SaschaSalamander

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Lessons in Lack

Viel zu schnell hatte ich dieses Buch beendet. Oder vielleicht war es trotz seiner 366 Seiten viel zu kurz. Ich hätte ewig weiterlesen können! LESSONS IN LACK verkörpert das, was andere Titel bisher versprochen aber nicht geboten hatten.

>Die Autorin< schildert ihre Erfahrungen als "Jungdomina Lady Elvira" im Studio Medea, Baden Würtemberg. Sie hat gerade ihr Studium begonnen und möchte gerne etwas dazuverdienen. Ihrer Neigung entsprechend entschließt sie sich für die Arbeit in einem SM-Studio. Dort entwickelt sie sich von einer Studentin hin zur selbstbewussten jungen Frau, die ihren Weg kennt.

Sie erzählt über die verschiedenen Aspekte ihrer Arbeit, der Vereinbarkeit von Studium und Studio. Der Leser erhält Einblicke in den Alltag einer Domina, lernt die unterschiedlichen Charaktere und Vorstellungen der Mitarbeiter kennen. So verschieden die Wünsche der Kunden sind, so unterscheiden sich auch die Vorgehensweisen der einzelnen Kolleginnen. Und vor allem geht es sehr, sehr menschlich zu, denn auch eine Herrin ist noch immer eine Frau. Dieses Buch kratzt gewaltig am Lack dessen, was der Alltagsmann sich unter einer stets dominanten, unberührbaren Herrin vorstellt, und doch poliert es das Image dieses Gewerbes liebevoll auf.

Ich weiß nun nicht so recht, wo ich anfangen soll, und vielleicht wirkt meine Rezension diesmal ein wenig chaotisch. Aber das ist in Ordnung, denn auch das Buch ist kein geradliniger Verlauf, sondern es schildert verschiedene Abschnitte, die nicht unbedingt immer zusammenhängen müssen sondern einfach nur punktuell ein Thema behandeln. Das gefällt mir, denn so kann man auch ohne Zusammenhang das Buch an jeder Stelle aufschlagen, daraus lesen, vorlesen, sich amüsieren, man wird es danach nicht mehr weglegen. Immer wieder einmal, wenn ich laut lachte oder aufjaulte, (sosehr litt ich mit den Beteiligten mit, nicht vor Schmerz sondern ob der obskuren Situationen), wollte mein Freund wissen, was los sei, ich las ein paar Seiten vor, und wir lachten gemeinsam.

Bei Nora Schwarz sitzt jedes Wort, jede Metapher. Originelle Beschreibungen machen die Situationen so plastisch, als wäre man live dabei. Oft verzog ich qualvoll das Gesicht oder guckte ebenso überrumpelt wie Jungdomina Elvira in diesem Moment. Ungläubigkeit, Staunen, Fassungslosigkeit, Wut, Hilflosigkeit, der Leser wird durch die gesamte Palette an Emotionen geführt und erleidet diese am eigenen Leib, während die Autorin von ihren Erfahrungen erzählt.

Da wäre etwa die erste Probesession mit einer älteren Herrin, die in tiefstem Schwäbisch ihre Anweisungen gibt und von Dominanz eine ganz andere Vorstellung hat als Elvira. Das erste Arbeiten alleine mit der unglücklichen Trans-Nummer von "Rudi" in seinen RosenkohlStiefeln. Das Outing vor den Eltern und ihrer Freundin. Ein ungewöhnliches Arbeiten mit einem Senioren berührte mich sehr, denn eine Domina ist oft auch Psychologin und Krankenschwester. Besonders witzig gelungen ist ein Rollenspiel, in das Lady Elvira ungefragt einfach ohne Ankündigung hineingeworfen wurde. Auch die Vorführung der Chefin, wie eine perfekte Domina sich benehmen müsse, war sehr eindrucksvoll, zeigte sie doch wieder sehr deutlich, wie weit die Wünsche und Vorstellungen manchmal auseinander liegen.

Was mich ein wenig störte ist, dass die Autorin sehr oft abschätzig von Gästen, Kollegen und Chefin redet. Andererseits mit einem solch umwerfenden Charme und so überspitzt, dass man doch den Respekt vor der Verletzlichkeit  und den Sehnsüchten ihrer Gäste erkennen kann. Zudem stellt sie sich auch selbst dem Feuer ihrer Kritik. Mitten in einer Session wölbt sich der Busen über das Korsett, springt Ihr ein Knopf von der Bluse, wird sie überrumpelt von dem dreisten Verhalten eines Gastes, muss sie sich das Lachen verkneifen oder begeht Fehler, die eben passieren, wenn Menschen am Werk sind. Das gefällt mir, zeigt es doch, dass eine Herrin nicht immer perfekt sein muss und auch eine Domina ihr Handwerk schrittweise lernt und selbst nach vielen Jahren danebenliegen kann. Der Leser kann sich einige Male angesprochen fühlen und wird sich hier und da in seiner Einstellung oder seinem Verhalten wiederentdecken.

Inwieweit nun alles realistisch ist, ob und wie Namen verändert wurden und welche der Szenen "dramaturgisch verändert" wurden, das weiß nur die Autorin allein (ich hatte jetzt auch nicht das Bedürfnis zu googeln, wozu?). Aber es ist mir egal, denn ob nun 100 % real oder nicht, ich habe mich hervorragend unterhalten,  das Buch wandert in mein Regal, und ich bin sicher, es ist sehr viel Wahres zwischen diesen Buchdeckeln zu finden.

Ein paar Beispiele ihres Schreibstils gefällig? ;-)

Ich war nicht ernsthaft entsetzt über das, was sie mir gerade erzählt hatte. Dennoch fühlten meine Ohren durch diese wertvollen Ratschläge irgendwie gewaltsam entjungfert an. (S. 74)

Die schenkellangen Stiefel waren nämlich so grün, als wollten sie mich an meinen Kindheitsekel vor Rosenkohl erinnern. Das geradzu quietschende Grün, das da seine Beine einhüllte, führte auch nur bei kurzem Hingucken einen derart heftigen Pigmentkrieg mit den pinken Wänden von Studio zwei, dass meine Netzhaut aufjaulte. (S. 75)

Ihre Stimme ätzte kleine Löcher in die schwarze Lacktapete der Wände. (S. 191)

Von ihr würde ich so wenig über weibliche Dominanz lernen wie von SpongeBob. (S. 198)

Die Schmetterlinge, die gerade noch meine Mageninnenwände mit ihrem Geflatter gestreichelt hatten, sanken nun ohnmächtig nach unten an den tiefsten Punkt meines Magens. (S. 336)

Ein erotisches Buch (prickelnd, spritzig, heiß etc) darf man nicht erwarten. Ebensowenig eine Lebensbeichte im Stil der Belle de Jour oder Fucking Berlin. Auch nicht das Erfolgsrezept einer bekannten Domina wie Princess Spider. Dafür aber einen unterhaltsamer Ausflug hinter die Kulissen eines SM-Studios. Ich empfehle das Buch allen, die das Thema Sexualität nicht ganz so ernst nehmen und auch über sich selbst lachen können :-)

SaschaSalamander 08.06.2011, 09.34 | (0/0) Kommentare | PL

Top Tuesday Debutroman

Die 10 besten Debut-Romane möchte >Alice im Bücherland< von uns wissen. Auweia, das ist ein schweres Thema. Denn manchmal befasse ich mich mit dem Hintergrund eines Autoren, aber nicht immer. Ob ein Titel Erstling oder späteres Werk ist, kann ich in vielen Fällen zwar sagen, sobald ich den Titel höre, aber auf Abruf müsste ich jetzt wirklich lange überlegen. Ich setze diese Woche aus.

Ich freue mich schon, bei den anderen zu stöbern, welche Werke ihnen alles einfielen :-)

Dafür aber werde ich nächste Woche sehr gerne mitmachen: die 10 liebsten Bücherblogger. Eine nette Idee, da werde ich natürlich gerne dabeisein und freue mich, sie Euch vorzustellen. Auch, wenn 10 eventuell knapp wird, denn viele meiner besuchten Blogs sind keine reinen Bücherblogs. Aber da werde ich nicht so pingelig sein ;)

SaschaSalamander 07.06.2011, 19.13 | (0/0) Kommentare | PL

Lessons in Lack

Erster Satz:
Die Domina ist das Massageöl im Getriebe der Gesellschaft.

Letzter Satz:
Stimmt, dachte ich und lächelte still in mich hinein.

(aus: Nora Schwarz: Lessons in Lack: Ullstein 2011)

SaschaSalamander 06.06.2011, 15.30 | (0/0) Kommentare | PL

Changeling

feasey_changeling_1_1.jpgUnd hier eine weitere Fantasyserie mit dem Thema Werwölfe und Vampire. Ich möchte keinem Autor unterstellen, dass er einfach nur auf der Erfolgswelle mitreiten will. Wer weiß, wie lange die Geschichte vielleicht schon vor dem Hype gärte, bis nun endlich die Zeit reif dafür war? Doch mit "Changeling" möchte ich eine Ausnahme machen, denn das Buch fiel bei mir ganz unten durch. Ich muss der Fairness halber sagen, dass ich nur die Audioversion hatte, aber falls das Buch nicht komplett verstümmelt wurde, ...

Der Teenager Trey erfährt nach einer ungewöhnlichen Nacht, dass er ein reinrassiger Werwolf ist, sogar der letzte seiner Art. Und er hat eine Aufgabe, nämlich die geplante Weltherrschaft der Vampire zu vereilten.

Soviel zum Inhalt. Es wird diesmal auch eine sehr, sehr kurze Rezension, da ich im Grunde nicht mehr viel dazu sagen kann. Zum einen, weil es meiner Ansicht nach nicht viel zu sagen gibt, zum anderen weil es schon ein wenig her ist, dass ich das Buch gelesen habe und ich es inzwischen fast komplett vergessen habe. Allein das ist schon eine Aussage, denn in der Regel kann ich mir den Inhalt von Büchern über Jahre hinweg sehr gut einprägen. Changeling dagegen war zu glatt, zu konstruiert, zu klischeebeladen, als dass es sich in irgendeiner Weise aus der Masse hervorgehoben hätte. Eben ganz klassisch: hässliches Entlein im Waisenhaus erfährt von einer besonderen Begabung, findet sich erst nicht zurecht und muss sich zusammenraufen, findet seine erste komplizierte Liebe und hat dann am Ende seinen großen Tag und findet doch noch seine Bestimmung. Zigmal gelesen, gehört, gesehen, da muss man schon mehr bieten um es noch zu etwas Besonderem zu machen.

Das Cover allerdings finde ich grandios, allein deswegen MUSSTE ich das Buch einfach lesen. Es passt auch sehr gut zum Inhalt. Trotzdem, allein das Cover macht eben kein Buch aus ;-)

Jugendliche zwischen 13 und 16 könnten vielleicht begeistert sein, sich hineinversetzen in die Probleme des Erwachsenwerdens und der Selbstfindung und auch ihren Spaß an den witzigen Szenen haben, aber als Erwachsener wird man mit diesem Titel kaum etwas anfangen können. Dazu fehlt es dann doch an Komplexität, Tiefe und Abwechslung.

SaschaSalamander 06.06.2011, 09.25 | (0/0) Kommentare | PL

Statistik KW 22

Gelesen / Gehört
Sonst noch Fragen? (R Yogeshwar)
Fausto (O Dierssen)
Tödliches Begehren (I L Minden)
Endzeit (L Jensen)
Das lesbische Auge 10 (Anthologie)
Das Leben und das Schreiben (S King)
Lessons in Lack (N Schwarz)


Gesehen
/


Geschenkt
/


Getauscht
Mädchenakademie (S Henke)
Holundermond (J Wilkes)
Weapons of Self Destruction (R Williams) (DVD)
Hello Kitty muss sterben (A S Choi)


 Gekauft
/

SaschaSalamander 05.06.2011, 20.18 | (0/0) Kommentare | PL

Ein vielübersetzter Text

Heute wieder ein kleines Bücherrätsel:

Ein berühmter Roman wird eingeleitet mit den Worten, es sei "die deutsche Übersetzung meiner italienischen Fassung einer obskuren neugotisch-französischen Version einer im 17. Jahrhundert gedruckten Ausgabe eines im 14. Jahrhundert von einem deutschen Mönch auf Lateinisch verfassten Textes".

Um welches Buch (und welchen Autor) handelt es sich?

SaschaSalamander 05.06.2011, 09.23 | (4/4) Kommentare (RSS) | PL

Zwei tolle Awards

Da komme ich gerade nach Hause, frisch relaxt vom Stadtstrand, hatte die Füße in den Sand gegraben und ein wenig Stephen King gelesen, dazu ein kühles Bier, gerade mal zwei Stunden war ich weg. Als ich heimkomme, habe ich einen zehnseitigen realen Brief, mehrere tolle Mails und sogar zwei Blogawards im Postfach. Was für ein wunderschöner Fortgang für einen Tag, der mit Wasserschaden in der Küche und einer "Null-Bock" - Stimmung begonnen hatte ;-)

Danke, >ChaosParadies<, für die beiden Awards, ich freue mich sehr! :-) Die Awards sind verbunden mit einer kleinen Aufgabe, die ich hier natürlich gerne erfüllen werde. Und die Intention finde ich klasse!

Award_onelovelyblog.jpeg   


Erstelle einen Post, in dem Du das Award-Bild postest und die Anleitung hineinkopierst  (=dieser Text). Außerdem solltest Du zum Blog der Person verlinken, die Dir den Award verliehen hat und sie per Kommentar in ihrem Blog informieren, dass Du den Award annimmst und ihr den Link deines Award-Posts hinterlassen.

Danach überlegst Du Dir 3- 5 Lieblingsblogs, die du ebenfalls in deinem Post verlinkst & die Besitzer jeweils per Kommentar-Funktion informierst, dass sie getaggt wurden und hier ebenfalls den Link des Posts angibst, in dem die Erklärung steht.

Das Ziel dieser Aktion ist, dass wir unbekannte, gute Blogs ans Licht bringen. Deswegen würde ich Euch bitten, keine Blogs zu posten, die ohnehin schon 3000 Leser haben, sondern talentierte Anfänger & Leute, die zwar schon ne Weile bloggen, aber immer noch nicht so bekannt sind.


Das Weitergeben ist nicht leicht, es gibt viele gute Blogs, die noch zu wenig bekannt sind. Aber ich suche mal fünf heraus, die mir am Herzen liegen. Nicht sauer sein, wenn Deiner nicht dabei ist, mir fallen Entscheidungen immer so schwer ;-)

Ein Filmblog ist darunter, aber ich hoffe, das ist okay, denn es ist einer der Blogs, die ich schon am längsten begeitert lese ...

>Katze mit Buch<
>Verlorene Werke<
>Schmands Welt<
>Zwillingsleiden<
>Hör-Buch-Blog<

SaschaSalamander 04.06.2011, 15.47 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Leseproben

Leseproben. Als Anhang auf den letzten Seiten eines Buches. In der Buchhandlung als kleines Heftchen. Bei Amazon via "Blick ins Buch". Auf Internetseiten der Autoren. Überall gibt es Leseproben.

Sie vermitteln einen Eindruck vom Schreibstil des Autors, sie machen Lust auf mehr, sie helfen bei der Kaufentscheidung, aber sie sind andererseits auch nur ein Appettithaben und wie bei einem Filmtrailer oft nur das Beste und nicht repräsentativ für den Rest des Buches. Außerdem will man ein Buch dann unbedingt haben und dann erscheint es womöglich erst in einigen Wochen, oder man kann es gerade aus anderen Gründen nicht kaufen.

Und weil ein Klick nicht soviel sagt, wie man gerne sagen würde, steht die Kommentarfunktion trotz der Umfrage natürlich jedem frei ;-)


Was denkst Du über Leseproben?

SaschaSalamander 03.06.2011, 19.37 | (4/4) Kommentare (RSS) | PL

Fausto

dierssen_fausto_1.JPGEine Stelle aus Fausto, die inhaltlich nicht zu lang ist und veranschaulicht, wie der Humor des Buches gestrickt ist, möchte ich jedoch gerne kurz zitieren. Ich fand es so bildlich und konnte mich so gut in Joschel hineinversetzen, dass ich richtig mit ihm litt. Es ist schon tragisch, wenn die Mutter ihn plötzlich für hochbegabt hält! Bisher hatte sie sich ja wenig um ihn gekümmert, sie erzieht ihn eher antiautoritäter und ist der Ansicht, er solle sich um sich selbst kümmern. Als sie jedoch von seiner vermeintlichen Begabung erfährt, wird sie richtig fürsorglich und beginnt sogar für ihn zu kochen! Was dabei herauskommt, wenn eine Frau wie Hanne kocht? Voilá:

**************************************

In den nächsten zwei Wochen folgten:
Curryhirse mit angebranntem Wirsin, fleisch- und gewürzlose Linsenbolognese, ein bröseliger veganer Hirsepuffer, Fingerhirse, Kolbenhirse, Perlhirse und normale Hirse in den Farbvarianten rot und gelb, schwarz, weiß und bräunlich-unappetitlich, Kutki- nd Foniohirise gekocht, gedämpft, gesotten, als Ragout, als heißer Salat, mit lauwarmem Büffelkäse, mit kaltem Kichererbsenpüesto oder mit Couscouspürree verrührt und vermatscht. [...]

Im Internet stieß ich nach eingehender Recherche auf einer Vogelzüchterseite auf den Artikel "Tod durch Hirsekolben". [...]

Es hatte nichts geholfen, dass ich Hanne eine gebrauchte Ausgabe von Schmeckt nicht - gibt´s nicht von Tim Mälzer geschenkt hatte. Jemand musste es durch Schmeckt nicht - täglich ersetzt haben. [...]

"Aber Hülsenfrüchte sind gut für die Synpasen, weißt Du?"
Synpasen? Waren das nicht die Häuser, wo die Juden zum Beten hingingen? Echt unlogisch. Typisch Hanne.
"Für Dein Gehirn", erklärte Hanne. "Hülsenfrüchte sind gut für das Gehirn".
Das war es also!
Die bittere, eiweißreiche Wahrheit. [...]
Jetzt reichte es. Das Essen war keine Gabe der Liebe, sondern Treibstoff für einen Hochbegabten. "Das Essen ist nicht für mich, sondern für mein Gehirn?"
"Für die Synpasen." [...]
Ich schob den Teller weg und stand auf.
"Habe ich was Falsches gesagt? Wo gehst Du hin, Joschel?"
"Zu McDonald´s", sagte ich. "Synpapsen töten".
Unten im Hausflur schlug ich meine Stirn langsam gegen die verbeulten Briefkästen, wartete auf den Schmerz und stellte mir vor, wie eine Handvoll zitternde Synpasen den Geist aufgaben.

(aus: Oliver Dierssen: Fausto; Heyne 2011; S. 61 - 63)

SaschaSalamander 03.06.2011, 16.21 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Fausto

dierssen_fausto_1.JPGIch würde jetzt gerne sagen, in welchen Blogs ich von FAUSTO erfahren hatte, aber leider weiß ich das nicht mehr, es ist schon ein wenig her. Jedenfalls kam das Buch danach direkt auf meine Wunschliste, und kurz darauf hielt der pelzige Bücherdämon bei mir Einzug.

Joseph "Joschel" Fittich ist ein normaler Teenager. Er hat fiese Pickel in den unpassendsten Momenten, seine Mutter hat Hobbies wie Lachyoga und kocht bevorzugt Getreidekost, ihre Lebensgefährten geben sich die Klinke in die Hand, sein Vater lässt sich sowieso nie blicken, und der aktuelle Typ von Joschels Mutter spielt sich als neuer Vater auf. In der Schule läuft es auch nicht besser, denn sein Lehrer hat ihn auf dem Kieker, und außerdem ist da noch die süße Canan.

Doch dann findet Joschel zufällig den kleinen Bücherdämon Fausto unter seinem Bett, und Bücherdämonen ernähren sich bevorzugt von fehlerhaften Texten. Da ist er bei unserem jungen Freund gerade richtig! Aber wie der Leser ahnt, hat alles zwei Seiten, und der anfängliche Erfolg in der Schule sowie bei Canan bringt so einige Probleme mit sich. Es ist nicht leicht, als hochbegabt zu gelten!

FAUSTO hat mich ziemlich begeistert. Ich mag den rotzig-frechen Schreibstil. Vor allem sind es keine plumpen Witze, über die man dröge grinsen muss, sondern es ist vielmehr ein cleverer Humor, der sich teilweise auch über mehrere Seiten erstreckt. So wird etwa eine Handlung, ein Geruch, ein Gedanke erwähnt und eine Seite später oder weiter hinten wieder aufgegriffen. Leider ist es nicht möglich, ein Beispiel zu nennen (es würde lange Erklärungen aus dem Zusammenhang erfordern) oder ein Zitat zu bringen (da sich das Verständnis aus dem Kontext von einer oder mehr Seiten ergibt), zu gerne hätte ich Euch an ein paar besonders witzigen Momenten teilhaben lassen. Auch der Running Gag mit Charly, Joschels altem Hamster, gefällt bis zum Schluss.

Der gesamte Stil ist klasse, auch die Beschreibungen und Metaphern sind originell und lustig, ebenso die pointierten Beobachtungen. Menschen werden überspitzt charakerisiert, und man meint sie regelrecht vor sich zu sehen. Hier kann ich dann Beispiele nennen:

"Frau Doktor Rohrbach antwortete nicht, sondern schob sich mit der Zungenspitze das Gebiss zurecht. Als es wieder saß, schenkte sie uns ein Lächeln aus trüber Keramik". (S. 48)

"Hannes Antwort bestand aus einem gezielten yogischen Luftstrahl. Wenn Atemübungen töten könnten, säße meine Mutter längst im Knast". (S. 50)

Die Ideen des Autors finde ich originell und unterhaltsam. Ich meine, wer kommt schon auf die Idee, einen glückskeksabhängigen Bücherdämon zu erschaffen, der vier Augen hat, in einer alten Blumenvase lebt und ins deutsche übersetzte Gebrauchsanweisungen liebt? Auch wie sich die Geschichte entwickelt, gefällt mir sehr. Man freut sich bereits auf die nächste Seite, weil man ahnt, was als nächstes Peinliches passieren wird. Es ist eines der Bücher, bei denen man die Hand vor den Mund hält und hofft, es möge anders kommen als geplant. Aber Dierssen ist unerbittlich, er lässt Joschel an keinem Fettnäpfchen vorübergehen, und wo immer Unordnung und Chaos winken, ist er mittendrin. Er würde ja gerne ein normales Leben führen. Aber mit Hanne als Mutter, JE als Pseudo-Vater, Kattmann als Deutschlehrer, Dörting als Erzgegner und Fausto als höchsteigenem Dämon kann ja nichts klappen! Politisch korrekt ist das Buch ganz sicher nicht in seinem jugendlichen Slang, aber das wäre ja auch langweilig ;-)

Ich denke, ein kleiner Überblick über einzelne Kapitel beschreibt das Buch recht gut:
- Tod durch Hirsekolben
- Die Macht ist schwach in mir
- Schimmel ist schweigsam
- Die Wahrheit ist ein Arschloch

Und auch der Dämonenkodex spricht für sich (und das Buch). Hier ein Auszug:
- Ein Dämon, der ein Lied gesungen,
  wird über dem Abort ausgewrungen.
- Hat der Bücherdämon einen Rechtschreibfehler übersehen,
  entfernt er sich selbstständig ein oder mehrere Zehen.
- Wenn der Dämon sich verplappert,
  wird ihm der Kodex an die Knie getackert.

Ein einziges Manko hatte das Buch für mich: die Handlung ist flüssig erzählt, trotzdem hätte ich es gut gefunden, wenn Dierssen sie etwas gerafft hätte. Denn die Idee ist großartig, erschöpft sich jedoch nach einiger Zeit. Sollte es eine Fortsetzung geben, weiß ich nicht, ob ich sie lesen werde. Es wäre schade, mich wie Fausto an den Glückskeksen daran zu "überfressen". Allerdings ist das meine persönliche Meinung, und ich bin sicher, Jugendliche werden (zu Recht) nicht genug von Joschel und Fausto kriegen.

FAUSTO ist eines der wenigen Bücher, die ich sogar Lesemuffeln empfehle. Man leidet, lacht, fiebert und bangt mit dem Helden und seinem pelzigen Freund und kann es nicht erwarten endlich umzublättern. Joschel und seinen Dämon darf man nicht verpassen!

SaschaSalamander 03.06.2011, 10.00 | (0/0) Kommentare | PL

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