bestehen musste. Auch der zweite Teil - dieses Mal spielt die Geschichte im Orient - strotzt wieder vor Anspielungen. Literatur (Goethe, Schiller, britische Limericks sowie weitere) wird dieses mal großgeschrieben, trifft Trix doch auf einen Herrscher, der regelrecht vernarrt ist in diese Kunstform. Auch Rätsel kommen in Hülle und Fülle vor, einige der Protagonisten sind ziemlich rätselvernarrt. Natürlich zaubert Trix eine Menge Dinge, die man heute unter schnöden Begriffen wie "Auto" kennt. Ich liebe es, wie Lukianenko Fantasy, Märchen, mittelalterlichen Orient und Okzident sowie die moderne Gegenwart miteinander verknüpft, alle Genres über Bord wirft. Und sich im Gegenteil sogar selbst auf die Schippe nimmt, wenn Trix und seine Freunde überlegen, was in einem typischen Abenteuer nun wohl als nächstes geschehen würde (auch in anderen Werken karikiert er sich gerne selbst). Die Charaktere wachsen dem Leser schnell ans Herz, haben alle ihre Macken und Angewohnheiten, mit denen sie schnell unverwechselbar werden.

Einziger kleiner Kritikpunkt ist für mich (nicht nur hier, sondern bei fast allen seiner Werke): Lukianenko schreibt laaang. Seine Stories sind packend und voller Abenteuer, aber hier und da könnte er gerne etwas kürzer treten. Trotzdem empfinde ich diese Momente nicht als langweilig, da sie zur Atmosphäre beitragen und die Handlung dennoch vorantreiben. Schwer zu erklären, ich versuche es mal so: Die Quest führt von A nach Z, und es gibt viele kleine Zwischenschritte, sonst wäre es ja zu geradlinig und kurz. Lukienanko führt recht viele kleine Stationen ein, sodass die Helden also sehr viele Abenteuer erleben, aber natürlich zögert sich dadurch auch alles hinaus. Ich denke, eine gute Umschreibung ist: "lang, aber nicht langweilig". Man muss Zeit mitbringen und Geduld, aber man wird prima unterhalten. Und man muss bereit sein, dass die Geschichte ziemlich viele Umwege beschreitet.

Wer Fantasy liebt und mal etwas lesen möchte, das abseits der gängigen Klischees und zu erwartenden Handlungsabläufe ein bisschen Abwechslung bietet, der ist hier goldrichtig. Auch Freunde von Pratchett und Co dürften Trix lieben, denn der Humor ist ähnlich schräg.

Und was das Hörbuch betrifft: zu Stefan Kaminski spare ich mir die Worte, er ist einfach toll und macht jedes Hörbuch quasi zum One-Man-Hörspiel, dass man meint eine ganze Riege verschiedener Sprecher vor sich zu haben. Seine Stimme, sein Vortrag, es ist wie immer meisterlich.


SaschaSalamander 10.09.2012, 14.36 | (0/0) Kommentare | PL

Solange die Nachtigall singt

Das Buch liest sich langsam. Im positiven Sinne. Ich spüre es, lasse es wirken, mag nicht eilen sondern bewusst Seite für Seite, Wort für Wort genießen. Es steckt voller Symbole, Andeutungen und Hinweise, von denen ich keinen verpassen möchte. Es strahlt eine dunkle Erotik aus, unschuldig und zugleich erschreckend erwachsen. Es zieht den Leser in eine Finsternis, und doch ist es leichtfüßig, zart und zerbrechlich. Der Leser fühlt sich beobachtet, und doch ist er es, der beobachtet, der Eindringling, der Voyeur, der Fremde. Über allem ein Gefühl von Bedrohung und Gefahr, nicht greifbar. Wie ein Spaziergang im Wald, nachts, alleine. Still, die Nacht sanft und schwer, die Luft leicht und klar, das Licht des Mondes zaubert geheimnisvolle Schatten, diese nicht greifbare Freiheit und zugleich Angst, von der Autorin perfekt eingefangen, mit Worten gemalt.

Der Verlag hat das Buch angekündigt als "Meisterwerk der Märchenerzählerin". Mit solchen Vorschusslorbeeren bin ich immer Vorsichtig. Einige Blogs und Kritiker loben das Buch als "Highlight des Lesejahres 2012". Auch das finde ich im August etwas unfair gegenüber allen bisher noch nicht erschienenen Büchern. Ich bin kein Fan von Superlativen, auch vergleiche ich nicht gerne, wie kann man auch die Qualität von Antonia Michaelis mit der eines Thrillers, einer Romance, eines Unterhaltungsbuches vergleichen, wäre das nicht unfair allen Beteiligten gegenüber? Doch abgesehen davon - ja, dieses Buch begeistert mich, und ich bereue es nicht, dass ich sofort zum Erscheinungstermin sofort in die Stadt gefahren bin und alle anderen Bücher liegengelassen habe.

Das halbe Buch liegt noch vor mir. Ich wünschte, ich hätte es schon gelesen, die Spannung ist nur schwer erträglich, das unbestimmte Gefühl verdichtet sich, ist körperlich beim Lesen spürbar. Und ich wünschte, es würde nie aufhören - es ist die Art Geschichte, bei der man alle beneidet, die den Genuss noch vor sich haben.

Ausnahmsweise gefällt mir übrigens auch der Trailer. Obwohl ich sonst kein Fan von Buchtrailern bin. Doch wie schon im >MÄRCHENERZÄHLER< und >DIE WORTE DER WEISEN KÖNIGIN< beschreibt Michaelis keine fortlaufende Handlung sondern malt die ihre Worte poetisch um die Geschichte herum, das Geschehen ergibt sich aus den Bildern, eher eine Ahnung denn ausgesprochene Klarheit. Diese Bilder wurden in den Trailern der jeweiligen Bücher sehr gut eingefangen, sie vermitteln sehr gut die Atmosphäre, die beim Leser entsteht.

Ebenfalls ungewöhnlich: mir ist egal, wie ein Cover aussieht, in den meisten Fällen hat das sowieso nichts mit dem Buch zu tun. Ich will ein Buch nicht anfassen, brauche kein Relief, kein buntes Bild, von mir aus könnten alle Bücher gleich aussehen (wäre im Regal sogar wesentlich praktischer). Aber bei dieser Autorin gibt man sich ganz besondere Mühe, beide oben genannten Bücher und auch dieses hier sind wirklich prächtig. Die Farben gedeckt, geheimnisvoll, der Schutzumschlag fest und glänzend. Und das Buch ohne Schutzumschlag sieht fast ebenso aus, das Bild das gleiche nur ohne die Andeutung des Menschen, allein die Landschaft. Da ich Bücher stets ohne Schutzumschlag lese, freue ich mich über solche kleinen Bonbons.


Der Klappentext:

Ein Haus, abgeschieden von der Zivilisation.
Ein Wanderer, der sich verirrt.
Ein Wald mit zu vielen Gräbern.

Völlig unverhofft trifft der achtzehnjährige Jari auf die geheimnisvolle Jascha, deren Schönheit er sich nicht entziehen kann. Er folgt ihr in das abgeschiedene Haus mitten im Wald, wo sie lebt. Und das, obwohl er spürt, dass dieser Ort ein düsteres Geheimnis birgt. Etwas ist geschehen. Etwas, das schrecklicher ist als alles, was Jari sich je hatte ausmalen können. Etwas, das ihn in tödliche Gefahr bringt

>Das Lied der Nachtigall< auf der Seite des Verlages downloaden.

SaschaSalamander 01.09.2012, 21.03 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Vollendet

shusterman_vollendet_1.jpegACHTUNG:

Diese Rezension ist Teil einer >Doppelrezension<. VOLLENDET hat sehr viele positive Bewertungen, und ich bin einer der wenigen harschen Kritiker. Aber dieses Buch verdient es, dass man darüber redet, es bietet sehr viel Stoff für Diskussionen. Deswegen also zwei Rezensionen, zwei Meinungen. Ich danke Anette vom Blog >KATZE MIT BUCH< für ihre Rezension.



>Hier< geht es zur Doppelrezension :-)
>Hier< geht es zu Anettes Rezension :-)


AUTOR, BUCH


>Neal Shusterman< ist Autor von Jugendromanen, schreibt auch Drehbücher für Filme und Serien. VOLLENDET erschien als erster Teil einer mehrteiligen Reihe bereits 2007 in Amerika unter dem Titel UNWIND. Im deutschen Buch findet sich keinerlei Hinweis auf die Folgeromane. Ausnahmsweise bin ich darüber allerdings nicht verärgert, denn das Buch kann sehr gut für sich stehen und benötigt keine Fortsetzung.


INHALT

Connor, Risa und Lev sind drei grundverschiedene Jugendliche. Connor hat ständig Ärger am Hals. Risa lebt in einem Waisenhaus und ist talentierte Klaviersolistin. Lev lebt wohlbehütet in einer strenggläubigen Familie. Doch allen drei ist etwas gemeinsam: sie sollen umgewandelt werden. Das heißt: gemäß der Charta des Lebens, die nach dem Heartland-Krieg erlassen wurde, können ihre Eltern bzw Heimleiter bestimmen, dass sie als Organspender komplett verwertet werden. Denn schließlich sterben sie ja nicht - sie leben lediglich in vielen anderen Körpern weiter, so sagt man. Während Lev sein Leben lang als Zehntopfer auf diese Aufgabe vorbereitet wurde und nun mit Stolz seinen letzten Weg antritt, sind Connor und Risa natürlich gar nicht begeistert über die Art ihres geplanten Ablebens. Bei Connors Flucht kreuzen sich die Wege, die drei treffen aufeinander, ein wildes Szenario mit jeder Menge Action nimmt seinen Lauf.


CHARAKTERE

Die Charaktere werden nicht großartig vorgestellt, der Leser wird sofort in die Handlung geschmissen. Man kann es gutheißen, dass der Autor sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält und gleich zum Wesentlichen kommt. Für mich selbst allerdings fehlt hier etwas, denn ich hätte schon gerne gewusst, welchen Ärger Connor seinen Eltern immer wieder machte, auf mich wirkt er im Buch nicht wesentlich schwieriger oder aufmüpfiger als jeder andere typische Jugendliche. Auch später wird nur wenig auf die Charaktere eingegangen. Besonders Lev, der im zweiten Band (noch nicht auf Deutsch erschienen) eine wichtige Rolle einnimmt, erlebt eine drastische Wandlung in seinem Denken und Handeln. Es ist zwar ersichtlich aus den Ereignissen, wird allerdings niemals erwähnt oder geschildert, es ist eben einfach so, plötzlich ist er anders. Charakterentwicklung ist etwas, worauf ich großen Wert lege, und das wurde hier bei allen Figuren leider unterschlagen. In einem Film wäre es okay, als Drehbuch wäre VOLLENDET hervorragend geeignet, in einem Buch wünsche ich mir allerdings intensiveren Einblick in die Köpfe der Hauptrollen.

Die Nebencharaktere (von denen es sehr viele gibt) werden lediglich am Rande gestreift, nehmen vom ersten Moment an sofort ihre Rolle als Good oder Bad Guy ein und sorgen nicht für Überraschungen. Sie sind sehr klar strukturiert.

Auch, wenn ich nicht mehr dem Alter der Zielgruppe entspreche - in vielen Jugendbüchern kann ich mich gut in die Figuren hineinversetzen, fiebere mit ihnen, kann mich mit ihnen identifizieren. Das war hier nicht der Fall. Durch den Schreibstil (mehr dazu im Absatz zur Sprache) und die wenigen Einblicke in die Köpfe der Charaktere fehlte mir der Bezug. Ich litt nicht mit ihnen, ihr Schicksal war mir relativ egal. Es ließ mich leider ziemlich kalt, wenn ihnen schreckliche Dinge widerfuhren, einzelne von ihnen sogar starben, umgewandelt wurden oder verschwanden.


AUFBAU

Das Buch ist in unzählige sehr kurze Kapitel unterteilt, gelegentlich sogar nur zwei oder drei Seiten, selten 10 oder mehr. Überschrift ist jeweils der Name der agierenden Person (die Handlung wird erzählt aus verschiedenen Perspektiven) oder aber der beschriebenen Einrichtung, des vorgestellten Ortes. Durch die vielen Sprünge hatte ich das Gefühl, immer wieder herausgerissen zu werden aus dem Lesefluss, zwar gab es Cliffhanger, aber was nützt der schönste Cliffhanger, wenn ich auf den zwei Seiten zuvor nicht die Chance hatte, mich ausreichend in die Figur hineinzuversetzen, um den spannenden Moment wirklich mitzuempfinden.

Die Geschichte an sich ist sehr geradlinig und direkt, sie führt von A nach B. Gelegentlich verlieren sich die drei Jugendlichen und gehen willentlich oder gezwungen getrennte Wege, doch natürlich wird am Ende alles wieder zusammengeführt. Fast ein Roadmovie, bei dem die Kids imemr wieder auf der Flucht vor dem Staat auf Helfer treffen, die sie verstecken, aber auch auf Menschen, die sie verraten.

Es gibt keine Nebenhandlung, auch mit Überraschungen, Konflikten und Twists ist der Autor sehr sparsam. Konflikte werden sehr schnell erklärt, ungewöhnliche Ereignisse werden sofort aufgelöst.


SPRACHE

Die Handlung wird in der Gegenwart erzählt, eine klare und nüchterne, sachliche Sprache führt dazu, dass der Leser sich von den Figuren und der Geschichte distanziert. Es wird weniger dazu animiert, mitzufiebern, als einfach und klar eine Story erzählt, der Leser ist weniger in den Köpfen der Protagonisten als vielmehr lediglich der Zuschauer eines actionreichen Filmes. An sich nicht schlecht, denn es lässt sich schnell und flüssig lesen, man hat es zügig in einem Rutsch abgeschlossen. Doch das, was Bücher für mich von Filmen abhebt, das was die Faszination Lesen im Vergleich zum Filmsehen ausmacht, das fehlt hier. Für Lesemuffel, die einen Film nach dem anderen sehen und mal zum Lesen animiert werden sollen, ist das also wirklich perfekt, aber für geübte Leseratten, die sich etwas mehr versprechen, ist die Sprache zu einfach gehalten und kratzt zusehr an der Oberfläche.

Es gibt sehr viele Begriffe in der Zukunft, die dem Leser vom ersten Moment an inflationär entgegengeworfen werden: Klatscher, Storchen, Umwandeln, Zehntopfer, Wandler, JuPos und viele mehr. Das ist eine nette Idee, durch die man sich im ersten Moment auch wirklich in eine andere Welt / Zeit versetzt fühlt, doch da sich der fiktionale Charakter inhaltlich und sprachlich auf diese Elemente beschränkt, wirkt es eher aufgepropft und gewollt als Teil eines großen komplexen Ganzen.

Ein Beispiel für das Innenleben der Charaktere, auf das wenig eingegangen wird: "er schämte sich, doch er verspürte keinerlei Gewissensbisse". Das ist eine klare Beschreibung des Gefühls, doch dem Leser wird es zu knapp serviert. Gewissensbisse, Scham, das sind feste Begriffe, das ist erzählen statt zeigen, doch ich bin Fan von "Show, don´t tell", ich will es selbst erleben statt nur erzählt zu bekommen. Ich will lesen, wie ihm das Blut heiß in die Wangen schießt und er den Blick senkt. Aber wie er darauf wartet, dass sich der Magen zusammenkrampft und das Gewissen an ihm nagt, dies jedoch nicht passiert. So aber bleibt es für meinen Geschmack eine trockene Aneinanderreihung von Beschreibungen, wie er sich gerade fühlt.


THEMEN, UMSETZUNG

Die Themen des Buches sind wirklich gelungen, und immer wieder werden verschiedene Aspekte angeschnitten, die weitläufige Denkansätze bieten. Eine Szene gibt es, in der die Jugendlichen über Seele und Leben diskutieren, die ich sehr gelungen finde. Ansonsten allerdings werden die Themen eher nebenbei angeschnitten. Man kann nicht erwarten, dass der Autor Antworten hierauf gibt, das ist klar, doch all diese Dinge eher nur nebenbei zu streifen, das erweckt bei mir den Eindruck, als wolle da jemand möglichst intellektuell und philosophisch wirken, ohne jedoch einen tieferen Hintergrund zu bieten. Bauen wir Dinge ein wie Abtreibung, Kriminalität, Scheidung, Religiösen Wahn, Adoptionsrecht, Ehe zwischen Homosexuellen, Existenz von Seele, Organspende, die Schere Arm-Reich, ein bisschen Kritik am aktuellen Gesundheitssystem - und schwupps habe ich einen Bestseller, über den die Leute reden. Dazu vielleicht noch die Frage, ob Kriminalität angeboren ist oder in den Genen liegt, inwieweit das motorische Gedächtnis einen Teil der Seele beinhalten könnte und ob ein Mensch für die Verbrechen eines anderen bestraft werden kann, wenn dessen Seele bzw Körper ein Teil von ihm wurde.

Schade, schade, das verschenkte Potential dieses Buches ist enorm! Die Themen sind wichtig, und der Autor hat das Talent, fesselnd zu schreiben und Kids zu unterhalten. Er hätte sehr, sehr viel aus dieser Story machen können. Aber einfach nur alle Zutaten in einen Topf zu werfen macht leider keinen guten Eintopf, es braucht auch gute Gewürze und das "gewisse Etwas", sonst bleibt es einfach nur eine Mischung verschiedener Zutaten.

Was hier auch ein bisschen fehlt bei der Umsetzung, das ist die nähere Beschreibung der Zukunft. Wie beim Absatz Sprache schon angedeutet, ist die Welt eigentlich exakt die gleiche wie bei uns, wenn man von ein paar Gesetzen und Fachbegriffen absieht. Es scheint also eine Zukunft zu sein, die allzu weit nicht von unserer Gegenwart entfernt ist. Wie kommt es also, dass die Menschen ihr ethisches Verständnis so grundlegend verändert haben, dass Eltern bereit sind, ihre eigenen Kinder ab dem Alter von 13 quasi rückwirkend abtreiben zu lassen? Dass menschliches Leben so wenig wert ist, dass man lieber ein fremdes Körperteil transplantiert anstatt zu operieren und zu heilen? Es wird erklärt, aber die Gründe sind nicht schlüssig. Es erinnert mich an Salomos Urteil: "wenn beide das Baby wollen - dann werden wir es eben teilen" - das mag als alte Bibelgeschichte funktionieren, aber in VOLLENDET wurde das Baby quasi wirklich geteilt, um beiden Müttern etwas abzugeben, und es ist mir unbegreiflich, wie in wenigen Jahren von heute an auch nur ein einziger vernünftiger Mensch dieser Entscheidung zustimmen konnte. Ich hätte mit dieser Aussage leben können, wenn mehr Hintergründe geschildert worden wären, so jedoch ist es ein Buch, das viele Ideen verpulvert, ohne eine komplexe Geschichte dahinter zu bieten.


PERSÖNLICHE MEINUNG

Es tut mir leid, durchgehend so negativ über das Buch zu schreiben. Denn ich habe es sehr schnell und an sich auch angeregt gelesen. Die Gedanken dahinter, das hat mich sehr gereizt, ich habe mich auch nach der Lektüre intensiv mit dem Buch befasst, wie man dieser Rezension deutlich anmerkt. Und ich habe mich durchweg sehr gut unterhalten. Besonders für Lesemuffel halte ich es geeignet, ich kann mir vorstellen, dass es für Jugendliche eine gute Diskussionsgrundlage bietet, ohne ständig mit dem Zeigefinger zu wedeln. Die vielen positiven Rezensionen bei Amazon zeigen mir, dass das Buch bei der Zielgruppe wohl auch tatsächlich sehr gut ankommt. Nun, es ist wohl wirklich ein reiner Jugendroman, kein All-Ager, und allzu viel Tiefgang, Komplexität oder Hintergrund sollte man nicht erwarten. Ich finde allerdings, dass Jugendliche es verdient haben, mehr als nur oberflächliches Kratzen und rein straight handlungsorientierte Stories geboten zu bekommen.

Ich verstehe, warum so viele Leser positiv überrascht sind und das Buch lobend beschreiben. Und ich möchte auch niemandem den Lesespaß daran vergällen. Aber für mich selbst muss ich sagen, dass ich mir weit mehr von den Themen versprochen hatte. Das Buch ist für mich eine Ansammlung von verschenkten Möglichkeiten.


FAZIT

VOLLENDET ist ein dystopischer Jugendroman, der sich schnell und ohne Schwierigkeiten in einem Rutsch lesen lässt. Kurze Kapitel, eine einfache Sprache, in seiner einfach gestalteten Handlung auch sehr gut geeignet für Lesemuffel, die sich mit spannenden Themen auseinandersetzen möchten. Doch wer sich Tiefgang erhofft, wer mehr über die dargestellte Zukunft erfahren möchte, wer komplexe Charaktere liebt - wer findet, dass Bücher mehr sein sollten als actionreiche Drehbücher - der wird zwar gut unterhalten, ansonsten aber enttäuscht.

Wertung: 3 von 5 Haifisch-Tattoos

SaschaSalamander 21.08.2012, 09.20 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

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