SaschaSalamander

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Thema: Rezensionen Buch

Umpah-Pah

Kennt Ihr Umpah-Pah? Wenn ja: suuuuper, ich freue mich! Denn leider kennen nur sehr wenige Leser meinen Lieblingsindianer aus der Feder von Goscinny und Uderzo, quasi den großen Bruder von Asterix. Als Winzling las ich ihn einmal in einem Fix und Foxi Heft beim Friseur, etwas später als Jugendliche in meiner damaligen Lieblingszeitschrift Yps. Umso mehr freute ich mich vor einigen Wochen, endlich alle Heft als Sammelband in der Bücherei zu sehen.

Wie gesagt: Umpah-Pah entstand vom gleichen Zeichnerteam noch vor Asterix, nämlich 1951. Erst in kleinen Strips rund um Indianer in der neuen technisierten Welt, später als ganze Hefte von umfassenden 30 Seiten je Abenteuer mit gesamten Abenteuern im neuentdeckten Amerika sowie der alten Welt. Die Serie wurde allerdings eingestellt, nachdem Asterix bei einer Leserumfrage als beliebteste Serie entpuppte und die wackere Rothaut nur wenige Fans hatte. Ich bedauere es sehr, denn mir gefallen diese Abenteuer fast noch ein wenig besser. Vielleicht ist es auch nur Nostalgie, ich weiß es nicht. Aber eine Fortsetzung hätte der tapfere Held auf jeden Fall verdient ...

Umpah-Pah ist ein Indianer vom Stamm der Wascha-Wascha. Er ist mutig, aufrecht, stark, ein großer Könner im Bogenschießen. Er mag Pemmikan und hat den Puma als Totemtier. Er rettet den Franzosen Hubert von Täne vor dem Marterpfahl der feindlichen Plattfußindianer, und bald wird aus dem Snob "Bruder Doppelskalp" (wegen seiner Perücke), mit dem Umpah-Pah spannende Abenteuer erlebt: die Rotfußindianer greifen an, ein Krieg wird erklärt, und die Franzosen mischen natürlich mit. Insgesamt fünf Bände gibt es, in denen die beiden ungleichen Brüder ihren Mut beweisen müssen ...

Der Humor ist teilweise ein wenig simpler gestrickt. Bei Asterix sind es viele Wortspiele und Anspielungen, für die man manchmal ein wenig Hintergrundwissen braucht. Bei Umpah-Pah sind die Witze recht direkt, aber nicht minder intelligent. Es ist einfach herrlich, wie gekonnt Uderzo und Goscinny die Neuzeit auf den Arm nehmen, ihre Philosophie um Krieg, Freundschaft und die wirklich wichtigen Dinge im Leben verbreiten. Das Leben wäre wirklich einfach, wenn man es mit dem gelassenen Blick Umpah-Pahs betrachten könnte ;-)

Ich finde es schön, wie alle so richtig nett auf die Schippe genommen werden. Die Preußen mit ihrer Korrektheit, ihrer frechen Schnauze. Die Franzosen mit ihrer Etikette, ihrer Noblesse. Die Indianer mit ihren Riten und Bräuchen. Nichts davon ist bösartig, alles ist nett karikiert. Es ist köstlich zu lesen, wie einfach Kriege doch entstehen und gelöst werden, und wie einfach die komplexen Zusammenhänge im Prinzip doch sind. Auch die Running Gags um Pemmikan, Umpah-Pahs Totem, die Vergleiche mit Tieren, die alte Indianertaktik und viele mehr sind einfach witzig.

Es fällt mir schwer, eine Rezension hierüber zu schreiben, ebenso wie es mir schwerfiele, eine Rezi über Asterix oder Lucky Luke zu tippen. Das erstaunt mich, denn Mangas sind ja eigentlich nichts anderes als Comics, und bei Comics klappt das auch ... na, egal, muss ja nicht immer so lang sein, ich wollte Euch Umpah-Pah einfach nur kurz vorstellen. Und zum Schluss kann ich nur sagen:

Wer Asterix mag, wird auch seinen älteren Bruder Umpah-Pah lieben, denn die geistigen Väter Uderzo und Goscinny zeichneten ihn mit ebenso viel Humor und Liebe zum Detail wie die gallischen Nachfolger. Ein Sammelband, der für 25 Euro wirklich supergünstig ist und den jeder Freund frankobelgischer Comics gelesen haben sollte ...

SaschaSalamander 19.09.2007, 16.37 | (2/0) Kommentare (RSS) | PL

Nonstop für Englischmuffel

fermer_bmx_150.jpgHm, da habe ich also die Aufgabe, einer eher wenig motivierten Schülerin auch über die Sommerferien Englisch-Nachhilfe zu geben. Keine leichte Aufgabe, wenn es heiß ist und sie vermutlich lieber im Freibad läge. Wenigstens gibt es keinen aktuellen Schulstoff, an dem man klebt. Und so wühlte ich in der Bibliothek, ob es mal ein etwas anderes Jugendbuch gibt, mit dem man auch Lese- und Lernmuffel ein wenig motivieren kann. Und ich habe ein Buch gefunden, besser gesagt, sogar eine ganze Buchreihe!

Nonstop BMX - Christine ist in Johnny, den Schwarm der Schule verliebt, aber der interessiert sich nur für BMX. Deswegen beginnt sie auch mit diesem Sport. Und dann will sie endlich an den Masters, DEM Turnier schlechthin, teilnehmen, aber dafür sind doch tatsächlich nur Jungen zugelassen! Es bleibt ihr also nur die Möglichkeit, sich in Chris zu verwandeln, ihre langen Haare abzuschneiden und alle zu täuschen. Johnny lacht sie aus, aber SIE weiß, dass sie es schaffen wird und lässt den Macho stehen. Anfangs klappt auch alles wunderbar, aber dann verliebt sie sich in Vincent, einen coolen Teilnehmer aus Dublin ... und die andere Version: seit er das Masters - Turnier vor einem Jahr versabbelt hat, denkt Vincent an nichts anderes mehr als an sein tägliches Training. Aber dann passiert eine blödes Missverständnis an der Schule, für das seine Eltern ihm zwei Wochen Hausarrest aufbrummen. Und wie soll er jetzt trainieren? Also trickst er und sagt, das Turnier ginge schon früher los, und fährt zu seinem Kumpel Johnny nach Deutschland, um bei ihm zu trainieren. Dort trifft er auf Chris und ist ganz schön verwirrt über diesen seltsam Typen ... als der ihn dann auch noch küsst, ... also ... wäääääh!

Inzwischen gibt es drei Nonstop - Bücher: BMX, HipHop und Survival. Das vierte, Chatten, wird im September diesen Jahres erscheinen. Während sich BMX um Sport dreht, geht es in HipHop natürlich um Musik, in Survival um eine Klassenfahrt mit spannendem Krimi, in Chatten um eine Internetbekanntschaft. Und natürlich um Jungs und Mädels, einmal aus der einen Sicht, einmal aus der anderen. Einmal auf Deutsch, einmal auf Englisch. Einmal das Mädel, das andere Mal der Junge. Somit also für beide Zielgruppen sehr gut geeignet und witzig zu lesen.

Der Schreibstil ist witzig und einfach gehalten. Und auch ich als Erwachsene habe derzeit meinen Spaß an der Lektüre, das Bearbeiten für den Unterricht geht locker von Hand. Die Story ist so angenehm zu lesen, dass meine Schülerin und ich fast das Ende der Stunde verpasst hätten ;-)

Mit anderen Büchern habe ich immer folgendes Problem: WIE bitteschön soll ich einen Jugendlichen motivieren, ein Kinderbuch auf Englisch zu lesen? Da fühlen sich meine Kids ziemlich hochgenommen, es ist ihnen peinlich. Kinderbücher liest man mit 14 einfach nicht mehr! Aber wenn ich ein normales Jugendbuch auf Englisch nehme, ist der Wortschatz einfach zu schwer, und das ist frustrierend. Mit seinen Nonstop-Büchern hat Fermer den Spagat zwischen einfacher Sprache und jugendgerechtem Inhalt super geschafft!

Das Englisch ist je nach Schulart etwa im zweiten bis dritten Lehrjahr anzusetzen, nicht zu kompliziert im Wortschatz und den grammatikalischen Verschachtelungen, aber hier und da schon einmal recht tricky und mit netten Wortspielen (e.g. "the penny dropped in his head like the money in the phone") versehen. Für Schüler, die schon etwas weiter sind - wie bei meinem Mädel - kann man die Fragen zum Text ja etwas komplizierter gestalten, auch dafür bietet der Roman recht gut Raum. Schwerere Vokabeln und Wortwendungen sind im Text hervorgehoben und in der Fußnote erklärt, sodass auch ohne Wörterbuch gut gearbeitet werden kann.

Ich übe mit meiner Schülerin daran Mediation (deutsches Umformulieren des englischen Textes), Listening (ich lese vor, danach muss sie Fragen zum Text beantworten), Lückentext (einen Lückentext mit Vokabeln aus dem Text vervollständigen). Und weil wir auch Deutsch üben, eignen sich die deutschen Passagen prima für Aufsätze und Erzählungen.

Nicht nur für den Unterricht sind diese Bücher sehr gut geeignet, sondern auch für Eltern, die ihre Kids mal ein wenig motivieren wollen, Englisch zu lesen. Schulenglisch ist ganz nett, aber die Texte in den Schulbüchern - ich will ehrlich sein, ich habe schon einige Schulbücher meiner Kids durchgeblättert, und sie sind ausnahmslos knochentrocken. Ich frage mich oft, wie den Kindern dadurch Freude an einer Sprache vermittelt werden soll? Sprache muss doch lebendig sein, Spaß machen, die Jugendlichen sollen merken, dass sie die Sprache selbst anwenden und gebrauchenfermer_survival_150.jpg können, dass sie sie im Alltag nutzen können. Und das gefällt mir an den Büchern von David Fermer: der Inhalt ist mitten aus dem Leben der Kids gegriffen, und sie sind weder lehrreich noch belehrend, sondern machen einfach nur Spaß. Weil die Sprache gut verständlich ist, muss nicht ständig unterbrochen werden für Nachfragen, sodass ein flüssiges Lesen möglich ist. Englisch, Deutsch, egal, weiterlesen, jedes Kapitel ist sehr kurz und mit einem spannenden Cliffhanger versehen, sodass man es kaum aus der Hand legen kann. Nur noch ein paar Seiten, ...

Also, Ihr Englischmuffel: ich wünsch Euch viel Spaß ... nicht beim Lernen, sondern beim Lesen und Lachen ;-)

SaschaSalamander 27.06.2007, 10.47 | (0/0) Kommentare | PL

Monsieur Linh und die Gabe der Hoffnung

claudel_linh_150.jpgGestern auf dem Weg zu meiner Arbeit habe ich dieses Buch begonnen, habe sogar eine Bushaltestelle verpasst (passiert mir auf dieser Strecke allerdings auch ohne Buch, wirklich eine seltsame Linie) und auf dem Nachhauseweg von der U-Bahn bis zur Wohnung während des Laufens weitergelesen und dann zu Hause endlich das letzte Kapitel gelesen ... dieses Buch hat mich gefseselt wie schon lange keines mehr ...

Ein alter Mann flüchtet nach dem Krieg in seiner Heimat in ein fremdes Land. Er heißt Linh, aber niemand erinnert sich an seinen Namen, denn alle Menschen seines Dorfes sind tot. Nur seine sechs Wochen alte Enkelin Sang diû hat er bei sich, und einen alten Koffer mit Kleidung, einem verbleichten Foto und einem Säckchen Heimaterde ... er kommt in die fremde Stadt, ist einsam, wird verlacht, findet sich nicht zurecht. Aber für die kleine Sang diû muss er stark sein, für sie bleibt er am Leben, denn sie braucht ihn. In der Stadt auf einer Parkbank begenet ihm ein einsamer alter Mann, dick, freundlich, warm. Die beiden verstehen kein Wort, das der andere sagt, und Monsieur Linh redet auch nicht, doch das macht nichts, dafür redet Herr Bark, zeigt Linh die Stadt, lädt ihn zum Essen ein, ist ihm Freund und Vertrauter. Doch bald wird Monsieur Linh in ein neues Gebäude gebracht, fort aus dem alten Wohnheim. Er hat Angst alleine, er beherrscht die fremde Sprache nicht, und er kennt nicht den Namen seines Freundes. Wie soll er ihn nur im Gewirr dieser großen Stadt wiederfinden?

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, dieses Buch zu preisen, ich könnte ein Loblied nach dem anderen singen. Schon lange hat mich kein Buch mehr so bewegt. Klar, mir gefallen viele Sachen, ich liebe die Abwechslung, und vieles ist gut. Aber dieses hier hat mich wirklich bewegt. Tief innen berührt. Und das schaffen tatsächlich nur sehr wenige Werke.

Monsieur Linh ist ein Buch, das sparsam an Wort und Information ist. Nur 127 Seiten im Kleinformat. Dabei jedoch soviel Inhalt und Aussage, als wäre es ein dicker Wälzer. Wie auch Baricco ("Oceano Mare", "Seide", "Novecento", etc) lässt Claudel die Bilder im Kopf des Lesers entstehen. Er braucht keine emotionalen Worte, um Gefühle zu beschreiben, er beschreibt nur das Äußere. Und dadurch, finde ich, kann der Leser selbst empfinden. Diese Art des Schreibens liebe ich, solche Bücher lese ich so gerne. Natürlich könnte Claudel sagen "das Heimweh schnürte ihm die Kehle" oder "er fühlte sich einsam und verlassen". Phrasen. Ausgelutscht. Nicht mein Ding. Kleine Gesten, Beobachtungen sind soviel lebendiger! Im nächsten Beitrag heute Nachmittag werde ich dagegen ein paar Passagen zitieren, die wunderbar Gefühle erzeugen, den Leser die Verzweiflung, Einsamkeit, Freude des Alten selbst spüren lassen ...

Die Figuren wachsen ihm sehr schnell ans Herz, man fühlt sich mit Monsieur Linh verbunden. Er ist ein wenig verschroben, aber er will das Beste für seine Enkelin, er ist stark, und er kämpft, auch wenn er am liebsten aufgeben möchte. Und dann der lebendige, aufgeschlossene Herr Bark, er redet und redet und redet und redet. Er hat eine warme Stimme, und in seiner Stimme liegen Gefühle, wie die anderen Menschen sie stets unterdrücken nach außen. Er ist groß, und er kann Monsieur Linh beschützen, niemand wird Sang diû in seiner Gegenwart etwas antun. Herr Bark ist traurig, denn er hat seine Frau verloren, aber das weiß Monsieur Linh nicht. Und es ist auch egal. Die beiden Männer verstehen sich auch ohne Worte, eine Freundschaft, die weit über gemeinsame Interessen hinausgeht. Und demgegenüber die kalte, leere, trostlose Stadt mit den hastenden Menschen, den ihn verlachenden Mitbewohnern im Heim, der unbeteiligten Dolmetscherin, den kalten Wärtern im Heim. Der Leser empfindet die Enge zwischen den grauen Häusern, als wäre es seine eigene, und gemeinsam mit Monsieur Linh träumt er sich auf die Reisfelder, atmet den Duft von Zitronengras, fühlt den Wind auf der Haut ...

Und dann plötzlich ... eine drastische Wende. Auf der vorletzten Seite. Der Leser hat es die ganze Zeit schon geahnt, und nun die Gewissheit. Nebenbei, in einem kleinen Nebensatz, wie zufällig nur in den Raum geworfen, ein einziges kleines Wort. Und daraufhin das offene Ende. Happy End? Trauriges Ende? Das darf der Leser selbst entscheiden, Tränen werden ihm auf jeden Fall ohne Zweifel in den Augen stehen, denn das Schicksal des alten Mannes kann niemanden unberührt lassen.

Spannung, Thrill, komplexe Handlungsstränge, anregende Dialoge, das gibt es nicht, dieses Buch ist wirklich sehr karg gehalten, nur das Notwendigste wird gesagt, und dadurch gewinnt jedes Wort an Bedeutung. Wer solche ruhigen, knappen Bücher voll Inhalt und Wärme mag, kommt an Monsieur Linh nicht vorbei.

SaschaSalamander 23.05.2007, 12.05 | (0/0) Kommentare | PL

Artemis Fowl 05 Die verlorene Kolonie

colfer_fowl5_150.jpgDer weltbeste jugendliche Meisterdieb treibt sein Unwesen inzwischen bereits in fünf Bänden, und neben Harry Potter, Bartimäus, Eragon, Septimus Heap und anderen Jugendromanen unter- schiedlicher Genres gehört er zu den heißgeliebten Favoriten vieler begeisterter Leser. Oben genannte Bücher mögen alle recht nett sein, aber für mich persönlich stehen Lemony Snicket und Artemis Fowl dann doch an allererster Stelle ... und während viele Bücher von Mal zu Mal an Biss verlieren, gefiel mir der aktuelle Band 5 von allen Bänden um den gewieften Gauner sogar am besten von allen bisherigen Büchern!

Eigentlich hat Artemis ja (schon mehrere Male) versprochen, sich nicht in die Angelegenheiten des Erdvolkes einzumischen. Aber diesmal geschieht es nur in deren eigenem Interesse, denn ein Ungleichgewicht im Zeit- und Raumgefüge ausgehend von der Dämonen - Insel Hybris bedroht die Welt und auch das Erdvolk. Also macht sich der seit dem ersten Band schon etwas reifer gewordene Artemis gemeinsam mit seinem Freund und Beschützer Butler auf, um das Erscheinen zeit- und raumreisender Dämonen zu beobachten. Wie es scheint, ist er dabei jedoch nicht ganz alleine: ein Mädchen, nur knapp etwas jünger als er, erscheint erstaunlicherweise ebenso wie er immer genau zum exakten Zeitpunkt am richtigen Ort. Nur ein Zufall? Oder woher weiß sie von diesen Dämonen? Als das Mädchen mit seinem Gehilfen dann einen Dämon einfängt, beginnt die Jagd ... wer ist dieses Mädchen? Was hat es mit dem Dämon auf sich? Kann die größer werdende Lücke im Zeit - Raum - Gefüge "geflickt" werden? Ein Reise, gefährlicher als alle bisherigen Abenteuer, wartet auf Artemis. Wird es ihm gelingen, die Erde, das Erdvolk und die Dämoneninsel zu retten?

Puh, und wo fange ich jetzt am besten an? Es ist zwar schon einige Wochen her, dass ich das Buch gehört habe, aber jetzt beim Schreiben merke ich, dass mich wieder so richtig die Begeisterung packt. Jau, Teil 5 ist der bisher beste von allen! Atemberaubend, unglaublich und kaum vergleichbar mit etwas je Dagewesenem ... die Leser sind ja nach vier Bänden Erdvolk-Technik inzwischen an Vieles gewohnt, aber was dieses Mal alles an Technik, Magie, subversiver Psychologie und Genie aufgeboten werden muss - WOW!!!!! Ich kann mir nicht vorstellen, wie Eoin Colfer dies in einem eventuellen Folgeband (den ich mir aufgrund der jetzt erst so richtig spannend werdenden Geschichte um Artemis und Minerva nur allzu sehnlich herbeiwünsche) noch jemals zu toppen gedenkt?

Artemis und Minerva? Geeeeeenau: Artemis bekommt Gesellschaft. Ihm ist völlig unerklärlich, wieso er dieses schreckliche Mädchen so faszinierend findet. Immer kommt sie ihm in die Quere, und sie strebt mit ihrer Jagd auf den Dämon sogar den Nobelpreis an! Und dann ihr arrogantes Getue, einfach grauenvoll! Aber ihre intelligenten Witze und diese geniale Anspielung auf gestohlene Quarks bringen seine pubertären Hormone kräftig ins Wallen! Wo andere Teens (ich werde den Zauberlehrling mit der Narbe auf der Stirn hier bewusst NICHT nennen *g*) ziemlich trottelig wirken, behält Artemis stets seine kühle, undurchschaubare Natur. Ja, Artemis bewahrt Form. Stylish, elegant, hochintelligent. Sonst wäre er nicht Artemis! Aber wenn dieses Mädchen nunmal nicht mehr aus seinem Kopf will ...

Ansonsten kann ich nicht viel sagen, außer - es ist ein Buch der Extreme. Soviel Unerwartetes und Überraschendes, soviel Neues ... wow, ein Hoch auf Eoin Colfer und seine genialen Ideen! Artemis unternimmt eine Reise durch Raum und Zeit, die den Leser wirklich ziemlich erblassen lässt ... es kommen neue Unterirdische ins Spiel, denn die ZUP war wohl nur ein kleines, unscheinbares Ablenkungsmanöver für eine wirklich große Organisation ... Nicht nur die den meisten Menschen bekannte Welt schwebt in Gefahr, sondern auch noch die der Unterirdischen sowie die Dämonenwelt ... Artemis erhält bei seiner gefahrvollen Reise eine besondere Fähigkeit ... Mulch bekommt einen würdigen Gegner und hilfreichen Verbündeten ... und das Unglaublichste, Unwahrscheinlichste, Unfassbarste: So langsam (und sehr glaubwürdig geschildert im Laufe der fünf Bände) scheint sich Artemis vom Superschurken zum Gutmenschen zu entwickeln ... na, wen das alles noch IMMER nicht überzeugt hat - der liest eben was anderes ... aber ich kann von diesem Bengel einfach nicht genug kriegen.

Über Schreibstil (spannend, humorvoll, packend, mitreißend, thrilling) und Phantasie des Autors (grenzenlos) sowie die schrullig - liebenswerten Charaktere möchte ich nicht mehr viel erzählen, denn dazu müsste ich doch eher beim ersten Band anfangen, ich rezensiere ungern mehrere Jahre in meine eigene Lese-Vergangenheit ... und über Rufus Beck und seine Sprachkünste (wer jemals Harry Potter als Hörbuch genießen durfte, weiß, wovon ich rede) muss ich wohl nicht mehr viel erwähnen, der Name selbst ist eigentlich schon ein Qualitäts-Garant für sich ...

Aaaaber: während die ersten drei Bände zwar aufeinander aufbauten aber auch einzeln gut lesbar waren und der vierte so eben noch für sich stehen konnte, ist der fünfte Teil nun wirklich zu heavy für Neueinsteiger. Die Handlung selbst ist so verquickt und komplex, dass die zusätzlichen Fakten über die Zup, die Unterirdischen und deren Technik eigentlich eine grundlegende Voraussetzung sind, ansonsten verliert sich der Leser im Chaos ...

Also: Wer Artemis noch nicht kennt, kann ja mal langsam einsteigen und sich den ersten Band zu Gemüte führen. Am besten als Hörbuch, denn Rufus Beck brilliert hier ebenso wie in Harry Potter mit großartigen Stimmen und Dialekten! Und wer Artemis bereits kennt - dem brauche ich ja eigentlich eh nichts mehr zu erzählen, der hat diesen Band vermutlich eh schon gelesen ;-)

SaschaSalamander 30.04.2007, 12.27 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Das Leben der Tiere

coetzee_tiere_150.jpgElizabeth Costello, berühmte Romanautorin, wird für ein Seminar ins Appleton College geladen. Während dieser Zeit wohnt sie bei ihrem Sohn John Bernard, seiner Frau Norma und den Kindern. Das Thema ihres Vortrages wurde ihr freigestellt, und so wählt sie ein Thema, das ihr sehr am Herzen liegt: die Würde und Rechte des Tieres, die Verantwortung des Menschen gegenüber dem Tier. Dazu beruft sie sich während des ersten Vortragesn vor allem auf Philosophen unterschiedlicher Epochen, von Aristoteles über Descartes hin zu Thomas von Aquin und Singer; am folgenden Tag behandelt sie das Mensch - Tier Verhältnis aus Sicht der Literatur, indem sie Jonathan Swift, Rilke und Hughes heranzieht. Doch ihre Meinung ist sehr provokant, und die schlichte Wahrheit ihrer Worte ist den meisten der Anwesenden ein Dorn im Auge. Besonders Norma ist über den Besuch ihrer Schwiegermutter sehr verärgert, die Spannungen werden für John unerträglich, bis Elizabeth endlich wieder abreisen muss ...

Ein ungewöhnlicher "Roman" ist "Das Leben der Tiere vor allem insofern, als es eher eine philosophische und fachliche Abhandlung denn ein Roman ist. Die Rahmenhandlung um John, Norma und Elisabeth ist nur das äußere, grobe Gerüst. Eine kurze Begrüßung am Bahnhof, ein knappes Gespräch zum Abendessen, ein Disput zwischen Norma und John, die Abreise am Ende, das sind insgesamt nur knapp 10 Seiten von 79. Und, wie man sieht, 79 Seiten, also nicht wirklich ein sehr langes Werk. Aber ich habe dennoch mehrere Abende daran gelesen.

Es ist kein Buch, das man zur Unterhaltung nebenbei mal kurz liest. Sondern ein auch für Laien der Philosophie sehr gut gemachtes Plädoyer für die Rechte der Tiere, dessen Inhalt sich schrittweise setzen muss, das der Leser eher "bearbeiten" denn "lesen" muss. Sehr viele Fußnoten, Querverweise, Quellenangaben und wohlfeile Schlussfolgerungen sorgen allerdings dafür, dass man es sehr genau lesen muss, wenn man ihr folgen will. John und Norma schieben die in ihren Augen eher an den Haaren herbeigezogenen Argumente auf die Verwirrtheit ihrer Mutter, wenn sie plötzlich beginnt, das Bewusstsein eines Menschen mit dem einer Fledermaus gleichzustellen, aber der aufgeschlossene Leser wird ihren klaren und fundierten Aussagen sehr gut folgen können, sofern er sich auf dieses Werk einlässt ...

Ja, ich denke, man muss sich ein stückweit auf dieses Buch einlassen. Bereit sein, den Ausführungen zu folgen. Liebevoll, mitfühlend, zugleich aber auch äußerst provokant und deutlich, kommt Elizabeth Costello daher und setzt sich für die Tiere ein. Eine Fremde in einer Welt, in der noch immer Tiere misshandelt, missbraucht und geschlachtet werden ...

Für Fleischesser und Anhänger der Theorie "Nahrungskette" ein herber Schlag in die Magengrube, aber sogar für Vegetarier und Tierschützer ein Anstoss zu tieferem und bewussterem Denken gegenüber Tieren, ist "Das Leben der Tiere" ein sehr gut lesbares, wirklich profundes Werk, das jeder lesen sollte, der sich mit Tierschutz, Ernährung und der Definition des Menschseins befasst ...

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Rilkes >Panther<
Singers >Animal Liberation<
>deutsche Links< zu >Peter Singer<
Kafkas >Bericht für eine Akademie<
>Nagels< >What is it like to be bat<
Hughes >Jaguar< sowie eine kurze >Erklärung< hierzu
>Gullivers Reisen< zu den >Yahoos< und>Houyhnhnms<

und weil dies ein sehr heikles Thema ist und ich die Theorien der einzelnen Philosophen nicht zu 100% kenne und weiß, wie unterschiedlich gut (zu Tieren) aber auch grausam (z.B. zu behinderten Menschen) diese sein können (Singer), ist es mir hier ein Anliegen, mich von den Links inhaltlich zu distanzieren. Ich bitte Euch, sie lediglich als Information zu sehen, nicht jedoch als mein Gutheißen oder Ablehnen der entsprechenden Inhalte!

SaschaSalamander 23.04.2007, 12.14 | (0/0) Kommentare | PL

Flippis geheimes Tagebuch

ullrich_flippi02_150.jpgFreche Kids gab es in der Literaturwelt schon immer. Während sie damals wie Pippi Langstrumpf schon etwas Besonderes sein mussten, um so sein zu dürfen, oder sie wie Michel bestraft wurden, oder gar wie die armen Kinder aus dem Struwwelpeter starben, ist das heute zum Glück etwas anderes. Da sind freche Kids eben einfach nur freche Kids. Und ein solches Kid ist Filipine Sonntag, kurz Flippi.

Flippi ist in dem Alter, in dem sie Jungs noch richtig doof findet, weil die nämlich die Pest sind! Und Mädels findet sie auch doof, das sind alberne Hühner, die nur Liebe und Schminken und Jungs im Kopf haben, so wie ihre Schwester Jojo. Was Flippi mag, das sind Schnecken. Sie züchtet nämlich Kampfschnecken!

CHAOS IM GRUSELPARK
Als ihre Mutter in den Sommerferien Kostüme im Gruselpark entwerfen soll, ist Flippi hellauf begeistert, ein GRUSELPARK! Mit Vampiren, Zombies, Leichen, Hexen, Piraten, Gespenstern, Mumien und überhaupt! Aber was immer Flippi anfasst - es endet im Chaos, dabei meint sie es gar nicht böse. Sie fühlt sich nur gestört, als sie erfährt, dass ihre Gastgeber einen Sohn etwa ihres Alters haben, dabei hat sie aus-drück-lich gesagt, dass sie Jungs nicht leiden kann und niemals mit einem unter einem Dach wohnen wird! Aber Leo stellt sich dann wider Erwarten als recht nett heraus, weil er nämlich eine Schnecke gerettet hat. Außerdem kann er prima basteln und biegt so einiges gerade, was Flippi wieder einmal versehentlich angestellt hat. Wenn nur nicht das blöde Huhn Babsi wäre, die ständig was von Leo will (das nervt ihn gewaltig!) und Flippi einfach nur zum Kotzen findet! Babsi will dafür sorgen, dass Flippi und ihre Mutter aus dem Park geworfen werden, aber Leo und Flippi biegen das schon ...

CHAOS IM TEUFELSMOOR
ullrich_flippi03_150.jpgAls Flippi allerdings das Piratenschiff unter Wasser setzt, ist es aus: sie soll während der Ferien zu Leos Onkel Jan ins Teufelsmoor. Dort ist so wenig los, dort wird wohl nicht einmal ein Kind wie sie etwas anstellen können. Anfangs ist sie sauer, denn dort scheint tatsächlich alles langweilig und öde. Aber dann gehen sie auf Marderjagd, und Leos Kumpel weiß, wie man Moorleichen fängt! Und dann sind da noch die freilaufenden Mörder im Moor ... als allerdings Babsi auftaucht, müssen Leo und Flippi sich wieder etwas Gutes einfallen lassen, um dieses Huhn loszuwerden.

CHAOS IM HEXENTURM
Nachdem sie auch das Teufelsmoor ordentlich aufgemischt hat, darf sie zurück in den Gruselpark. Dort haben ihre Mutter und deren Chef eine Flippi-Sitterin für sie engagiert. Aber kein Problem, das hat Flippi im Nu zur Zufriedenheit aller gelöst, und so kann sie nun ohne Aufsicht im Park ihr Unwesen treiben. Dort hat nämlich erst kürzlich ein Hexen-Informationscenter eröffnet. Na, und was liegt für Flippi näher, als dass sie sich zur Hexe ausbilden lassen wird? Gekleidet als Wanderhexe erlebt sie einige Abenteuer, bis Leo sie um Hilfe bittet, endlich Babsi loszuwerden. Und Flippi wäre nicht Flippi, wenn nicht alles im Chaos enden würde ...

Schon lange habe ich bei einem Kinderbuch nicht mehr SOSEHR gelacht. Es ist einfach genial, was Flippi alles anstellt! Nachdem mir zufällig Band 2 in die Hände geriet (die Bücher bauen zwar aufeinander auf, haben jedoch eine eigene Handlung), musste ich sofort auch noch die anderen zwei Teile lesen, rief in der Bib an und ließ sie mir reservieren.

Die Bücher sind zusammengefasst unter dem Titel "Flippis geheimes Tagebuch" und werden in der Ich-Form aus Flippis Sichtweise erzählt. Eine einfache, kindliche Sprache, die sich nicht künstlich mit Worten wie "cool" oder ähnlichen anbiedert, für Kinder wie Erwachsene gleichermaßen herrlich zu lesen. Der Leser erkennt natürlich sofort, was Flippi wieder angestellt hat, aber Hortense Ullrich schafft es perfekt, es aus Sicht des Mädchens zu erzählen, als könne sie kein Wässerchen trüben. Schließlich meint Flippi es ja nie böse. Sie hat eben eine typische Kinderlogik. Und so kommt es, dass eine Frau im Atelier der Mutter sagt "magst du nicht etwas helfen?" und Flippi antwortet "aber nur, wenn ich mich nicht zusehr dabei amüsiere, das mag meine Mama nicht". Klar, da der Leser Flippis Gedanken kennt, weiß er, wie es dazu kam, aber man kann sich vorstellen, wie dies wohl auf die fremde Frau wirken mag und welches Bild dies auf die Mutter wirft. Ich bin sicher, die Eltern so mancher hyperaktiver Kinder werden stöhnend aufseufzen und ihr Kind in Flippi wiedererkennen: liebenswert, nur das Beste im Sinn, höchst phantasievoll, strotzend vor Tatendrang, aber leider bleibt kein Stein auf dem anderen, was auch immer es anfasst ...

Wenn Flippi versehentlich Leim auf den Stuhl von Opa Jan gießt, ist es nur recht, dass sie ihn auch wieder repariert und anmalt. Sie kann doch nichts dafür, wenn sich Leos Freund genau auf den frisch angemalten Stuhl setzt! Und wenn eine erwachsene Frau im Hexenturm sie loswerden will und sagt "los, geh, ich ernenne Dich hiermit zur Wanderhexe", dann muss Flippi doch losziehen und anfangen, die Leute im Park zu verhexen, das ist doch völlig logisch, oder? Und wenn sie den Marder fangen gehen und Mutter am Telefon "Mörder" statt "Marder" versteht und eine riesige Polizeiaktion aus Sorge um ihre Tochter startet, ist das etwa FLIPPIS Schuld? Da kann sie nun wirklich nichts dafür, ehrlich!

Wenn man einmal angefangen hat, eines dieser Bücher zu lesen, dann kann man es bis zum Ende nicht mehr aus der Hand legen. Flippi bietet dem Leser ein echtes Feuerwerk an Situationskomik, Kindermund und Kinderlogik. Schon lange habe ich kein so gutes Buch mehr gelesen, und ich werde mich beim nächsten Büchereibesuch sofort nach weiteren Büchern dieser Autorin umsehen. Denn ich habe erfahren, dass in anderen Werken der Familienalltag im Hause Sonntag aus Sicht der älteren Schweister Jojo geschildert wird. Ich hoffe, dass Flippi auch dort ausreichend Unsinn anstellt!

Flippi ist die moderne Version von Michel aus Lönneberga. Wer die Abenteuer des liebenswürdigen Lausbuben aus Katthuld mag, wird auch von Flippi begeistert sein! :-)

SaschaSalamander 18.04.2007, 10.47 | (0/0) Kommentare | PL

Bartimäus

stroud_bartimaeusIII_150.jpgEs gibt zwischendurch immer wieder Bücher, die mich so richtig begeistern. Dass mich ein Buch begeistert, erkennt man daran, dass ich es nicht mehr nur zwischen Tür und Angel lese, nebenbei etwas anderes mache, sondern mich voll und ganz dem Buch oder Hörbuch widme. Und die Steigerung hiervon, wenn ich zu diesem Zweck sogar meinen Lieblingsort aufsuche: das Schlafzimmer. Und dort dann auf dem Bett in aller Ruhe genieße. Kommt selten vor und ist immer etwas Besonderes.

>Bartimäus 01< (das Amulett von Samarkand) war ein solcher Fall, der >zweite Teil< (das Auge des Golem) hat sich anfangs leider etwas gezogen und dadurch den Lesespass ein wenig gemindert. Aber der dritte Teil hat es noch einmal so richtig in sich, WOW!

Es ist einige Zeit vergangen, seitdem Nathanael alias John Mandrake gegen die Widerstandsbewegung der "Gewöhnlichen" gekämpft hat. Inzwischen ist er aufgestiegen zum Informationsminister, und er muss fleißig den Krieg in Amerika propagieren. Wirklich zufrieden ist er nicht, was er sich jedoch nicht eingestehen würde. Zudem plagt ihn sein Gewissen wegen Kitty. Und Bartimäus, seinen Diener, will er nicht mehr entlassen, zusehr fürchtet er, dass sein Geburtsname nach außen dringen könnte. Dadurch wird Bartimäus immer schwächer, er kann seine Substanz am anderen Ort nicht mehr regenerieren. Am Ende ist Bartimäus so darnieder, dass er wie ein räudiger Kobold den Dschinn Ascobol um Hilfe betteln muss, als ein Klohäuschen auf ihn geschmettert wurde, wie erniedrigend! Doch Mandrake hat kein Einsehen. Wenigstens erteilt er Bartimäus nun nur noch einen harmosen Spitzelauftrag, doch dieser entpuppt sich als ganz großes Kaliber, und der Dschinn ist sogut wie tot, als sein Meister ihn notgedrungen entlässt, um einige Tage später die Informationen aus ihm zu holen. Doch in der Zwischenzeit geschehen unglaubliche Dinge: Kitty befasst sich mit Magie und erfährt, dass sie mit Hilfe der "Pforte des Magiers" einen Kontakt zu Bartimäus am anderen Ort aufbauen kann, um ihn für den Widerstand zu gewinnen. Das Ministerium plant eine Verschwörung ungeahnten Ausmaßes, die Gewöhnlichen stehen kurz vor der Revolution, die Dämonen wollen sich nicht länger knechten lassen. Die Gemüter kochen. Und dann kommt es zur großen Explosion ...

Pheew, ich habe gebangt und gebebt, als ich das Buch las! Im zweiten Teil war der Wechsel zwischen unterschiedlichen Erzählperspektiven weniger gut gelungen, es hat das Ganze zusehr auseinandergerissen. Hier im dritten Teil passt wieder alles perfekt. Und das, obwohl Bartimäus nun nicht mehr nur in der Gegenwart agiert, sondern auch seine Erlebnisse mit dem Magier Ptolemäus vor rund 2000 Jahren beschreibt. Die Übergänge sind fließend: wo der Erzählstrang des einen endet, beginnt das neue Kapitel des anderen. Wirklich geschickt gemacht, Hut ab!

Auch die Charaktere wachsen immer mehr ans Herz. Sympathisch oder nicht, das soll jeder für sich entscheiden. Bartimäus bringt man wohl nur noch Mitleid entgegen, Kitty ist eine selbstbewusste junge Frau geworden, und Nathanael ... mh, er schwankt noch so zwischen Sympathieträger und Ekel. Doch zuletzt findet er seinen Weg, aber ...

Das Buch wird nicht eine Sekunde langweilig, bereits zu Beginn reißt die Handlung so richtig mit. Und dann gegen Ende spürt man bereits, dass alles auf einen bombastischen Showdown hinausläuft, wie es großartiger und actionlastiger in Hollywood nicht sein könnte!

Wirklich genial am dritten Band finde ich, wie sich alles zusammenfügt. Wie auch bei Harry Potter mag jedes Buch für sich stehen mit seinem Abenteuer, doch gegen Ende erkennt man, wie komplex durchdacht die Geschichte eigentlich ist und wiesehr auch kleine Details, die man zu Beginn kaum beachtete, später große Bedeutung erlangen werden. Obwohl ich das Buch gerade beendet habe, reizt es mich, am besten sofort noch einmal mit dem ersten Band zu beginnen. Diesmal könnte ich es mir ja als Hörbuch holen, warum nicht? Und dann noch einmal alles erleben und dieses Mal auf die Dinge achten, von denen ich nun im Nachhinein weiß, dass sie später wichtig sein werden.

Gibt es eigentlich ein größeres Kompliment für einen Autor, als dass man direkt nach Beenden seines Buches wieder von vorne beginnen möchte? Schwarzer Humor, Helden, Antihelden, eine große Verschwörung, jede Menge frecher Sprüche, eine komplexe und gut verständliche Geschichte, jede Menge Spannung, ein fast perfekter Spannungsbogen über alle drei Bände hinweg, bei "Bartimäus" passt einfach alles! Und jedem, der gerne humorvolle Fantasy liest und auch etwas "abgedrehteren" Stories nicht abgeneigt wird (oh ja, abgedreht wird es tatsächlich, als Kitty ihre große Stunde erlebt und das tut, was seit 2000 Jahren keinem Magier mehr gelungen ist), sage ich: unbedingt "Bartimäus" lesen, dieser Dschinn macht süchtig!

SaschaSalamander 20.07.2006, 10.17 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Dark Water

Cover des RomansNun habe ich die Rezension über den Manga "Dark Water" geschrieben und das Buch davor gelesen. Danach den Film gesehen. Ist ja doch immer sehr interessant, die einzelnen Möglichkeiten zu vergleichen. Jedes Medium verfügt über andere Schwächen, die Stärken können unterschiedlich gesetzt werden. Wo ein Buch vor allem durch Sprache und Gefühle Spannung erzeugen kann, sind im Film hauptsächlich die Bilder das tragende Element, im Manga kann eine Zeichnung ebenso aussagekräftig sein wie ein Satz oder eine bewegte Szene. Allerdings hat mich der Manga eher enttäuscht, nachdem ich das Buch gelesen hatte.

"Dark Water" ist kein Roman im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Sammlung von Kurzgeschichten, die durch Prolog und Epilog zusammengehalten werden. Alle Geschichten haben gemeinsam, dass in ihnen das Wasser eine wichtige Rolle einnimmt. Die erste und längste davon gab dem Buch seinen Namen und handelt von der alleinerziehenden Mutter Yoshimi, die mit ihrer Tochter Ikuko in einem alten Haus lebt, welches nur noch als Bürokomplex verwendet wird. Ein altes leerstehendes Haus, eine seltsame Tasche, unauffällige Schwebepartikel im Wasserglas, die ängstlichen Gedanken einer Frau und ein Unglück, das sich vor zwei Jahren ereignete, bilden die Grundlage für unheimlichen Grusel. Nichts Konkretes, nur Ängste, Ahnungen und ein kühler Wind verursachen beim Leser eine gehörige Gänsehaut.

Was mir besonders gefallen hat, war die Art des Grusels: es müssen nicht immer Dämonen oder finstere Kreaturen sein, keine grausamen Serienkiller. "Dark Water" spielt mit den Urängsten der Menschen. Furcht verursacht nicht die Handlung, nicht das Geschehen, sondern einzig und alleine die Gedanken und Ängste der jeweiligen Protagonisten, in die man sich sehr gut hineinversetzen kann. Ob sie dem Tod nur knapp entronnen sind, was sie nun letzendlich gesehen haben, oder ob alles nur Einbildung ist, bleibt meist dem Leser überlassen.

Deswegen ist diese Art des Horrors wohl auch Geschmackssache. Mancher Leser wird es einfach beiseite wischen und nicht verstehen, was an ein paar knarzenden Dielen, einem kühlen Wind und einer im Müll liegenden Tasche so schaurig sein soll, ein anderer wird nachts das Licht brennen lassen. Was mich betrifft: ich las das Buch gerne und mit wohligem Frösteln, schlaflose Nächte hat es mir allerdings nicht beschert. Es hat mich nicht sonderlich bereichert, aber zwischendurch einmal ganz nett unterhalten.

Einen Tipp, wem es gefallen könnte, möchte ich nicht geben. Am besten einfach selbst einmal reinschnuppern, falls die Rezension interessant klang. Was der einzelne Leser dann damit anfängt, kann ich schwer beurteilen. Kultur aus Asien ist eben doch ganz anders als die unsere, und man muss sich erst schrittweise daran gewöhnen ...

SaschaSalamander 07.06.2006, 09.38 | (0/0) Kommentare | PL

Die Haarteppichknüpfer

eschbach_haarteppich_150_1.jpgIn letzter Zeit habe ich viele Romane von Eschbach gehört und gelesen. Bei ihm kann man sogar mehrere Werke hintereinander zu sich nehmen, denn eines beherrscht er grandios: die Kunst, unterschiedliche Genres zu schreiben. Science-Fiction, Thriller, Fantasy, im Gegensatz zu manch anderen Autoren gelingt ihm der Wechsel zwischen den Welten und Zeiten hervorragend. Ein Buch, von dem ich bisher nur wenig gehört hatte und auf das ich eher durch Zufall stieß, ist "die Haarteppichknüpfer". Dies ist sein erster Roman, ein Science-Fiction, der 1995 erschien und im folgenden Jahr den Literaturpreis des Scifi-Clubs Deutschland erhielt.

Knoten um Knoten knüpfen sie an einem Teppich aus dem Haar ihrer Frauen, Nebenfrauen und Töchter. So filigran und so fein, dass sie Zeit ihres Leben nur einen einzigen Teppich fertigstellen können. Vom Erlös aus dessen Verkauf ist der Lebensunterhalt des einzigen männlichen Nachkommen gesichert, der nun ebenfalls wieder an einem Teppich arbeitet. Die Kunstwerke dienen alle nur einem Zweck: sie sollen den Palast des Kaisers schmücken ... einmal im Jahr erscheinen die Händler, welche die Teppiche kaufen und an den Hafen bringen, wo die Raumschiffe der kaiserlichen Flotte sie entgegennehmen ...

Aber Eschbach wäre auch in seinem ersten Werk nicht Eschbach, wenn das schon alles wäre. Natürlich beinhaltet "die Haarteppichknüpfer" weitaus mehr als nur die Beschreibung ein paar einzelner Männer, die in ihrem Ort höchstes Ansehen für ihr Handwerk genießen. Dieses Buch besteht aus einzelnen Kurzgeschichten, deren Zusammenhang sich erst nach und nach offenbart. Der Autor schreibt in verschiedenen Zeiten und Dimensionen, springt zwischen Vergangenheit, "Gegenwart" und Zukunft. Ein Knüpfer muss sich zwischen seinem Sohn und dem Neugeborenen (er darf nur einen Sohn haben) entscheiden. Ein Lehrer hinterfragt den Kaiser und stürzt sich und andere damit ins Unglück. Ein anderer Knüpfer verliert bei einem Hausbrand seinen gesamten Lebensinhalt. Von Geschichte zu Geschichte darf der Leser einen tieferen Blick auf den geheimnisvollen Planeten werfen. Bis plötzlich die nächste Episode in einem Raumschiff spielt, in welchem die Rebellen viele Jahre nach dem Sturz des Kaisers auf Erkundungsflug unterwegs sind. Und hier wird es noch spannender als bisher: denn wie es scheint, bergen die Teppiche ein großes Geheimnis. Wie kommt es, dass noch niemand jemals auch nur einen einzigen davon im Palast des Kaisers sah? Was geschieht mit den Teppichen? Und warum sind die Völker der Teppichhaarknüpfer so primitiv und wenig entwickelt?

Was anfangs wie eine Fantasygeschichte daherkommt, entwickelt sich schnell zu einer Scifi-Story epischen Ausmaßes. Um dieses Universum hätten wohl noch unzählige Bücher geschrieben werden können. Und wie auch der alte Archivar am Ende sagt, birgt jede Kammer eine weitere Geschichte. Es ist faszinierend, wie komplex dieses Buch gewoben ist, entstanden aus ursprünglich einer einzigen Kurzgeschichte, um die sich bald immer mehr Ideen rankten (nachzulesen: >Eschbachs Homepage<).

Besonders gefiel mir auch der Erzählstil dieses Buches: ruhig, nahezu melancholisch. Oftmals hatte ich einen dicken Kloß im Hals, denn die Einzelschicksale gehen sehr nahe. Es mögen nur kurze Episoden sein, und die Erzählperspektive eine recht distanzierte, aber Eschbach versteht es wie immer zu fesseln. Vor allem, sobald mir das wahre Ausmaß der "Teppich-Verschwörung" langsam zu dämmern begann, konnte ich dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen!

Erwähnenswert finde ich auch die Gedanken rund um das Thema Religion (keine spezielle). Der Glaube an den Kaiser ähnelt in vielen Dingen dem christlichen Glauben. Durch die Metasicht des Lesers wird ein Bild der naiven Gläubigen geschaffen, welches bestimmt manchen nicht nur konsumierenden Leser Sinn und Widersinn der Religion hinterfragen lässt. Frei von jeglicher Wertung schildert Eschbach die Getreuen des Kaisers, die Rebellen nach dem Kampf und mit der Figur des Sternenkaisers vor allem eine zeitlose, beeindruckende, nahezu omnipotente Macht über allem.

Ein Mix aus Fantasy und Science-Fiction, meisterlich erzählt. Wer Eschbach kennt, versteht meine Begeisterung. Wer ihn noch immer nicht kennt - es wird langsam Zeit ;-)

SaschaSalamander 02.06.2006, 09.20 | (0/0) Kommentare | PL

Eric

CoverEigentlich dachten die Zauberer der Unsichtbaren Universität ja, ihr nichtsnutzer Kollege Rincewind sei tot. Aber dem ist nicht so, er geistert in einer Art Zwischenwelt. Und wie sein ihm übliches Pech und das grausame Schicksal es wollen, wird er von einem 13jährigen, pickligen Dämonologen, Eric, beschworen. Jetzt soll er ihm die obligatorischen drei Wünsche erfüllen: die Weltherrschaft, die schönste Frau aller Zeiten und das ewige Leben. Wenn´s weiter nichts ist *schulterzuck*. Nur leider war Rincewind schon als Zauberer nicht allzu begabt, von solch komplizierten Wünschen ganz zu schweigen. Aber irgendwie klappt es trotzdem. Eric und Rincewind geraten bei der Erfüllung der Wünsche von einer Katastrophe in die nächste, und das Chaos ist wie bei Pratchett üblich natürlich vorprogrammiert ...

Leider viel zu kurz. Eigentlich mag ich die Scheibenweltromane um Rincewinde ja weniger, aber dieser war einfach nur genial! Viele Anspielungen auf unterschiedliche Versionen der Hölle (Sartre, etc), unzählige literarische Werke wie die Ilias. Und Faust natürlich sowieso. Die Dämonen der Hölle versuchen natürlich alles, Eric in ihre Gewalt zu bekommen, aber das ist gar nicht so einfach. Denn die Hölle, das sind nicht die anderen, das sind auch nicht Pferdefuß und körperliche Qualen, sondern die Hölle, das ist Bürokratie. Und davon gibt es in der Hölle nicht zu knapp ...

Die Bilder des Zeichners der genialen Titelbilder, Josh Kirby, liebe ich sehr. Und in diesem Buch gibt es nicht nur ein Titelbild, sondern sogar 12 doppelseitige Zeichnungen!

Wie gesagt: Genial, absolut genial! Der einzige Nachteil ist lediglich, dass das Buch sehr kurz ist. Gerade einmal 151 Seiten. Und die Version, die ich aus der Bücherei hatte, ist zudem recht seltsam gebunden. Zwei Bilder sind vertauscht (betreffs Zusammenhang Buch und Bild), einige Seiten sind wegen einer schlechten Bindung herausgerissen (trotz Cover), und es schien nicht an der schlechten Behandlung durch die Leser zu liegen. Nach Ende des Buches auf Seite 151 kommen nochmal vier Seiten Text, beziffert mit Seite 51 ff. Ähnlich den entsprechenden Seiten des Buches, aber leicht anders. Sollte es ein Bonus sein, wäre es nett, darauf hinzuweisen, so wirkt es lediglich wie ein Fehler in der Bindung, und genau das war es vermutlich auch.

Wer es sich kaufen möchte, sollte ziemlich genau darauf achten, welche Version er kauft. Aber zu kaufen lohnt es sich ansonsten auf jeden Fall. Ich werde es meiner Pratchettsammlung demnächst hinzufügen.

SaschaSalamander 31.05.2006, 12.30 | (2/1) Kommentare (RSS) | PL

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