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Thema: Rezensionen Buch

Milliarden-Mike

wappler_mike_1_1.jpgAUTOREN

Mike Wappler ist inzwischen 57. Er ist Betrüger und Hochstapler, und kein kleiner: rund 20 Jahre seines Lebens hat er hinter Gittern verbracht, unter anderem in der berühmten JVA Fuhlsbüttel (Santa Fu). Angedacht war ursprünglich eine Sicherheitsverwahrung, doch kurz zuvor entzog er sich durch Flucht, gerade während der Diskussionen um Neuregelung der SV. Er kann zwar nicht lesen oder schreiben, doch bereits als Kind bekam er Einblick in das Milieu, lernte andere Menschen mit Worten und Lügen (die er selbst als "Geschichtenerzählen" bezeichnet) zu betrügen (er würde sagen "Maß nehmen").

Der Journalist Tim Gutke hat mit ihm nun das Buch MILLIARDEN-MIKE veröffentlicht, in dem er seine Geschichte erzählt. Und es haben sich wohl zwei gefunden, die prima zusammenarbeiten: hier hat man das Gefühl, dass der Journalist die Worte des Betrügers gekonnt umgesetzt hat, sie perfekt in Szene setzte (denn was nützt die spannendste Geschichte, wenn der Schreiber sie nicht umzusetzen vermag). Der Schreibstil Gutkes und die Erzählungen Wapplers - eine kongeniale Mischung, die den Leser anspricht und sofort wirkt.


AUFBAU

Das Buch beginnt mit der Beschreibung von Wapplers Flucht während seines Freigangs. Danach wird seine Geschichte chronologisch von Beginn an erzählt, vom kleinen Bub hin zum heutigen Lebemann mit Porsche, Villa, Rolex, Designerklamotten und einem dicken Bündel Banknoten in der Hosentasche. Dazwischen werden immer wieder einzelne Absätze eingeschoben (optisch gut vom restlichen Text abgegrenzt, sodass man sie auch zwischendurch überfliegen kann). Der frühere Familienanwält, seine aktuelle Anwältin, seine Halbschwester, ein damaliger Weggefährte, sogar "Schneekönig" Ronald Blacky Miehling kommen zu Wort, auch werden Auszüge aus Gerichtsakten und Zeugenvernehmungen eingefügt.

Das führt dazu, dass die Geschichte aus mehreren Blickwinkeln betrachtet werden kann. So hat der Leser nicht nur die beschönigte Variante Wapplers, sondern auch die Stimmen anderer Personen. Der Unterschied fühlt sich manchmal an, als würde man mit einem heftigen Knall auf dem Boden landen. Wappler erzählt von seinen tollen Ansichten und seiner Ehre, und plötzlich liest man, wie die Schwester von seiner Kindheit als Zigeuner erzählt, wie er verhöhnt wurde, dass er selbst in der ersten Klasse überfordert war und in der Schule keine Chance bekam. Er erzählt stolz von seiner durchdachten Flucht. Sie erzählt von der Feier, die extra für ihren Sohn organisiert wurde und bei der auf einmal nur noch die Polizeiaktion und die Flucht im Vordergrund standen. Wenn Milliarden-Mike die Reichen wie Robin Hood abzockt, dann mag vermutlich mancher Leser anerkennend nicken, aber wenn er dem Sohn der Schwester den Ehrentag vermiest, das tut weh, da hat man wenig Verständnis.


UMSETZUNG

Das Buch ist mit Ausnahme der Einschübe anderer Personen durchgehend aus der Sicht des Ich-Erzählers Wappler geschrieben. Die Identifikation mit dem Betrüger fällt, da sie in geschickte Worte gekleidet ist und die Handlungen stets nachvollziehbar dargestellt wurden, erstaunlich (beängstigend) leicht. Ja, Wappler weiß sich in Szene zu setzen, und ich konnte mir sein Auftreten sehr gut vorstellen. Und Gutke weiß ihm das entsprechende Forum für seinen Auftritt zu bieten.

So betont Milliarden-Mike immer wieder seine Ehre. Er habe niemals jemanden Maß genommen, der es nicht verdient hätte. Wer gierig ist, der ist selbst schuld, und einen Milliardär kümmern ein paar Millionen nicht. Einmal nur habe er eine arme Frau um 3000 Euro erleichtert, aber er habe sich sosehr dafür geschämt, dass er sich mit einem Blumenstrauß entschuldigte und ihr statt dessen 4000 Euro zurückgab. Außerdem steht er zu seinen Taten, man muss Verantwortung übernehmen, das hat ihn bereits seine Mutter gelehrt. Mal ehrlich - wem geht bei diesen Worten nicht das Herz auf? Insgesamt ist das Buch sehr emotional geschrieben, offenbart viel über das, was (vorgeblich, wer vermag das zu beurteilen) in Wappler vorgeht.

Über die Gefahren dieses Buches gleich mehr, doch erst einmal das Lob an den Journalisten: es gehört einiges dazu, einen Menschen ins rechte Licht zu rücken, der sogar Sicherungsverwahrung verordnet bekam. Während man als gutbürgerlicher Mensch zu Hause sitzt und sagt "so etwas tut man doch nicht", lässt Gutke den Leser hier statt dessen die Perspektive wechseln. Er zeigt die schillernde Welt des Milieus, die Verlockungen des Reichtums, die dreckige Seite der gierigen Reichen. Er schafft ein Wir-Gefühl mit einem Verbrecher. Beachtliche Leistung und äußerst faszinierend zu lesen.

Es ist gelungen, dem Leser einen Blick hinter die Kulissen zu bieten. Mit Erstaunen liest man, mit welch einfachen Mitteln es möglich ist, ganz ohne Aufwand einen so simplen und doch geschickten Betrug zu organisieren. Es kommt sogar ein wenig Bewunderung auf für den Menschen, der so mühelos solch simplen und doch effektiven Methoden zu entwickeln weiß. In den Zeilen spiegelt sich sehr viel Menschenkenntnis und Gerissenheit, die in diesem Ausmaß absolut beachtlich ist. Und wer kritisch liest, der wird sehr schnell erkennen, weshalb Wappler kein kleiner Betrüger ist, sondern warum man ihm ursprünglich eine Sicherheitsverwahrung andachte.


SCHWIERIGKEIT

Es ist die Aufgabe des Journalisten, aus Sicht Wapplers zu schreiben, und das ist ihm gelungen. Allerdings führt das dazu, dass das Buch sehr kritisch gelesen werden muss. Es verlangt dem Leser eine gewisse Fähigkeit ab, zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden, sich nicht um den Finger wickeln zu lassen.

Es ist enorm, wieviel kognitive Verzerrung in diesem Buch aufgezeigt wird, präsentiert im Brustton der Überzeugung. Bagatellisierung, Schuldverschiebung, Generalisierung, logisch erscheinende Rechtfertigung und weitere. Konsequenzen werden in Kauf genommen oder falsch eingeschätzt.

Mit dem Opfer, welches zuletzt genannt wird, empfindet der Leser kaum Mitleid. Im Gegenteil eher Schadenfreude, und das Gesetz gibt sogar Recht, indem unter anderem im Urteil zu lesen ist: "Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer außerdem berücksichtigt, dass dem Angeklagten seine Taten durch die Leichtgläubigkeit seiner Opfer, insbesondere die des Geschädigten Hubert, leicht gemacht wurden". Und ich gebe zu, während des Lesens habe ich oft mit dem Kopf geschüttelt und konnte nicht glauben, was ich da las (jedoch durch Auszüge aus der Zeugenvernehmung und dem Gerichtsurteil untermauert wurde und somit also tatsächlich stattgefunden zu haben scheint). Dennoch - Unrecht bleibt Unrecht, egal wie gut es verpackt wird.

Gelegentlich scheint es fast, als laute die Moral: "Verbrechen lohnt sich" (brüstet Milliarden-Mike sich gar damit, keinen Cent bisher mit ehrlicher Arbeit verdient zu haben, bezeichnet er das Opfer als Kuh, die gemolken werden will). In den Händen der falschen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen könnte ein Bild entstehen, das absolut schädigend wirkt. Zum Glück aber dürften diese Personen eher selten zu einer Lektüre greifen, sodass ich dieses Buch nicht wirklich als "gefährlich" sehe. Der eigentliche Leser wird wohl klar in der Lage sein, Recht und Unrecht zu entscheiden und die Bagatellisierungen, Schuldverschiebungen etc als solche zu erkennen.

Und eine weitere wichtige Frage: Ist es überhaupt nötig, einem Kriminellen wie ihm eine Platform zu bieten? Nötig - nicht unbedingt. Sollte man es trotzdem tun? Ich finde, warum nicht. Es ist spannend, von anderen Menschen über deren Leben zu erfahren, und man möchte natürlich etwas erfahren, das man selbst nicht kennt aber schon immer mal wissen wollte. In dem Fall befriedigt Herr Wappler also wieder einmal die Gier seiner Opfer, äh, Leser, in diesem Fall die Neu-Gier, die Sensations-Gier. Diesmal aber völlig legal, und es profitieren beide Seiten davon. Warum also nicht? Er kann sich jetzt zumindest nicht mehr brüsten, niemals ehrlich Geld verdient zu haben, denn ein Buch zu veröffentlichen ist mehr als legal ;-)


FAZIT

Ein durch und durch faszinierendes Portrait, das Recht und Unrecht scheinbar auf den Kopf stellt und die Welt aus Sicht eines millionenschweren Hochstaplers zeigt. Spannend zu lesen, voller interessanter Erfahrungen und Einblicke. Allerdings sollte das Buch unbedingt mit kritischem Blick gelesen werden, denn der Journalist versteht ebenso wie der Protagonist, den Leser geschickt auf seine Seite zu ziehen.

SaschaSalamander 27.05.2013, 09.31 | (0/0) Kommentare | PL

Tiere in der Stadt

kegel_tiere_1.jpgVORAB

Wie üblich kurz bei Sachbüchern der Hintergrund, mit dem ich das Buch rezensiere: ich liebe Natur und Tiere, und ich gehe dabei gerne in die Tiefe. Ich habe mich als Jugendliche viel engagiert und eingesetzt, etwa beim Bau verschiedener Biotope, beim Erforschen der heimischen Pflanzen- und Tierwelt, habe viel über Pflanzenbestimmung und verschiedene Tierarten gelernt. Auch heute noch bin ich gerne und viel in der Natur. Und ich möchte nicht nur beobachten, sondern auch verstehen.

Aufgewachsen bin ich "auf dem Land", wo ich mit Tieren einen ganz anderen Umgang hatte als derzeit in der Stadt. Hier in der Großstadt erlebe ich nun andere Tiere, die ich ebenso begeistert beobachte. Und ich bin fasziniert, dass selbst inmitten der Häuser, zwischen all den Straßen und mitten unter den Menschen so viele Tiere zu finden sind. Das Buch TIERE IN DER STADT von Bernhard Kegel berührt also ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt und dem ich täglich sehr viel Aufmerksamkeit widme.


AUFBAU
 
Das Buch ist inhaltlich sehr übersichtlich gegliedert. Es zeigt von Beginn an, dass das Buch sich nicht nur auf Deutschland konzentriert, sondern die Städte auf dem gesamten Globus beleuchtet. Anschließend wird in verschiedenen Etappen beschrieben, wie die Natur in den Städten sich entwickelte, welchen Tieren man begegnet, wie der Mensch sich darin auswirkt. Auch auf historische Aspekte geht der Autor ein sowie das Thema Naturkatastrophen und Natur / Stadt im Wandel der Zeit. Denn um die Natur in den Städten zu verstehen, muss man zuvor auch die Stadt selbst als Habitat verstehen, sodass er hierauf viel Gewicht legt. Bei all den Tierarten widmet er besonders den Vögeln und dem winzigen Insekten und anderen Kleintieren sehr viel Raum.

Es gibt nur sehr wenige Bilder, zum Teil alte Zeichnungen, ansonsten vor allem Statistiken oder um mikroskopisch kleine Tiere im Großen zu zeigen. Sehr oft findet man graue Kästen, die zusätzlich zu dem Fließtext Episoden erzählen. Anekdoten, Info, Trivia, Exkurse.

19 Seiten Literaturangabe der Fußnoten, 17 Seiten Aufzählung der Quellen, 10 Seiten alphabetisches Register und eine Seite mit Bildnachweisen. Mag manchen Lesern recht viel vorkommen, so jedoch funktioniert wissenschaftliches Arbeiten. Man erkennt, dass der Autor sehr intensiv recherchiert hat und vor allem neben älteren Schriften auch auf aktuelle Titel Bezug nimmt und nicht nur Bücher sondern auch wissenschaftliche Artikel, Fachzeitschriften und Zeitungsberichte heranzieht.


UMSETZUNG

Obwohl er das Thema sehr fachlich angeht, schreibt er leicht verständlich und in einem flüssigen Duktus. Es ist eine Freude, sich in das Buch zu vertiefen und Kegels Ausführungen zu lauschen. Gelegentlich bindet er Anekdoten ein, bringt den Leser zum Schmunzeln, lockert den gelegentlich recht sachlichen Text ein wenig auf. Trotz der vielen Fußnoten, Quellen und wissenschaftlichen Untermauerung lässt er das Buch in keinem Moment trocken oder langweilig erscheinen.

Auch die Gliederung in gut erkennbare Absätze und Kapitel sowie die zwischendurch eingeschobenen grauen Infokästen sind sehr hilfreich. Oft vermisse ich in anderen Fachbüchern die Lesbarkeit, etwa wenn Text an Text an Text gereiht ist und das Hirn mit Input zugeschüttet wird ohne das Auge zu entlasten. Hier aber klappt alles bestens. Ob dies Kegel zuzuschreiben ist oder dem Verlag, vermag ich nicht zu beurteilen, in der Aufmachung jedenfalls ist es gelungen, es trotz der Wissenschaftlichkeit leserfreundlich zu präsentieren.


PERSÖNLICHE MEINUNG

Das Buch liest sich wunderbar, und man geht danach tatsächlich mit anderen Augen durch die Stadt. Dennoch war ich ein wenig enttäuscht: gut, im Inhaltsverzeichnis wird schnell klar, dass das Augenmerk auf Vögeln und Insekten sowie der Stadt als solcher liegt. Doch die Vermarktung und auch das Cover lassen eigentlich auf etwas anderes schließen. Ich finde es sehr interessant, wie Städte entstanden sind und sich entwickelten, veränderten. Und Milben, Flöhe, Käfer, Spinnen, Asseln, Wanzen, Zecken, Flöhe, Fliegen, Mücken etc gehören selbstverständlich dazu, wenn man über Tiere in der Stadt schreibt, ebenso die unzähligen Vogelarten.

Die deutliche Konzentration vor allem auf diese Bereiche allerdings fand ich sehr schade. Es ist nicht so, dass ich Säugetiere mag und Insekten nicht (ich gehöre sogar zu denen, die lange fasziniert zusehen wie eine Spinne ihre Beute einwickelt oder sich auf den Waldboden setzen, um eine Ameisenstraße zu beobachten), aber ich hätte mir einfach mehr Gewicht auf den Säugetieren gewünscht. Nicht, weil sie niedlich sind, sondern weil sie für mich das Stadtbild prägen und ich ihnen täglich vielfach begegne. Es ist ja nett, wenn ich mir bewusst werde "ah, in meinem Bett sind soundsoviele Milben", aber es wäre auch schön, wenn ich mehr über die Hasen, Eichhörnchen, Füchse, Fledermäuse, Schmetterlinge, Mäuse, Ratten, Dachse, Marder, Maulwürfe erfahren könnte, die sich zwischen den Häusern tummeln. Darüber liest man jedoch kaum etwas.

Der Klappentext verspricht "nimmt uns mit auf Forschungsreise in die Wildnis vor unserer Haustür", das Cover zeigt einen Fuchs. Das impliziert dann doch etwas komplett anderes als das, was man tatsächlich im Buch las (okay, ein Katzenfloh macht sich nicht gut auf dem Buchcover). Auch ist klar, dass ich global denken muss und mir bewusst sein muss, dass es nicht nur um meine eigene kleine Haustür in meiner Stadt in meinem Bundesland geht. Aber ein wenig mehr Konzentration auf Deutschland und weniger Bezüge auf Paris, London, Warschau, Sidney, New York und Co hätte ich deutlich begrüßt. London 1666 ist einfach nicht "vor meiner Haustür", ebensowenig wie Afrika vor 72.000 Jahren oder Manhatten 1650.


FAZIT

Ein wunerschönes Buch, das dem Leser Natur und Stadt näherbringt. Dank des lockeren Stils kann man dem Autor gut folgen, die Texte sind angenehm aufbereitet und präsentiert. Kegel gelingt die Kunst, komplexes Fachwissen unterhaltsam zu verpacken. Allerdings liegt das Gewicht doch sehr auf Insekten und Vögeln. Wer also mehr über die heimischen Vierbeiner lesen möchte, wird etwas enttäuscht werden. Wer diese Erwartung nicht hegt und eine Vorliebe für mikroskopisches Kelingetier und Vögel hat, wird dagegen begeistert sein.

SaschaSalamander 24.05.2013, 08.59 | (0/0) Kommentare | PL

Was gibts zu sehen

gompertz_Kunst_1.jpgVORAB

Vor einer Rezension über Sachbücher ist der Kontext des Kritikers doch wichtig, um es als Kunde einschätzen zu können. Daher also kurz ein Abriß, warum ich dieses Buch rezensiere: ich liebe Literatur und Musik. Aber Kunst? Die optischen Sachen, das, was ich anfassen und sehen kann und nach ästhetischen oder künsterlischen Gesichtspunkten beurteilen muss? In der Schule habe ich absolut nichts über Kunst gelernt, kenne weder antike noch moderne, unser Schwerpunkt lag auf anderen Fächern. Kunst hat sich mir noch nie wirklich erschlossen, immer wieder bin ich bei meinen Selbststudien gescheitert an Theorie, Fakten, Zahlen und Fachbegriffen. Es erschließt sich mir einfach nicht. Nada. Null. Und das frustriert mich. Ich möchte mehr darüber erfahren. Möchte wissen, worauf ich achten muss, wenn ich ein Bild betrachte. Und ich will wissen, warum so völlig abgefahrene Dinge als Kunst betrachtet werden und warum für ein paar belanglose Gegenstände oder hingeklatschte Farbkleckse und akkurat gezirkelte Linien so viel gezahlt wird. Ich möchte es gerne erfassen und mir die Bilder und Objekte länger betrachten, will darin etwas erkennen. Möchte es verstehen.

Dieses Buch sprach mich in seiner Aufmachung sofort an, es wirkt aufgeschlossen, lebendig und vor allem witzig. "Kunst", das klingt immer so trocken und abgehoben. Vielleicht könnte Will Gompertz es ja tatsächlich schaffen, mir das näherzubringen, was die letzten 35 Jahre komplett an mir vorübergezogen ist ...


ZIEL DES BUCHES

Im Vorwort betont der Autor klar, was ihm wichtig ist: "Mein Ehrgeiz war es, ein faktenreiches und lebendiges Buch zu schreiben; es ist nicht als wissenschaftliches Werk gedacht. Es gibt weder Fußnoten noch lange Quellenverzeichnisse, und manchmal habe ich meiner Fantasie freien Lauf gelassen [...]."

Er spricht also nicht den Kunstkenner an, sondern ganz klar den Laien. Der Laie will keine komplizierte Wissenschaft, dafür aber lebendige Fakten. Was nützen dem Anfänger hunderte Querverweise und Randnotizen, die viel zusehr ablenken und es dann doch wieder verkomplizieren? Wer sich wirklich interessiert, der wird von selbst recherchieren. Dieses Buch soll ein erster Einstieg in die Welt der modernen Kunst sein und dem Interessierten Anregungen bieten, sich aus eigenem Antrieb tiefer mit der Materie zu befassen. Es bietet nur die Basis, diese dafür aber gründlich, mit Humor und jeder Menge Background.


AUFBAU

WAS GIBTS ZU SEHEN beginnt mit einer Übersichtskarte "Moderne Kunst" zum Ausklappen, angelehnt an den Plan der Londoner U-Bahn. Schräge Idee, und sofort beginnt der Leser damit, sich die ganzen Abzweigungen, Überschneidungen, Verknüpfungen anzusehen. Man sucht automatisch nach dem, was man bereits kennt, findet dabei Neues, verweilt in dem Plan, es gibt so viel zu entdecken, das Inhaltsverzeichnis mit dem Streckenplan zu vergleichen, sich über einzelne Linien in dem Plan zu wundern. Damit ist der Einstieg schon sehr gut gelungen: der Leser befasst sich mit der Geschichte der modernen Kunst. Er hat zwar noch nichts gelernt, aber er ist jetzt so richtig neugierig. Idealer Einstieg. Das, was man von sich aus entdecken will, prägt sich einfach besser ein als das, was einem vorgesetzt wird.

Das Buch selbst ist dann gegliedert in einzelne Epochen, jedoch nicht komplett chronologisch, da manches sich überschneidet oder nicht klar einzuordnen ist in den Übergängen. Beim Überfliegen findet man sofort einige Cartoons, die den Text ein wenig auflockern. Außerdem schwarz-weiße Abbildungen von Gemälden, Zeichnungen, Fotografien und Objekten sowie einige Farbseiten. Die Abbildungen sind nicht immer exakt dort zu finden, wo sie im Text erwähnt werden, sodass der Leser oft hin und her blättern muss. Geschickt gemacht, da man auf diese Weise nicht stupide konsumiert und darüber hinwegliest sondern sich die Bilder und den Text dazu gewissermaßen "erarbeiten" muss, sich die Inhalte besser einprägt.


UMSETZUNG

Der Autor gibt sich sehr menschlich, niemals abgehoben und dem Publikum fern. Als Neueinsteiger in Sachen Kunst fühlt man sich schnell überfordert oder ausgeschlossen. Gompertz dagegen nimmt den Leser an die Hand, erzählt Anekdoten, erfindet Geschichten. Er erzählt so von den Künstlern, dass man regelrecht mit ihnen mitfiebert, ob ihre Werke nun anerkannt werden oder auf Ablehnung stoßen, man ärgert sich mit Manet über die blasierten Herren von der Kunstakademie und lacht sich gemeinsam mit Duchamps ins Fäustchen.

Das Buch steckt voller Emotionen, und ich habe mich teilweise mehr hineinversetzt und mich beteiligt gefühlt als in so manchem Roman. Dadurch wird die leblose Farbe an der Wand, werden die gerade angeordneten Ziegelsteine auf dem Boden plötzlich lebendig, sie machen mich betroffen, bringen den Leser zum Lachen, lösen Trauer, Wut, Freude, Fröhlichkeit aus. Und ganz nebenbei werden Fachbegriffe (z.B. Pleinair, Readymade ua) nicht erklärt sondern so eingewoben, dass man sie wie nebenbei liest und verinnerlicht. Man lernt hier, ohne dass man es merkt, und am Ende des Kapitels könnte man den Leser wie einen Schüler abfragen, er wäre selbst erstaunt, was er nun auf einmal alles weiß.


PERSÖNLICHE MEINUNG

Ich fühlte mich als Leser ernst genommen und verstanden. WAS GIBTS ZU SEHEN ist wie ein guter Freund, der sagt "so, ich schleif Dich jetzt einfach mal mit in die Galerie, lass uns Spaß haben". Man ist skeptisch, hat keine Lust, aber dann lässt man sich darauf ein. Und hat tatsächlich Spaß. Der Gegenüber erzählt voller Leidenschaft, die Begeisterung reißt mit. Ich hatte sehr oft das Bedürfnis, sofort nachzuschlagen, weiterzuforschen, mich ans Internet zu setzen und mehr über den Künstler, ein spezielles Bild, eine bestimmte Epoche zu erfahren.

Normalerweise kritzele ich nicht in Büchern herum, dafür habe ich Notizzettel. Es war das erste Mal, dass ich mir wünschte, ich könnte mich dazu aufraffen. SO gerne hätte ich überall etwas unterstrichen, am Rand notiert, mit Leuchtstift hervorgehoben, einzelne Passagen mit Linien verbunden, darin gekritzelt. Das Buch schreit danach, benutzt zu werden, nicht nur stupide im Regal zu stehen. Es verlangt nach Aktion, Mitmachen, Beteiligung, es will mehr als nur gelesen werden.

Auch lese ich Fachbücher normalerweise partiell, suche mir einzelne Kapitel heraus oder lese mal dies und mal das. WAS GIBTS ZU SEHEN ist eines der wenigen Bücher, die ich tatsächlich von vorne bis hinten gelesen habe. Am liebsten hätte ich es nonstop an ein, zwei Tagen verschlungen, so spannend fand ich das Gelesene. Ich musste mich regelrecht zwingen, mir etwas Zeit zwischen den einzelnen Kapiteln zu lassen, um das Gelesene auch zu verarbeiten und erfassen statt einfach nur darüber hinwegzurauschen.

Nie hätte ich gedacht, wieviel Aussage und Statement in einem simplen Pinkelbecken steckt, wie hintersinnig, aufwieglerisch und lustvoll ein scheinbar stinklangweiliges Gemälde sein kann. Gompertz hat mir mit seinem Buch eine völlig neue Perspektive eröffnet, wie ich es keinesfalls erwartet hätte.

Nein, ich habe mir nicht alle Daten, Epochen und deren Vertreter gemerkt. Und noch immer, wenn ich ein Bild sehe, kann ich nicht den Künstler benennen und alles darin sehen, was der Fachmann sieht. Aber ich habe viel dazugelernt. Und ich verstehe nun, warum manches als Kunst gesehen wird und anderes nicht. Ich fühle mich nicht mehr ganz so hilflos und schaffe es nun tatsächlich, Kunst als etwas Lebendiges zu sehen, das mich berührt und etwas in mir auslöst. Das ist weit mehr als ich mir von diesem Buch erhofft hatte.


FAZIT

Das Buch hält mehr, als es sowieso schon verspricht. Es führt Anfänger in die Welt der modernen Kunst ein, schenkt ihnen ebenso unterhaltsame wie auch lehrreiche Stunden. Gompertz macht Lust auf mehr, er fixt den Leser an und bietet einen idealen Einstieg, um dann die Welt der modernen Kunst selbständig zu ergründen.

SaschaSalamander 22.05.2013, 08.37 | (0/0) Kommentare | PL

Elbenthal 02 - Der schwarze Prinz

VORAB

DER SCHWARZE PRINZ ist der zweite Teil der Trilogie ELBENTHAL-SAGA. Also genau das Mittelteil im Sandwich, das oft die Achillesferse der Autoren ist, häufig ein Lückenbüßer, der nicht die Versprechungen des ersten Teils und die Erwartungen des zweiten Teiles erfüllen kann. Ein kritischer Moment, der häufig beweist, ob ein Autor sein Handwerk versteht. Und was hier bewiesen wird: Ivo Pala versteht es meisterlich, den Leser gleichbleibend auf dem Niveau des ersten Bandes zu unterhalten!

Manche Punkte, auf die ich bereits im ersten Band eingegangen bin, möchte ich gar nicht mehr näher ausführen, dies kann man in der Rezension zu >DIE HÜTERIN MIDGARDS< nachlesen. Hier soll es vor allem darum gehen, was mir speziell im zweiten Teil aufgefallen ist.


INHALT

Svenya hat nun also ihr Schicksal als Hüterin von Midgard angenommen und ist bemüht, den Anforderungen ihrer verantwortungsvollen Aufgabe gerecht zu werden. Eine davon ist es, eines der fünf Schwerter des Schicksals ausfindig zu machen. Denn jemand hat es darauf abgesehen, sie alle an sich zu bringen und deren Magie zu wirken. Natürlich gerät Svenya dabei in höchste Gefahr, und sie ahnt nicht, mit welch mächtigem Gegner sie es nun zu tun bekommt ...


CHARAKTERE

Die Charaktere müssen nun nicht mehr vorgestellt werden, man kennt sie aus dem ersten Band. Svenya, Hagen, Alberich, Laurin, Yrr, Liff, Reyja, Raik, Oegis, Lau´Ley, Wargo, Brodhir und all die anderen bekommen hier erneut ihren Auftritt. Der zweite Teil hat oft die Aufgabe, die Charaktere zu vertiefen, die Bindungen untereinander deutlicher zu machen und den Leser noch tiefer in das Geschehen einzuführen. Ivo Pala schafft es, all dies umzusetzen, ohne dass dabei jedoch die Handlung leiden würde. Handlung und Charakterdarstellung sind eins bei ihm, der Leser erhält Einblick in die unterschiedlichsten Aktionen. Doch natürlich sind weiterhin die Motive einzelner Protagonisten unklar, um die Spannung auf die endültige Auflösung aufrecht zu erhalten. Genial, wie der Leser einerseits immer mehr über die Geschichte der Elben und anderen Völker erfährt, ohne dass jedoch die Kernfragen geklärt werden. Immer meint man, die Antwort endlich zu kennen, als sich bereits die nächste Frage eröffnet und man voller Erwartung auf die nächste Seite blättert.


AUFBAU

Die Kapitel sind alle shr kurz und enden wie schon im ersten Band mit einem Cliffhanger. Dadurch entsteht ein Lesefluss, den man kaum unterbrechen möchte. "Nur dieses nächste Kapitel noch, geht ganz schnell", naja, das nächste ist auch nur kurz, und man möchte das Buch gar nicht mehr weglegen, wird stets unter Spannung gehalten.

Der Ablauf des Buches selbst ist ebenfalls flüssig, es gibt keine zu langen Ruhephasen, keine Hänger. Obwohl ich normalerweise ruhigere Bücher bevorzuge, empfinde ich die Action hier jedoch nicht als überzogen und "too much". Die Kampfsequenzen sind so geschrieben, dass man ihnen sehr gut folgen kann. Ich verliere bei anderen Büchern und Filmen häufig den Überblick, wenn zuviel gekämpft wird. Schnell wird es unübersichtlich, und ich überfliege nur noch, bis ich dann das Ergebnis habe (also quasi "wer hat überlebt, wer ist tot, wer ist verletzt"). Ist hier nicht erforderlich, da die Kämpfe sich nicht endlos in die Länge ziehen, stets einen verständlichen Sinn ergeben und vor allem zur Handlung beitragen (was ich bei vielen Verfolgungsjagden und Kämpfen anderer Autoren oft bezweifle, wenn die zigste Explosion zelebriert wird).

Es gelingt Ivo Pala zudem, die Dichte ideal zu halten. Kein Wort zuviel, kein Handlungsfaden unnötig. Dennoch ist es nicht so straff gezogen, dass man sich als Leser überfordert fühlt. Man merkt, er hat eine Geschichte zu erzählen, geht dabei konsequent vor und steuert auf ein Ziel zu. Er hetzt nicht, er bummelt nicht, sein Tempo ist perfekt getimed.


MYTHOLOGIE

Wie schon im ersten Band ist die Mythologie wieder sehr gut recherchiert. Die Darstellung der einzelnen Völker, Legenden, Mythen, die Zusammenhänge untereinander, das wird komplex verwoben und in eine neue Geschichte gepackt. Zwar greift der Autor auf bekannte Inhalte zurück, erschafft daraus jedoch etwas ganz Eigenes, das ich in dieser Form noch nicht gelesen habe.

All die Namen der Schwerter, Elben, Orte, das kann man bei Interesse gerne selbst nachlesen, um die Tragweite der ELBENTHAL-SAGA zu erfassen. Dafür muss man jedoch teilweise recht tief graben, und es dürfte recht lange dauern, sich mit all den Themen auseinanderzusetzen. Als Leser kann man nur erahnen, wieviel Aufwand der Autor in die Geschichte gesteckt hat. Und, einziges Manko des Buches: ich finde, es überfordert den Leser an manchen Stellen: die unzähligen Namen, Epochen, Titel, Zusammenhänge, das würde für ein 10bändiges Epos genügen und ist eigentlich etwas zuviel für eine dreibändige Reihe (ich denke spontan an das Silmarillion von Tolkien, bei dem es ebenso ist. Und wie beim Silmarillion fände ich es hier fast praktisch, wenn der Dreiteiler einen Zusatzband bekäme, der sich mit der Geschichte der Elben befasst, statt es in die reguläre Handlung einzubringen).

Es ist Jugendfantasy, und es lässt sich flüssig lesen. Aber für dieses Genre ist es doch schon sehr anspruchsvoll und verlangt dem Leser einiges ab. Das Buch lässt sich aufgrund des einfachen Stils auch gerne überfliegen und nebenbei lesen. Doch wer die Handlung begreifen möchte, der muss schon sehr genau lesen und bekommt eine Menge nicht immer leicht zu verdauender Happen dargereicht. Dadurch wird die Reihe zu einem All-Ager, der Leseanfänger ebenso wie langjährige Leseratten anspricht. Und ich denke, dass gerade die Neueinsteiger und Lesemuffel durch dieses Buch geweckt werden und Lust auf Mehr bekommen. Und wen ein paar allzu ausführliche Erklärungen stören, der kann die Kapitel ja überblättern ;-)


REIHE

Man sollte, bevor man DER SCHWARZE PRINZ liest, auf jeden Fall DIE HÜTERIN MIDGARDS gelesen haben. Ohne Kenntnis des ersten Bandes ist das Lesen des zweiten nicht möglich, zusehr ist die Handlung aufeinander aufbauend. Allerdings ist die Veröffentlichung des ersten Bandes nun schon einige Zeit her. Im Grunde zu lang, um sich an alles zu erinnern, jedoch zu frisch, um das Buch direkt noch einmal zu lesen. Kein Problem, denn es ist sehr leicht, wieder einzusteigen, selbst wenn man einzelne Elemente schon wieder vergessen hat. Der Autor schafft es, Dinge nebenbei zu eräwhnen, sodass es keine umständlichen Erklärungen gibt, man aber trotzdem ohne Schwierigkeiten den Anschluss findet.


FAZIT

Ein action- und inhaltsreiches Buch, das die Erwartungen nicht nur erfüllt sondern übertrifft. Atemlos folgt der Leser Svenyas Abenteuern, stets auf der Suche nach Antworten, die es aber natürlich erst im dritten Band geben wird ...

Wertung: 9 von 10 unsichtbare Gegner


SaschaSalamander 21.05.2013, 08.36 | (0/0) Kommentare | PL

Pyromantische Affaire

lay_pyromantisch_1.jpgLila rennt zum Bus, sie ist zu spät. Bald soll sie Joe treffen! Und als sie aufeinandertreffen, wird dem Leser schnell klar, dass mehr hinter der Begegnung steckt. Berit arbeitet als Malerin und ist verliebt in Yui, diese scheint nur Augen für ihre Feuerwerksarbeiten zu haben. Doch dann soll Berit ihr eines abends bei den Filmaufnahmen helfen. Und zum Abschluss die Bonusgeschichte "Mr Wonderful", bei der ein unattraktiver Mann seiner Therapeutin davon erzählt, wie belastend es für ihn ist, von Frauen nur als Sexobjekt betrachtet zu werden und keinen Moment Ruhe zu finden vor ihren gierigen Blicken und Aktionen.

Und wieder ein prickelnder Text von Laura Lay, die auch schon >DIE FLAMINGOFRAU< schrieb. Und ebenso wie bei dieser Geschichte bekommt der Leser auch hier jede Menge Sinnliches geboten. Geschlechtsverkehr, Sex und all das, was viele im ersten Moment unter "Erotik" verstehen ist nicht das, worauf Laura sich spezialisiert hat. Sie schreibt wesentlich subtiler, ihre Texte berühren nicht nur den Körper, sondern sie gehen unter die Haut.

Kurz gesagt und passend zum Genre beschrieben: PYROMANTISCHE AFFAIRE liest sich nicht einfach wie ein simpler Akt, sondern wesentlich besser: weiche Lippen neben dem Ohr, wie ein Fingernagel den Nacken entlang, wie eine Federspitze zwischen den Brüsten, ein gehauchter Kuss zwischen den Schenkeln, ein Vibrieren und Zittern, gespannte Erwartung. Und dann, als es intim wird, überlässt sie es dem Leser, die Fantasie fortzuführen. Wer Sex lesen will, ist hier falsch ;-)

Die Geschichte um Lila/Joe und Berit/Yui ist in wechselnden Perspektiven der dritten Person gehalten, Mr Wonderful erzählt aus der Ich-Perspektive. Durch die Sprünge von einem Protagonisten zum anderen gibt es trotz der an sich kurzen Geschichte viele kleine Cliffhanger, einen steten Spannungsbogen.

Geboten wird etwas für Freunde von Frau/Frau wie auch Mann/Frau sowie eine sehr softe Variante von BDSM aus dem Bereich Erziehungsspiele.

Einzig schade, dass die beiden Geschichten, die zusammengehören, zwar verbunden werden, dies aber ein wenig nach Alibi wirkt. Es hätten gut zwei getrennte Stories sein können, dies hätte der Handlung keinen Abbruch getan. Mir wäre es lieber gewesen, Lila/Joe und Berit/Yui hätten ein jeweils eigenes Ende bekommen. Aber das ist es nicht, worauf es hier ankommt, beide Geschichten sind nur kurze Episoden ohne konkreten Anfang und Ende, einfach nur Beobachtungen der vier Personen.

Laura Lay ist eine meiner beiden liebsten erotischen Autorinnen, und ich hoffe, dass wir außer diesen kurzen Geschichten bald mehr von ihr lesen dürfen. Vielleicht sogar ein Buch, ganz im Stil dieser Geschichten? Oder eine Sammlung von Shorties?

Wertung: 4,6 von 5 Mikroröcke

SaschaSalamander 05.04.2013, 09.09 | (0/0) Kommentare | PL

Porterville 05 - Die Akte Tori

porterville05_tori_1.jpgDer fünfte Teil stammt wieder aus der Feder von >Raimon Weber<, der sich in PORTERVILLE bereits für die >erste Folge< verantwortlich zeichnet. Diesmal erzählt der Autor über das Mädchen Tori. Sie ist Mitschülerin von Emily und wird gebeten, für das IFIS die Augen offen zu halten. Man wirft ihr zur Last, dass sie hätte ahnen müssen, was Emily und ihr Freund planten. Nun hat sie die Chance, sich zu bewähren und den Fehler wiedergutzumachen ...

DIE AKTE TORI weist sehr viele Bezüge zu anderen Folgen auf. Nicht, dass irgend ein Rätsel um die Hunde, die Nahrungsversorgung, die geheimnisvollen Fragen, das Draußen, die Greybugs und andere neue Mysterien gelöst würde. Aber vor allem dient dieser Teil dazu, ein neues Licht auf einige der bisher erwähnten Geheimnisse und Besonderheiten zu werfen. Während andere Episoden sehr gut für sich stehen können, ist dieser sehr stark auf die anderen bezogen. Dadurch empfand ich ihn als besonders spannend, ständig gab es kleine "Aha"-Momente, setzte ich neue Puzzlestückchen an ihren Platz. Dieser Teil ist wirklich erst dann spannend, wenn man die anderen kennt, sonst geht ein Stück des Reizes verloren. Sätze wie "Der Bürgermeister ist ein Befürworter von absoluter Gleichberechtigung" entfalten ihre volle Wirkung erst, wenn man eben die entsprechende Vorgeschichte kennt.

Bisher gefielen mir alle Teile sehr gut. Was bei Weber aber ganz besonders ist: mit keiner anderen Figur habe ich sosehr mitgelitten wie mit Emily und Tori. Gut, ich identifiziere mich nicht mit den jungen Mädchen. Aber ich konnte mich sehr gut in deren Gedankenwelt hineinversetzen. "Es ist nur ein Buch, es ist nur ein Buch" - musste ich mir immer wieder klar machen, weil ich mich wirklich ärgerte über die Manipulation der Kinder und Jugendlichen in Porterville!

Die Mechanismen, mit denen gearbeitet wird, sind heftig, stellenweise erinnerten sie mich an das Buch DIE WELLE, respektive natürlich die Methoden zu Zeiten des Dritten Reiches. War mir die IFIS bisher schon unsympathisch, so zeigt sich hier zum ersten Mal so richtig das Ausmaß der Überwachung und Kontrolle der Stadt und des Bürgermeisters. Wenn es bisher eine Folge gab, in die ich mich richtig hätte hineinsteigern können, dann diese! Junge Mädchen, voller Hoffnung, voller Elan, so intelligent und motiviert, und all das Potential schamlos ausgenutzt und in solche Bahnen gelenkt, das tat mir richtig weh zu lesen.

Hm, das ist weniger eine Rezension denn eher ein "wie ging es mir beim Lesen". Aber ich denke, das zeigt deutlich, mit welcher Intensität der Autor der Autor die Geschichte vorantreibt. Es ist anders wirklich kaum möglich, diese Folge zu rezensieren, weil jedes Wort zuviel verraten würde. Worum es tatsächlich geht, was geschicht und wie die Geschichte aufgebaut ist, kann ich leider nicht erzählen ...

Einen bisher liebsten Teil habe ich nicht. Jeder hatte seinen Reiz, seine Eigenheiten. Irgendwie habe ich nach dem Lesen immer das Gefühl "das jetzt war das bisher Beste". So wird es jetzt wohl noch eine zeitlang weitergehen. Demnächst im April mit VOR DEN TOREN und im Mai mit GÖTTERDÄMMERUNG. Bis dahin heißt es Nägelkauen und die Zeit irgendwie anders rumkriegen ;-)

SaschaSalamander 22.03.2013, 09.00 | (0/0) Kommentare | PL

Jesus von Nazaret - Buch

prinz_jesus02_1.jpgDas Hörbuch >JESUS VON NAZARET< habe ich bereits gehört. Es gefiel mir sehr gut, weil es die historische Person Jesu sehr gut beleuchtet und auch Jugendlichen zugänglich macht, ohne dabei missionieren zu wollen oder die Religion zu kritisieren. Relativ wertneutral werden auf unterschiedliche Weise sein Leben, sein Wirken und sein politisches sowie soziales Umfeld beschrieben. Das Hörbuch ist jedoch gekürzt, und einige Fragen blieben mir unbeantwortet. Besonders die Frage nach den jeweiligen Quellen für einzelne Aussagen sind im Hörbuch ungeklärt. Mir ist bei Sachbüchern jedoch wichtig, auch die Hintergründe zu verstehen und zu sehen, auf wen oder was der Autor sich in seiner Argumentation bezieht.

Daher habe ich nun auch das Buch dazu gelesen und möchte beides gerne vergleichen:

Auf der CD sind exakt alle Kapitel enthalten, wie man sie auch im Buch findet. Gekürzt wurden also einzelne Abschnitte und Passagen, die für das Gesamtverständnis nicht relevant sind, lediglich kleine Exkurse bieten. Auch wurden manche Sätze leicht abgewandelt, sodass diese sich in kürzerer Zeit vortragen lassen (für sich pro Satz sind das nur ein paar Sekunden, auf ein gesamtes Hörbuch macht das aber sehr viele Minuten).

Was mir gefehlt hatte im Buch, fand ich tatsächlich sofort in der Printversion. Stellenweise war es jedoch nur in kurzen Sätzen erwähnt (wenn auch sehr aussagekräftig, sodass mehr Erklärung gar nicht erforderlich gewesen wäre). Entweder, ich habe es im Hörbuch verpasst (was gut möglich ist, wenn man kurz abgelenkt ist beim Hören), oder es wurde ausgelassen. Allerdings ist es bei dieser Informationsfülle, wie man sie im Buch findet, erstaunlich, wie gut man es als Hörbuch umgesetzt hat, ohne das Gefühl von "fehlt was" zu erzeugen.

Ein Beispiel für eine Szene, die mir im Hörbuch persönlich zu kurz war, die im Buch wesentlich ausführlicher ist: CD 2, Track 13 bzw im Buch auf S. 143 ff behandelt der Autor das Wunder der Speisung der 5000 mit fünf Broten und zwei Fischen. Im Hörbuch geht man kurz darauf ein, dass eine rein natürliche Deutung recht platt ist, das Berufen auf ein "Wunder" allerdings ebenfalls Gefahren in sich birgt. Dann geht man direkt über zu Jesus und dazu, wieso er nicht gerne Wunder vollbrachte. Ich fand es jedoch etwas knapp, denn der Ansatz "auch die übernatürliche Erklärung birgt eine Gefahr" klang zu interessant, als dass ich mich mit diesem kurzen Satz zufriedengeben wollte. Ein Blick ins Buch - hier wurde tatsächlich eine komplette Seite gekürzt. Inhalt ist eine Stellungnahme Dietrich Bonhoeffers dazu, wie Gott als Lückenbüßer für unerklärliche Dinge in der immer wissenschaftlicher werdenden Welt verdrängt und Religion auf diese Weise degradiert wird. Hochinteressanter Gedanke! Hätte ich allerdings das Buch kürzen müssen, hätte ich diese Passage wohl auch weggelassen, ist es doch nur ein Exkurs, kein Vertiefen des Lebens Jesu.

Im Hörbuch kann man nicht hinter jedem Satz eine Bibelstelle vorlesen lassen. Im Buch dagegen stehen nach jedem Bezug auf eine Passage der Biblischen Geschichte die entsprechenden Verweise, sodass man gut nachschlagen und vergleichen kann. Fußnoten im Textfluss gibt es nicht, dafür jedoch sehr viele Verweise auf das Quellenverzeichnis im Anhang. Zu Beginn des Buches steht auch erwähnt, auf welche Übersetzung der Autor zurückgreift und woran die Schreibung der Ortsnamen sich orientiert (was ich sehr interessant fand, denn über die Eigen- und Ortsnamen bin ich im Hörbuch einige Male gestolpert, da mir diese so nicht bekannt waren). Der Autor greift auch auf Zeitungen und (selten) Internet zurück. Bei seiner Literatur greift er gelegentlich auf recht alte Titel (teils um 1960) zurück, was gerade bei diesem historischen Thema jedoch in Ordnung ist. Zudem bezieht er sich auf sehr viele aktuellen Titel bis 2012.

Es gibt für den Leser ein Quellenverzeichnis, wo man gezielt nach den gewünschten Informationen suchen kann. Außerdem ein Literaturverzeichnis, in dem die für das Buch zugrundeliegenden Materialien thematisch sortiert und sehr übersichtlich gehalten sind.  

Zusammenfassend: wer eine Übersicht über das Leben und Wirken Jesu sucht, ist mit dem Hörbuch hervorragend bedient. Vor allem Jugendlichen würde ich eher das Hörbuch empfehlen. Erwachsenen oder interessierten Jugendlichen, die das Thema gerne etwas vertiefen möchten, sollten aber zum Buch greifen, welches sich sehr gut als Grundlage für weitere Recherchen anbietet.

SaschaSalamander 20.03.2013, 09.19 | (0/0) Kommentare | PL

Tender - Obst

slater_obst_1.jpgVORAB

Wenn ich eine Rezension zu einem Fachbuch lese, finde ich es wichtig, den Rezensenten zu kennen: Laie? Interessierter? Fachkundiger? Mit welcher Intention las er das Buch? Daher für Neugierige mein Bezug zu diesem Buch: Ich liebe kochen und verbringe pro Woche viele Stunden in der Küche. Mir geht es vor allem darum, zu experimentieren. Und ich koche das, worauf ich gerade Lust habe, denn Kochen ist Sinnesfreude, und kein stures Rezept auf dem Papier. Kochbücher habe ich noch nie befolgt. Aber ich habe unzählige davon im Schrank, weil ich mich von den Zutaten und Bildern inspirieren lasse zu eigenen Kreationen. Wenn ich fünf Mal das gleiche Rezept koche - schmeckt es jedes Mal anders. Wenn sich mein Mann wieder beschwert, dass es anders schmeckt als das letzte Mal, zitiere ich zukünftig Slater: "Ein wichtiger Teil des bis in die Zehenspitzen freudemachenden Kochens ist das ständige Optimieren eines geliebten Rezepts" (S. 55).

Dieses Buch reizte mich aufgrund des Autors, denn Nigel Slater ist ein bekannter britischer Koch und Food-Journalist. Hierzulange ist er leider nicht allzu bekannt, was sich hoffentlich bald ändern wird. Ich wurde auf ihn aufmerksam, als ich den ungewöhnlichen Film >TOAST< sah.


ÄUßERLICHKEITEN

Das Buch wiegt stolze 1,9 kg. Man kann es also schon einmal nicht nebenbei in der Hand halten, während man im Topf umrührt ;-)

Der Umschlag ist sehr edel gestaltet, statt eines Schutzumschlages hat das Buch eine Art "Schärpe", die halbseitig über die Front gelegt ist. Man kann sie beiseite schieben, darunter ist der Einband in Stoff gebunden und mit einem kleinen Text bedruckt. Die Idee finde ich sehr originell und chic, leider aber auch etwas unpraktisch. Denn beim Lesen schiebt sich die Schärpe hin und her, ich habe regelmässig Angst, sie zu beschädigen. Sie abzumachen beim Lesen ist eine gute Idee, nur ist das anschließende Wiederbefestigen eine umständliche Fitzelei. Von daher eine sehr schöne Idee in leider etwas ungünstiger Ausführung. Aber das Cover ist nichts, das bei mir in die Bewertung einfließt, es gibt für mich Wichtigeres am Buch ;-)


OBST

Nach der Einleitung folgen 23 Kapitel speziell den jeweiligen Obstsorten gewidmet, dann ein Kapitel mit gemischtem Obst sowie ein Register zu den einzelnen Zutaten. Der Autor schreibt nur von den Obstsorten und auch Nüsse, welche er in seinem Garten hat und die auch in England wachsen. Wer also einen generellen Überblick über alle möglichen exotischen Früchte von Ananas über Banane, Kokosnuss und Zitrone erhofft, ist hier falsch. Das gefällt mir, denn vor zuviel Globalisierung übersieht man manchmal die Schätze, die vor der eigenen Tür liegen. Stachelbeeren, Holunder, Pflaumen, alles direkt aus Omas Garten, da werden Kindheitserinnerungen wach!

Ein Kapitel beginnt damit, wie er seine persönlichen Gefühle bezüglich des Obstes schildert. Von der Freude und Leidenschaft der Frucht, der jeweilige Reiz für ihn: etwa die Vernunft des Apfels, die Sinnlichkeit der Feige, die Vergänglichkeit der Birne, das Zelebrieren der perfekten Pflaume.

Danach sind die Kapitel unterschiedlich aufgebaut, abhängig davon, was und wieviel er zu der gerade behandelten Frucht sagen möchte. Aber allgemein kann man sagen, dass danach ein kurzer Abschnitt über den Garten folgt (welche Besonderheiten im Anbau), die Küche (worauf muss man bei der Zubereitung achten), Auflistung einiger Sorten, Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Lebensmitteln, Rezepte, ein paar Anregungen für Rezeptkreationen und schnelle Ideen zwischendurch.

Zu den Obstsorten - ich war überrascht! Ehrlich, ich wusste, dass es immer mehrere Sorten gibt. Aber irgendwie ... naja, eine Aprikose ist eine Aprikose, eine Feige eine Feige, ich habe da im Supermarkt noch nie darauf geachtet. Er beschreibt 13 verschiedene Feigen, 12 Pflaumen, sieben Sorten Johannisbeeren, und so weiter. Das zeigt mir, wie wichtig es eigentlich ist, sich einmal auf das "vor der eigenen Tür" zu konzentrieren, statt immer nur nach neuen exotischen Genüssen zu suchen.

Es mag ein Kochbuch, ein Sachbuch sein, aber es ist auch unglaublich persönlich und intensiv, das macht es zu etwas Besonderem. Seit das Buch bei mir zu Hause ist, habe ich täglich darin geblättert. Immer wollte ich nur kurz etwas nachsehen, doch dann blieb ich hängen und las mehrere Seiten, konnte nicht mehr aufhören. TENDER - OBST bietet nicht nur Rezepte, sondern auch Anregungen und Ideen, und genau das suche ich.

Gerade heute, wo man im Winter Erdbeeren kaufen kann oder mitten in Deutschland überall Kiwi und Bananen erhält (nichts dagegen, ich freue mich über die Vielfalt und die Möglichkeiten), halte ich es für wichtig, nicht die Ursprünge zu vergessen. Wenn man heute jemanden fragt, wann welches Obst geerntet wird oder ob eine Frucht am Strauch oder einem Baum wächst, ja ob es überhaupt in Deutschland angepflanzt wird oder aus dem Ausland stammt - müssen sehr viele kapitulieren (ich nehme mich in manchen Fällen leider nicht aus). Slater weckt die Lust am Do-It-Yourself, und noch nie habe ich es sosehr bedauert, keinen eigenen Garten zu besitzen. Die Früchte werden dem Leser hier nähergebracht, als wären es Protagonisten eines spannenden Romans, man möchte sie kennenlernen, mehr über ihre Geschichte, ihre Persönlichkeit erfahren.


REZEPTE

Die Rezepte sind sehr unterschiedlich. Es gibt Rezepte mit und ohne Fleisch, simple Dinge ebenso wie ausgefallene Kreationen. Mit wenig Geld und Aufwand ist es möglich, einen Hauch von Luxus in der Küche zu zaubern, das zeigt Slater ganz deutlich. Denn er ist Purist, einige Rezepte kommen sogar mit gerade einmal 3 Zutaten aus.

Zu den Rezepten schreibt er gelegentlich persönliche Texte, die Anleitung ist ausführlich und anschaulich. Abgesehen vom regulären Rezeptteil hat er häufig weiter hinten im Kapitel weitere Ideen zur Variation und Verbesserung von Rezepten. Für mich, die ich nicht nach Rezept sondern Gaumen koche, ist das perfekt. Besonders ansprechend finde ich seine Auflistung, welches Obst mit welchen Gewürzen und Zutaten harmonisiert. Dadurch ist es möglich, eigene Kreationen zu erschaffen und sich von den vielfältigen Möglichkeiten inspirieren zu lassen.

Selbst habe ich noch kein Rezept davon nachgekocht. Aber erstens werde ich das eh nicht tun, und zweitens bin ich derzeit heftig erkältet und kann nichts schmecken, das kann noch ein paar Tage dauern. Und ich platze, wenn ich Euch das Buch nicht jetzt schon vorstellen darf ;-)


AUFMACHUNG, FOTOS

Die Bilder stammen von Nigel Slaters Stammfotografen, Jonathan Lovekin. Die Bilder sind schlicht und anregend, strahlen Lebensfreude aus und sprechen die Sinne an. Es ist nicht jedes Rezept mit Bildern versehen, das ist auch nicht nötig. Dafür gibt es viele Bilder nicht nur von einzelnen Gerichten, auch von den Früchten selbst, vom Garten, von den Blüten. Passend zum Inhalt, der "tender" (zärtlich, sanft) und nicht nur Titel sondern auch Motto des Buches ist, sind die Bilder lustvoll, zärtlich, ja auf ihre eigene Weise beinahe erotisch. Sie machen Lust, regen an und wecken den Wunsch nach Genuss dieser Köstlichkeiten. Mir gefällt, dass sie trotz allem recht schlicht sind. Keine hochgepushten Bilder, die aussehen wie "oh mein Gott, dieses Rezept krieg ich eh nie hin", sondern die dazu einladen, es selbst einfach einmal zu versuchen.


SPRACHE

Noch nie zuvor habe ich gelesen, wie jemand so leidenschaftlich und emotional über Nahrung spricht. So völlig unverkopft, rein aus dem Bauch heraus und ganz im Hier und Jetzt verankert, den perfekten Genuss, den perfekten Moment zelebrierend.

Obwohl es ein Sachbuch ist, liest es sich unterhaltsam, flüssig und mit einem Lächeln (oder auch verschmitzten Grinsen, je nach Situation). Die Sprache ist klar und direkt in der Aussage, leicht verständlich. Dabei aber sehr weitschweifig in ihren Worten, bildreich und verspielt. Slater spielt nicht nur gerne mit den Rezepten und Variationen, er spielt auch mit der Sprache, mit dem Leser. Er versteht es, beim Lesen alle Sinne anzusprechen und die Vorfreude auf das kommende Rezept zu wecken. Würde man das Buch auf seine Rezepte reduzieren (wie sonst bei Kochbüchern üblich), man nähme ihm die Seele!


FAZIT

Ein wundervolles Buch, das mich durch und durch begeistert. Eine Liebeserklärung an den Garten, das Obst und die Küche. Leidenschaftlich und voller Genuss. Wer mit Leib und Seele die Zutaten würdigt, wer in Essen mehr sieht als nur eine einfache Gaumenfreude, für den ist das Buch ein Quell an Inspiration.

Wertung: 9,7 von 10 Hawke´s Champagne

SaschaSalamander 19.03.2013, 08.48 | (0/0) Kommentare | PL

Sarg niemals nie

wells_sarg_1.jpgFrederic Withers sitzt im Gefängnis. Eigentlich plant er einen großen Coup, und dafür stellt er sich tot, um im Sarg aus dem Gefängnis gebracht zu werden. Auf dem Friedhof wird er von Vampiren für den Auserwählten gehalten, sie folgen ihm nun überall hin. Doch er hat nur ein Ziel: sich als Neffe des verstorbenen Beard auszugeben und das reiche Erbe abzusahnen. Dabei begegnet er vielen Personen, die ihm helfen, zu Freunden werden. Aber auch anderen, die ihn jagen und töten wollen. Und seiner Geliebten Gwen, die ein falsches Spiel spielt. Alles geht drunter und drüber, es kommt ganz anders als geplant ...

Von Dan Wells kenne ich bisher nur den ersten Teil der Serienkiller-Reihe. Der Roman hatte mich zwar nicht vom Hocker gerissen, ich kann mich nur noch bruchstückweise daran erinnern, aber ich fand ihn gut genug, um mir den Autor positiv im Gedächtnis zu behalten. Da SA(R)G NIEMALS NIE ein Einzelband ist und der Inhalt recht witzig klang, war ich neugierig und habe ihn gelesen. Und dieses Buch werde ich wohl nicht so schnell vergessen wie den Auftakt des Serienkillers ;-)

Es ist herrlich schräg, ein Gag jagt den nächsten, die Charaktere sind unglaublich skurill. Frederic trifft auf eine recht freie Interpretation des Dichters John Keats, auf eine ebenso ungewöhnliche Auslegung von Mary Shelley (was würde die echte Autorin wohl dazu sagen, was Dan Wells aus ihr gemacht hat?), besonders diese beiden Figuren wuchsen mir mit ihren Macken sehr ans Herz. Mary, ständig auf der Jagd nach der nächsten Leiche und deren Einzelteilen, John stets am Reimen, Schreiben, Dichten, das Leben nur genießend, wenn es ihm Leid, Elend und Jammer bietet, ihn anspornend zu noch größeren Kunstwerken.

Ich habe das Buch zu Beginn rasend schnell verschlungen, denn ich lieben den eigenwilligen Humor: schwarz, makaber, düster, dabei aber auch sehr viel Situationskomik, jede Menge spritziger Dialoge, eine große Portion Wortwitz und sehr viel Ironie. Was schiefgehen kann, das geht ganz sicher schief, und jedes Missverständnis wird ausgereizt bis zum Äußersten.

Das ist auch die Schwäche des Buches: es ist einfach too much. Das erste Drittel habe ich laut gelacht, ich bin über die Seiten gerast. Im zweiten Drittel begann ich langsam, nach etwas mehr Handlung und weniger Chaos zu suchen. Das letzte Drittel habe ich eher überflogen, weil es dann sehr verworren wird und die Missverständnisse einfach zuviel. Was am Anfang lustig ist, das ist nach der 50sten Wiederholung eher ermüdend denn erheiternd. Es hätte dem Buch gut getan, entweder den Humor zu variieren und ein paar zusätzliche Ideen einzubringen, oder aber es drastisch zu kürzen. Oder, den Humor etwas zurückzunehmen. Es gibt quasi keinen Satz, der nicht mindestens zwei Scherze enthält. Hätte man sich auf vier oder fünf Gags pro Seite beschränkt, wäre es wohl langfristig besser gewesen, so aber fühlte ich mich wie nach fünf Tafeln Schokolade: mir war etwas übel, und ich konnte einfach nicht mehr, war froh als ich den letzten Bissen verdrückt hatte, aber genießen konnte ich nicht mehr.

Insgesamt also ein wirklich komisches Buch, ein Gagfeuerwerk ohnegleichen. Das sein Pulver viel zu schnell verschießt. Weniger wäre mehr gewesen. Schade, denn im Grunde war ich begeistert, und ich werde demnächst gerne ein weiteres Buch von Dan Wells lesen. Hoffend, dass dies eine Mischung aus dem eher subtilen Humor der Serienkiller-Reihe und der übergezogenen Keule des Frederic Withers ist.

Wertung: 6 von 10 Ghoule

SaschaSalamander 06.03.2013, 09.06 | (0/0) Kommentare | PL

Porterville 04 - Träume der Termiten

porterville04_termiten_1.jpgProtagonist der vierten Folge von PORTERVILLE ist Paul Higgins. Jedoch nicht der alte Higgins, den wir später kennenlernen (bzw in früheren Teilen der Reihe kennenlernten, allerdings als er bereits älter war. Herrjeh, DarksidePark bzw PorterVille sind gelegentlich recht kompliziert zu erklären mit seinen Zeitsprüngen und Zusammenhängen), sondern diesmal der junge Higgins, noch nicht einmal seine Doktorarbeit abgeschlossen hat, noch mit seiner schwangeren Freundin in Massachusetts lebend. Wir erfahren hier, mit welchen Versprechen und Methoden er als Mitarbeiter für Porterville angeworben wurde.

Autor ist diesmal John Beckmann, den ich schon in anderen Reihen zu schätzen gelernt habe. Er schrieb die ersten Folgen für >LADY BEDFORT<, war verantwortlich für eine spannende Episode >MINDNAPPING<, verfasste vier Teile des >DARKSIDE PARK<. Mir gefällt, dass seine Folgen häufig sehr "heimelig" und "beschaulich" wirken, sehr familiär und ruhig, ganz unaufgeregt. Dabei aber immer eine unterschwellige Bedrohung ausstrahlen. Harmlose alte Damen beim Kaffeeklatsch, Natur und Wildnis bei den Indianern, abseits gelegene Inselbewohner, das gemütliche kleine Örtchen Broughton, überall freundliche, arglose Menschen, doch der Blick hinter die Fassade verheißt Abgründe. Dabei zeigt Beckmann nur selten das ganze Ausmaß, überlässt sehr viel davon der Phantasie des Hörers bzw Lesers.  

Auch hier werden wieder mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Anfangs dachte ich "super, jetzt erfahren wir endlich mal mehr über die seltsame Fragereihe nach dem Geschmack von Pudelfleisch, träumenden Termiten und anderen Dingen". Aber klar, natürlich wurde nicht erklärt, was es mit den Fragen auf sich hat. Stattdessen frage ich mich nun zusätzlich, was in dem seltsamen Kubus geschah, inwiefern träumende Termiten von Belang für Porterville sind und wie zur Hölle bitte dieser komische Test mit den Hunden aussah (immerhin waren es keine Pudel)? Was auch immer Beckmann selbst beim Schreiben im Kopf hatte, meine Phantasie malt sich grauenvolle Dinge aus, ich schaudere wohlig bei dem Gedanken daran. Und freue mich bereits auf die nächste Folge, für die es auch hier im Prolog bereits wieder einen kleinen Vorgeschmack gab (meine Rezi ist kein Spoiler sondern die allererste Seite des Buches, keine Sorge *smile*)

Alles in allem - eine weitere spannende Folge, die mich absolut unbefriedigt zurücklässt und gerade deswegen absolut zufriedenstellte. Sorry, wenn das schräg klingt, aber anders kann man Porterville einfach nicht beschreiben. Süchte sind nicht wirklich  rational ;-)

SaschaSalamander 05.03.2013, 08.38 | (0/0) Kommentare | PL

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